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    Rottweil: „Spaziergänger“ meiden Hauptstraße – und gehen erneut Polizisten an

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    ROTTWEIL. 800 Menschen haben nach Angaben der Polizei am Montagabend am zehnten sogenannten Montagsspaziergang in Rottweil teilgenommen. Damit sinken die Teilnehmerzahlen bei den „Spaziergängen“ dort weiter – ausgehend von den Angaben der Polizei. Die der Teilnehmenden selbst liegen für gewöhnlich deutlich darüber, eine erste Schätzung nennt für diesen Montag 3000. Die Spaziergänge gelten als Protest gegen die Coronamaßnahmen und eine Impfpflicht. Zudem mittlerweile auch als Protest gegen die Regierungen in Bund und Land.

    Parkplatz für Einsatzfahrzeuge: die Obere Hauptstraße in Rottweil an diesem Montagabend. Alle Fotos: Peter Arnegger
    Überzeugter Klepfer: Reiner „Archie“ Armleder.

    Drei Klepfer, Hauptstraße teilweise gesperrt

    Sie meiden nun die Hauptstraße in Rottweil, in der die Proteste Mitte Dezember ihren Anfang genommen haben. Das war online, in einem Telegram-Chat der „Spaziergänger“ auch so angekündigt worden. Nach einem wenigstens vorübergehenden Rückzug von Demonstranten, die dort montags zur Spaziergangszeit eine angemeldete Mahnwache und Menschenkette abgehalten hatten, hätte ein Gutteil von Rottweils Innenstadt den „Spaziergängern“ zur Verfügung gestanden. Nur im oberen Bereich hatte die Polizei für die „Klepfer“ abgesperrt, die allerdings nur noch zu dritt auftraten. Wovon einer eine kaputte Karpatsche hatte. Und vor dem Alten Rathaus parkten die Einsatzfahrzeuge.

    Die „Spaziergänger“, die eigentlich auch Demonstranten sind, die ihre Versammlungen verabreden, aber nicht anmelden, zogen stattdessen wieder in einem Ring um die Innenstadt. Ohne Abstand, zuallermeist ohne Maske.

    Polizei greift Rädelsführer heraus

    Vereinzelt kam es zu Zugriffen der Polizei. Die Beamten haben einzelne Demonstranten herausgegriffen, um deren Verstoß gegen die Maskenpflicht zu ahnden, die das Landratsamt vor Wochen für Versammlungen von mehr als zehn Menschen per Allgemeinverfügung erlassen hatte. Bei manchen Demonstrationsteilnehmern haben die Beamten etwa auch Beleidigungen gegen sie geahndet. Kräfte des Polizeipräsidiums Einsatz unterstützten wieder die Kolleginnen und Kollegen des Reviers vor Ort, auch wurden Kräfte der Autobahnpolizei eingesetzt.

    Beamte sichern eine Personenfeststellung an der Predigerkirche ab.

    Pulk an der Predigerkirche – „Lumpenpack!“

    Gegen 18.45 Uhr gab es Stress nahe der Predigerkirche, in der Lorenzgasse. Während einer solchen Personenfeststellung bildete sich rasch ein Pulk von Demonstranten, die die eingesetzten Beamten unter Druck setzten – sie riefen und schrien „Schämt euch!“ und „Pfui!“. Sowie: „Lumpenpack, Lumpenpack!“ Polizisten riegelten die Stelle ab, an der die Kollegen den „Spaziergänger“ überprüften. Wie ein Polizeisprecher der NRWZ sagte, würden bei diesen Aktionen meist Rädelsführer herausgegriffen, Menschen, bei denen die Beamten den Eindruck gewonnen hätten, dass sie Einfluss auf eine ganze Gruppe haben könnten. Die Demonstranten wiederum betrachten diese Aktionen als reine Willkür.

    Bereits vor einer Woche hatten Demonstranten eine Festnahme eines „Spaziergängers“ mit Sprechgesängen zu torpedieren versucht.

