In Villingen im Schwarzwald-Baar-Kreis – einer der beiden global gesehen wohl prächtigsten Narrenstädte im Bereich der schwäbisch-alemannischen Fasnet – stehen einem Pressebericht zufolge die Reiter vor dem Aus. So sehe sich die Historische Bürgerwehr Villingen mit Auflagen konfrontiert, die sie nicht erfüllen könne, berichtet der ‚Schwarzwälder Bote‚ am Mittwoch. Ob dies das Ende von Pferden bei den Umzügen in VS sei, fragt das Blatt. Und ob auch ein Ende der (echten, nicht der Schein-) Reiterei in Rottweil denkbar wäre, wollte die NRWZ von Ordnungsamt und Narrenzunft wissen. Die Antworten: beruhigend. Und der Reitverein ist ohnehin bestens vorbereitet auf die Fasnet .
Der ‚Bote‘ in Villingen-Schwenningen zitiert Karl-Heinz Schwert, Vorsitzender der dortigen Bürgerwehr, zu der auch die berittene Kavallerie gehöre. Dieser reagiere auf Forderungen des Ordnungsamts der Stadt. Und hält diese dem Blatt zufolge für nicht erfüllbar.
Die Pressestelle der Stadtverwaltung begründet die Forderungen mit „großen Sicherheitsbedenken“, die bestünden. Die Zeitung schreibt:
Als Stadtverwaltung ist es unsere Pflicht und Aufgabe, für die Sicherheit der Bürger zu sorgen“, stellt man dort klar. Nach Recherche und Vergleichen mit anderen Städten habe man die neuen Sicherheitsstandards zusammengestellt“.
Es geht um Dinge wie Reitstundennachweise (der Reiter) und Gelassenheitsprüfungen (der Pferde). Zwischen den Narren und den Leuten vom Amt würden die Fetzen fliegen, so der ‚Bote‘. Und Schwert soll sich festgelegt haben: „Wenn die Vorschriften so bleiben, sehen wir uns nicht in der Lage zu reiten.“
Nun – Reiter an der Fasnet und ein Ordnungsamt, das gibt es auch in Rottweil. Anlass für die NRWZ, mal bei den Betroffenen nachzuhaken. Wir erfuhren: „Auch für uns sind Pferde im Umzug ein Thema“, erklärt Professor Frank Huber, Zunftschreiber, also Sprecher der Narrenzunft Rottweil. Und ergänzt: „Von einem ‚Aus‘ können wir aber nicht reden.“
Für die Stadtverwaltung untermauert das deren Sprecher, Tobias Hermann: „In Rottweil gibt es aktuell keinen Anlass zur Diskussion. Narrenzunft und Ordnungsamt sind hier im guten Einvernehmen mit dem Reitverein Rottweil und stimmen sich jedes Jahr untereinander ab.“ Pferde und Reiter absolvierten im Vorfeld der Narrensprünge ein intensives und auf den Anlass bezogenes Trainingsprogramm, so Hermann weiter. Narrenzunft, Ordnungsamt und Reitverein wüssten „um die große Verantwortung bei den Narrensprüngen“, weshalb jedem Pferd und Reiter je eine Pferdepflegerin oder ein Pfleger zu Fuß zur Seite gestellt würden.
Zunftschreiber Huber bestätigt das und geht ins Detail. „Unabhängig von den ordnungsrechtlichen Aspekten spielt hier aber auch das Thema Vertrauen eine große Rolle“, schreibt er nach einem langen Vorlesungstag an der Universität Mainz der NRWZ. Deshalb halte die Narrenzunft einen engen Kontakt zum Reitverein und kenne daher die Trainingsbedingungen, unter denen die Pferde jedes Jahr auf die Veranstaltung vorbereitet werden. „In regelmäßigen Abständen sind wir bei den Trainingseinheiten vor Ort im Stall dabei“, so Huber.
Zudem habe seit einigen Jahren jedes Pferd seinen „Stallknecht“ mit dabei – „ein schneller Zugriff in die Zügel ist gewährleistet“, falls das Tier mal scheuen sollte. Auch würde die Narenzunftspitze die Reiter, die an den Umzügen teilnehmen, alle persönlich kennen. „Wir wissen, dass sie die Verantwortung kennen, die sie übernehmen“, so Huber.
