Rottweiler Torarolle vollendet

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Rottweil. Ein einzigartiger Moment, ein „freudiger Anlass“, so Rami Suliman, Vorsitzender der Israelitischen Gemeinde Baden: In der Synagoge Rottweil ist die Einweihung der neuen Torarolle gefeiert worden. Dem ging viel Handarbeit voraus, die zudem erst heute mit den letzten von Hunderttausenden Buchstaben vollendet worden ist. Es gilt als besondere Ehre für diejenigen, die aktiv an dieser Vollendung teilnehmen dürfen.

Die Sefer Tora wurde in Jerusalem etwa ein Jahr lang von der Hand eines speziell ausgebildeten Sofer (Kalligraph) mit Gänsekiel auf Pergament geschrieben. Das teilte die IRG, die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden, im Vorfeld mit.

Bildergalerie – alle Fotos: Ralf Graner

Mehr als 300.000 Buchstaben

Die Tora besteht demnach aus den fünf Büchern Mose und enthält 304.805 hebräische Buchstaben – inzwischen überprüft sie ein PC auf Richtig- und Vollständigkeit. Gemäß der Tradition wurde sie unvollendet geliefert. Ihre Vollendung mit dem Schreiben der letzten Buchstaben fand am Montag in der Synagoge Rottweil in einer feierlichen Zeremonie mit Ehrengästen statt.

Diese letzten Buchstaben schrieben hinein: den ersten Rami Suliman, der Vorsitzende der IRG Baden, den zweiten Landesrabbiner Moshe Flomenmann, den dritten Dr. Danyal Bayaz, Finanzminister Baden-Württemberg, den vierten Dr. Christian Ruf, Oberbürgermeister der Stadt Rottweil, den fünften Daniel Born, der Vizepräsident des Landtags von Baden-Württemberg, den sechsten und siebten die Bundestagsabgeordneten Derya Türk-Nachbaur und Maria-Lena Weiss, den achten Tatjana Malafy von der Israelitische Kultusgemeinde Rottweil/VS und schließlich den neunten Wolfgang Rüter-Ebel, Dekan im Evangelischen Kirchenbezirk Villingen.

Schließlich wurde die so vollendete Rottweiler Tora in den für sie vorgesehenen Schrank eingebracht. Laut Landesrabbiner Moshe Flomenmann die erste Einweihung einer Torarolle – „der Bedienungsanleitung für unser Leben“ – seit der Coronapandemie. Alle, die auch nur einen Buchstaben zu dieser Torarolle beigetragen haben, gelten damit als deren (Mit-)Besitzer. Wobei dieser Beitrag darin besteht, die Feder an ihrer Spitze sanft zu halten, während der Kalligraph den Buchstaben schreibt.

Die Israelitische Kultusgemeinde Rottweil/Villingen-Schwenningen zählt etwa 300 Mitglieder. 2017 ist die neue Synagoge am Nägelesgraben in Rottweil eingeweiht worden.

20 Jahre lang gibt es die Gemeinde nun. Die Torarolle habe sie sich selbst zum Geschenk gemacht, so Tatjana Malafy.

Fotos: Peter Arnegger

Info: Die Tora, die heilige Schrift der Juden

Die Tora besteht aus den fünf Büchern Mose und ist Teil der hebräischen Bibel. Der Begriff Tora bedeutet „Lehre, Gesetz“. Die Tora ist in hebräischen Buchstaben auf handgefertigtem Pergament aus der Haut koscherer („reiner“) Tiere geschrieben.

Die Torarolle ist auf zwei Holzstäbe aufgewickelt. Die Stäbe werden als „Baum des Lebens“ (hebr. „Ez Hachajim“) bezeichnet. Um die Torarolle wird ein spezielles Stoffband gebunden. Dann wird sie mit einem bestickten Mantel, der sie beschützen und verzieren soll, bedeckt. Die Torarolle darf nicht mit bloßen Händen berührt werden. Daher dient ein silberner Stab als Lesehilfe. An dessen Ende befindet sich eine kleine Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger. Die Lesehilfe heißt Jad, nach dem hebräischen Wort für „Hand“.

Die Tora wird von Hand geschrieben

Der Sofer ist ein „Schreiber“. Er restauriert und fertigt neue Kopien einer Tora und anderer Ritualgegenstände an. Dazu gehören die Schriftrollen, die in der Mesusa  und den Tfilin liegen. Zum Schreiben werden Gänsekiele und reine Tinte verwendet. Das Schreiben der Tora gilt als besonders ehrenvoll. Vor jeder Schreibsitzung bittet der Sofer Gott um genügend physische und mentale Kraft. Macht er einen einzigen Fehler, muss er von vorne anfangen.

Sijum ktiwat sefer tora (Beendigung des Schreibens der Tora)

Eine neue Torarolle wird in der Regel unvollendet in eine Synagoge gebracht. Das bedeutet, dass die letzten zwölf Buchstaben des 5. Buch Moses (Deuteronomium) noch fehlen („Vor den Augen von ganz Israel“). Diese werden dann noch in der Synagoge von Hand geschrieben. Die „Vollendung“ findet nach festgeschriebenen Regeln in einer Feierstunde statt. Obwohl die Tora nur vom Sofer geschrieben werden darf, gibt es zu besonderen Anlässen Ausnahmen. Es gilt als besondere Ehre für Rabbiner, Toraspender und bedeutende Persönlichkeiten an dieser „Vollendung“ aktiv teilzunehmen.

Quelle: Zentralrat der Juden in Deutschland.

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Peter Arnegger (gg)
Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.