    Laut dem Polizeisprecher soll es in der Lorenzgasse nun zu einem Einsatz des Rettungsdienstes gekommen sein, nachdem eine Person kollabiert sei. Die Stimmung dort war aufgeheizt, Demonstranten attackierten Polizisten verbal, die auf Einhaltung von Abstand pochten. Hinzukommende Beamte wurden mit höhnischen Rufen begrüßt. Bis sich die Menge, auch unter beruhigenden Worten von „Spaziergängern“, zerstreute. Demonstranten berichten, Polizisten hätten jemanden gestoßen, der sich an der Hand verletzt habe.

    Rangelei, der Rettungsdienst wird gerufen

    Wie der Polizeisprecher nach internen Erkundigungen der NRWZ später berichtete, verlief das anders. Der Rettungseinsatz in der Lorenzgasse habe zwar mit einem Widerstand gegen Polizeibeamte zu tun gehabt. Der betroffene Mann habe wegen eines Verstoßes gegen die Coronaverordnung seine Personalien angeben sollen, er habe aber dann die Beamten beleidigt. „Es kam in der Folge zu einem Widerstand, weswegen der Rettungsdienst alarmiert wurde“, so der Polizeisprecher. „So wie es aussieht, ist der Betroffene aber nicht verletzt worden.“

    Update: Auslöser war wohl ein „Du“. Ein Beamter fühlte sich durch die Ansprache per Du durch einen Demonstranten offenbar beleidigt, weshalb die Personalien dieses Demonstranten festgestellt werden sollten. Die Antwort darauf: Tumult und lautstarker Protest. Für die „Spaziergänger“ nahm die Versammlung auf diese Weise zudem einen falschen, einen unguten Verlauf. Man wolle friedlich bleiben.

    Unser Leser Horst Niehues, Abgeordneter der AfD im Kreistag, schildert den Zusammenstoß zwischen Demonstranten und Beamten in einer Mail aus seiner Sicht:

    Die NRWZ ist schnell, aber ich denke, das ist hier gut berichtet. Erstaunlich, an welchen Punkten die Reporter überall waren. Im Großen und Ganzen kann ich das so bestätigen. Bin gespannt, was der Schwabo morgen berichtet.

    In der Lorenzgasse war ich dabei, bin aber erst gekommen, als die Spaziergänger schon protestiert haben. Ich habe dann mit der Polizei gesprochen, warum ein Spaziergänger eingekesselt wurde. Darauf antwortete ein Polizist, dass es zu einer Beleidigung gekommen sei. Ein Spaziergänger der dabei war, bestätigt das aber nicht. 

    Ich selbst stand dann zwischen Polizei und Spaziergängern und habe mit Gesten versucht, die aufgebrachten Spaziergänger zu beruhigen. Das war wohl der Dank, dass mein Sohn und ich auf dem Heimweg an unserem Auto von etwa sechs Polizisten aufgehalten wurden, die unsere Personalien aufgenommen haben. Nun gut, bin gespannt, was uns vorgeworfen wird.

    Nach Beobachtungen der NRWZ sind nach der Versammlung tatsächlich Beamte am Nägelesgraben zusammen gezogen worden, um bei zwei Männern die Personalien festzustellen. Dort waren zur Absicherung der durch sechs Beamte vorgenommenen Kontrolle auch noch weitere Polizisten des Polizeipräsidiums Einsatz, um die Kontrolle gegebenenfalls abzusichern.

    Pulk am Friedrichsplatz, der Verkehr wird behindert

    Am Friedrichsplatz kam es dann erneut zu einer Bildung eines Pulks, der Verkehr wurde von den Demonstranten behindert. Die Bus- und Autofahrer nahmens es zuallermeist gelassen hin. Manche hupten fröhlich, um die Demonstranten zu unterstützen. Andere wütend, um endlich weiterfahren zu können. Polizisten machten das Straßenkreuz weitgehend frei. Der Verkehr kam dennoch immer wieder zum Erliegen.