Bei der Wegführung der Pferde zum und vom Sprung weg setze die Zunft auf Risikominimierung. Mit Spezialisten sei bereits vor Jahren eine Wegstrecke für Tiere und Reiter definiert worden. Am Sonntag vor der Proklamation finde zudem ein weiterer Testlauf statt, der den Reitern nochmals dazu diene, die (charakterliche) Standfestigkeit ihrer Pferde zu prüfen.
Die NRWZ hatte das 2017 mal beobachtet. Es war der Sonntag morgen, eine Woche vor der Fasnet. Der Reit- und Fahrverein Rottweil probte mit fröhlichem Ernst und sichtbar voller Vorfreude. Seine fünf glänzend gestriegelten Rösser zeigten sich bereit, die Rottweiler Narrensprünge anzuführen. In Formation ritten sie gekonnt durchs Schwarze Tor und die Obere Hauptstraße hinab. Ein kleines Häuflein Zuschauer simulierte die Geräuschkulisse: “Hu-hu-hu!”
Und wenn dann der Sprung läuft, gibt es laut Zunftschreiber Huber „genau definierte Zeitfenster, wo die Pferde wann sind und was sie dann machen.“ Diese seien ebenfalls mit Pferdespezialisten so festgelegt worden, dass die Tiere Ruhezonen und Futterplätze haben, um Stressabbau zu gewährleisten.
Außerdem die Pferde seit einigen Jahren auch nicht mehr hinter dem Tor und warten, bis der Sprung beginnt. „Vielmehr definieren wir eine bestimmte Uhrzeit, zu der wir hinter dem Tor einen Platz frei ordnen, und geben dann das Signal an die Reiter, so dass diese vom Stadtgraben her kommen und nur noch durch das Tor durchlaufen“, erklärt Huber. Es gebe also keine Standzeiten mehr.
„Wir überlassen also nichts dem Zufall, sondern haben bereits vor Jahren ein Konzept entwickelt, welches auf die Verhaltensweisen und die Bedürfnisse der Tiere abgestimmt ist“, lautet Hubers Fazit.
„Wir tun eine ganze Menge, um die Tiere auf ihren Einsatz bei den Narrensprüngen in Rottweil vorzubereiten“, sagt Miriam Krumhard als Sprecherin des Reitvereins Rottweil. Das beginne schon Wochen vorher, ab Dreikönig, wenn die Pferde draußen beim Reitstall intensiver Beschallung ausgesetzt werden – durch klepfende Rottweiler (Schein-) Rössle, durch eine Musikkapelle. Die Tiere, die das gut verkraften, würden weiter auf die anstehende Aufgabe vorbereitet, etwa mit mehreren Probeläufen und Ausritten in die Innenstadt. Pferde, die nervös reagierten, würden rausgenommen – im Sinne der Sicherheit für die Sprungteilnehmer und deren Zuschauer. Aber auch zum Wohl der Tiere. Das könne sogar kurz vor dem Sprung sein, wenn sich alle schon um halb Acht im Stadtgraben sammeln. Wenn da ein Reiter ein ungutes Gefühl hat – Ende und Umkehr. Sei alles schon vorgekommen, so Krumhard.
Die Pferde mit Medikamenten gefügig zu machen, komme für den Reitverein nicht in Frage. Andernorts geschehe das, so Krumhard. Aber man wisse ja nicht, wann die Wirkung nachlasse und wie das Tier dann reagiere. Nein, in Rottweil kommen nur die Rösser mit zum Narrensprung, die das nervlich aushalten.
Für die Reiter gelte derweil absolutes Alkoholverbot „bis alle am Friedrichsplatz angekommen sind“ , sagt Krumhard weiter. Das sei seit zehn, 15 Jahren so. Und im Notfall seien ja auch Leute zu Fuß den Reitern beigestellt. Wenn dann mal ein Gaul durch die Zuschauer aus dem Sprung raus müsse, gehe das nur so.
Krumhard bestätigt im Namen des Reitvereins das gute Verhältnis zwischen ihnen, der Narrenzunft und der Stadt. „Wir treffen uns jedes Jahr und reden viel miteinander.“