    Demonstranten versammeln sich am Friedrichsplatz, die Polizei rückt an.

    „Oh, wie ist das schön“

    Insgesamt ging der Demonstrationszug erneut ohne größere Zwischenfälle vorüber. Am Friedrichsplatz erklang wieder „Oh, wie ist das schön“. Gegen 19.30 Uhr war der „Spaziergang“ zu Ende, die Teilnehmenden zerstreuten sich.

    Online-Konferenz

    Unterdessen trafen sich online, bei einer Zoomkonferenz, Menschen, um miteinander über ihre Sicht auf die Coronamaßnahmen und die Folgen der Pandemie zu sprechen. Dies geschah auf Einladung der Initiatoren der Menschenkette, die diesmal auf deren Bildung verzichtet hatten. An der auf 500 Teilnehmer ausgelegten Konferenz haben zum Start gegen 17.45 Uhr knapp 80 teilgenommen. Wir werden gesondert darüber berichten.

    Unterstützten die Kolleginnen und Kollegen vor Ort: Kräfte des Polizeipräsidiums Einsatz.

    Die Lage im Land

    In der Gesamtschau sind am vergangenen Wochenende (11. bis 13. Februar 2022) landesweit 77 überwiegend störungsfreie Versammlungen unter Beteiligung von etwa 22.200 Bürgerinnen und Bürgern polizeilich begleitet worden. Darüber informierte das Innenministerium. 62 Protestaktionen davon hatten einen unmittelbaren Bezug zur Coronapandemie. Zur Bewältigung der Versammlungslagen setzten die regionalen Polizeipräsidien an diesen drei Tagen insgesamt rund 1500 Kräfte ein, davon rund 750 des Polizeipräsidiums Einsatz.

    Bereits am Freitag gingen rund 4500 Menschen bei 22 Versammlungen auf die Straßen, davon standen 18 im Zusammenhang mit der Coronapandemie, heißt es in der Pressemitteilung des Innenministeriums weiter. Die teilnehmerstärkste Versammlung fand demnach als sogenannter „Kerzenspaziergang“ mit etwa 3000 Personen in Ulm statt. Viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer seien durch die Polizei angesprochen worden, da sie keinen Mund-Nasen-Schutz trugen. Bei einer Identitätsfeststellung habe ein Maskenverweigerer Widerstand gegen die kontrollierenden Beamten geleistet. Die rund 250 polizeilichen Einsatzkräfte brachten sechs Straftaten sowie 49 Ordnungswidrigkeiten zur Anzeige. Bei der Kontrolle einer Person, die die Einsatzkräfte unentwegt anschrie, wurden laut Innenministerium eine Gasmaske und mehrere scharfkantige Werkzeuge aufgefunden. Gegen die Person wird nun ermittelt.

    Die Gegenkundgebung mit rund 80 Befürwortern der Coronamaßnahmen sei störungsfrei verlaufen.

    Am Samstag beteiligten sich landesweit rund 14.000 Personen an 31 Demonstrationen. 21 Versammlungen richteten sich gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, vier Demonstrationen wurden von Befürwortern durchgeführt.

    Die teilnehmerstärkste Versammlung fand in Reutlingen statt. Hier versammelten sich bis zu 7500 Menschen zu einem Aufzug im Innenstadtbereich. Die Zahl nennt das Innenministerium. Bei der Versammlung kam es demzufolge unter anderem zu einer Widerstandshandlung, zwei tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte sowie drei Beleidigungen zum Nachteil der eingesetzten Kräfte.

    An einem Aufzug durch die Freiburger Innenstadt nahmen rund 3300 Demonstranten teil. Entlang der Aufzugsstrecke hielten sich etwa 200 Personen der linksalternativen Szene auf und protestierten gegen die Maßnahmenkritiker. Mehrere Radfahrer der linken Szene versuchten kurzzeitig, den Aufzug zu blockieren, verlegten ihren Protest nach polizeilicher Ansprache jedoch an einen alternativ zugewiesenen Versammlungsort. Insgesamt wurden sieben Straftaten und sieben Ordnungswidrigkeiten festgestellt, rechnet das Innenministerium weiter vor.

    Am Sonntag wurden landesweit 24 Versammlungen polizeilich begleitet. Hiervon hatten 23 einen Bezug zur Coronapandemie, heißt es in der Mitteilung der Behörde weiter. 21 Demonstrationen wurden von insgesamt über 3600 Gegnern, zwei von insgesamt rund 400 Befürwortern der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie durchgeführt.

    Kontrollen zur Einhaltung der Coronaverordnung

    Neben dem Versammlungsgeschehen konzentrieren sich die Maßnahmen der Polizei weiterhin auf die Kontrollen zur Einhaltung der Coronaverordnung. Allein zwischen Freitag, 11. Februar, und Sonntag, 13. Februar 2022, wurden im Zuge dieser Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen laut Innenministerium 4300 Personen und mehr als 2200 Fahrzeuge kontrolliert. Dabei wurden rund 220 Verstöße gegen die Coronaverordnung festgestellt. Ein Großteil davon bezog sich mit rund 180 Verstößen auf die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung.

    Seit Beginn der Corona-Pandemie wurden von der Polizei Baden-Württemberg damit knapp 2,3 Millionen Personen und beinahe 851.000 Fahrzeuge kontrolliert sowie rund 384.200 Verstöße gegen die erlassenen Verordnungen festgestellt.

    „Woche für Woche wird unsere Polizei durch ein Versammlungsgeschehen gefordert, das Personal, Kraft und Zeit bindet. Dass unsere Polizistinnen und Polizisten an vielen Stellen gebraucht werden, hat die Stuttgarter Polizei mehr als deutlich gezeigt, als sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag konsequent gegen Poser vorgegangen ist. Mit klugen Einsatzkonzepten gelang es so der Polizei auch am vergangenen Wochenende wieder, friedliche Versammlungen zu schützen und gleichzeitig konsequent gegen Störenfriede vorzugehen“, sagte der Stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl in einer Rückschau.

    „Dass unsere Polizei über das Wochenende hinweg mit mehr als 1.500 Kräften die Ausübung von Demonstrations-Grundrechten gewährleisten kann und dennoch die Sicherheit in unseren Großstädten nicht zu kurz kommt, ist einmal mehr ein Beleg für die uneingeschränkte Einsatzfähigkeit und Leistungsfähigkeit unserer Landespolizei. Dafür sage ich ein Dankeschön an all unsere hochmotivierten Polizistinnen und Polizisten“, so Innenminister Strobl.

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    8 Kommentare

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    Dieter E. Albrecht
    2 Jahre her

    Ist die Polizei daran Schuld, dass das Landratsamt die aus meiner Sicht unsinnige Maskenpflicht im Freien* für Versammlungen über 10 Personen erlassen hat? Nein! Die Polizei muss ihrer Dienstpflicht nachgehen. Dies macht sie im Hinblick auf die Menge der „Verstösse“ (*welche meines persönlichen Erachtens für sich keine sind, denn gegen Unsinn kann man eigentlich nicht verstossen) aus meiner Sicht angemessen. Jede/r Angezeigte kann ja dann Einspruch gegen das Bussgeld einlegen und sich verteidigen. Doch Rufe wie: „Schämt euch!“, „Pfui!“, „Lumpenpack“ usw. gegen die Polizei sind völlig unangemessen und unnötig eskalierend. Sie verkennen die Aufgabe der Polizei, welche diese nunmal hat. Allerdings wegen einer für sich stehenden Du-Anrede von Beamtenbeleidigung auszugehen, halte ich in der heutigen Zeit für kleinlich. Jedoch war ich nicht dabei und kenne den Gesamtkontext nicht, aus welchem sich ein anderes Bild ergeben könnte. Somit; auf allen Seiten ist mehr Respekt erforderlich, vor allem auf Seiten der Demonstrierenden, sollten diese ihren Protest gegen die Impfpflicht sowie ggf. gegen oben genannte Allgemeinverfügung etc. wirksam kommunizieren wollen. In einer unnötigen Eskalation geht diese Botschaft unter.

    Ralf Rolle
    Ralf Rolle
    Antwort auf  Dieter E. Albrecht
    2 Jahre her

    Kommentar gelöscht. Bitte geben Sie eine funktionierende E-Mail-Adresse und möglichst auch einen Klarnamen an.

    Ulrich Straub
    Ulrich Straub
    2 Jahre her

    Wäre es nicht möglich die Berichterstattung über diese Form der Veranstaltungen einzustellen? „Spaziergänger“ dürfen (illegal?!) „wandern“, Gegendemonstranten demonstrieren und wer zuhause bleiben will, bleibt zuhause! Da bei den Spaziergängern die Überzeugungen so sind wie sie sind, ist ein Dialog zum Scheitern verurteilt! Ignorieren und gut ist ….

    Olaf
    Olaf
    2 Jahre her

    Eigentlich müsste es heißen: Polizisten gehen erneut Spaziergänger an.
    Bis zu diesem Zeitpunkt war es ein friedlicher, ruhiger und entspannter Spaziergang.
    Ich hoffe, dass ab Mittwoch die Maskenpflicht im Freien entfällt. Dann ist dieses Thema vom Tisch.

    Frank
    Frank
    2 Jahre her

    Ich weiß jetzt wirklich nicht was für eine Brille Sie auf haben Herr A…….

    Peter Arnegger (gg)
    Antwort auf  Frank
    2 Jahre her

    Neuer Versuch, diesmal ernsthaft: Bitte werden Sie deutlicher.

    Siegfried Spengler
    Siegfried Spengler
    2 Jahre her

    Wie kann man fröhliches Hupen von wütendem unterscheiden?

    Gibt es da Kurse für Autofahrer wie Zuhörer?

    Peter Arnegger (gg)
    Antwort auf  Siegfried Spengler
    2 Jahre her

    Hupen im Takt vs. langes Hupen. Tuut-tuut-tuut-tuut gegen Tuuuuuuuuuuuuuut. Ich denke, das kann man unterscheiden.

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    NRWZ-Redaktion
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    Unter dem Label NRWZ-Redaktion beziehungsweise NRWZ-Redaktion Schramberg veröffentlichen wir Beiträge aus der Feder eines der Redakteure der NRWZ. Sie sind von allgemeiner, nachrichtlicher Natur und keine Autorenbeiträge im eigentlichen Sinne.Die Redaktion erreichen Sie unter redaktion@NRWZ.de beziehungsweise schramberg@NRWZ.de

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    ROTTWEIL. 800 Menschen haben nach Angaben der Polizei am Montagabend am zehnten sogenannten Montagsspaziergang in Rottweil teilgenommen. Damit sinken die Teilnehmerzahlen bei den „Spaziergängen“ dort weiter – ausgehend von den Angaben der Polizei. Die der Teilnehmenden selbst liegen für gewöhnlich deutlich darüber, eine erste Schätzung nennt für diesen Montag 3000. Die Spaziergänge gelten als Protest gegen die Coronamaßnahmen und eine Impfpflicht. Zudem mittlerweile auch als Protest gegen die Regierungen in Bund und Land.

    Parkplatz für Einsatzfahrzeuge: die Obere Hauptstraße in Rottweil an diesem Montagabend. Alle Fotos: Peter Arnegger
    Überzeugter Klepfer: Reiner „Archie“ Armleder.

    Drei Klepfer, Hauptstraße teilweise gesperrt

    Sie meiden nun die Hauptstraße in Rottweil, in der die Proteste Mitte Dezember ihren Anfang genommen haben. Das war online, in einem Telegram-Chat der „Spaziergänger“ auch so angekündigt worden. Nach einem wenigstens vorübergehenden Rückzug von Demonstranten, die dort montags zur Spaziergangszeit eine angemeldete Mahnwache und Menschenkette abgehalten hatten, hätte ein Gutteil von Rottweils Innenstadt den „Spaziergängern“ zur Verfügung gestanden. Nur im oberen Bereich hatte die Polizei für die „Klepfer“ abgesperrt, die allerdings nur noch zu dritt auftraten. Wovon einer eine kaputte Karpatsche hatte. Und vor dem Alten Rathaus parkten die Einsatzfahrzeuge.

    Die „Spaziergänger“, die eigentlich auch Demonstranten sind, die ihre Versammlungen verabreden, aber nicht anmelden, zogen stattdessen wieder in einem Ring um die Innenstadt. Ohne Abstand, zuallermeist ohne Maske.

    Polizei greift Rädelsführer heraus

    Vereinzelt kam es zu Zugriffen der Polizei. Die Beamten haben einzelne Demonstranten herausgegriffen, um deren Verstoß gegen die Maskenpflicht zu ahnden, die das Landratsamt vor Wochen für Versammlungen von mehr als zehn Menschen per Allgemeinverfügung erlassen hatte. Bei manchen Demonstrationsteilnehmern haben die Beamten etwa auch Beleidigungen gegen sie geahndet. Kräfte des Polizeipräsidiums Einsatz unterstützten wieder die Kolleginnen und Kollegen des Reviers vor Ort, auch wurden Kräfte der Autobahnpolizei eingesetzt.

    Beamte sichern eine Personenfeststellung an der Predigerkirche ab.

    Pulk an der Predigerkirche – „Lumpenpack!“

    Gegen 18.45 Uhr gab es Stress nahe der Predigerkirche, in der Lorenzgasse. Während einer solchen Personenfeststellung bildete sich rasch ein Pulk von Demonstranten, die die eingesetzten Beamten unter Druck setzten – sie riefen und schrien „Schämt euch!“ und „Pfui!“. Sowie: „Lumpenpack, Lumpenpack!“ Polizisten riegelten die Stelle ab, an der die Kollegen den „Spaziergänger“ überprüften. Wie ein Polizeisprecher der NRWZ sagte, würden bei diesen Aktionen meist Rädelsführer herausgegriffen, Menschen, bei denen die Beamten den Eindruck gewonnen hätten, dass sie Einfluss auf eine ganze Gruppe haben könnten. Die Demonstranten wiederum betrachten diese Aktionen als reine Willkür.

    Bereits vor einer Woche hatten Demonstranten eine Festnahme eines „Spaziergängers“ mit Sprechgesängen zu torpedieren versucht.

    Laut dem Polizeisprecher soll es in der Lorenzgasse nun zu einem Einsatz des Rettungsdienstes gekommen sein, nachdem eine Person kollabiert sei. Die Stimmung dort war aufgeheizt, Demonstranten attackierten Polizisten verbal, die auf Einhaltung von Abstand pochten. Hinzukommende Beamte wurden mit höhnischen Rufen begrüßt. Bis sich die Menge, auch unter beruhigenden Worten von „Spaziergängern“, zerstreute. Demonstranten berichten, Polizisten hätten jemanden gestoßen, der sich an der Hand verletzt habe.

    Rangelei, der Rettungsdienst wird gerufen

    Wie der Polizeisprecher nach internen Erkundigungen der NRWZ später berichtete, verlief das anders. Der Rettungseinsatz in der Lorenzgasse habe zwar mit einem Widerstand gegen Polizeibeamte zu tun gehabt. Der betroffene Mann habe wegen eines Verstoßes gegen die Coronaverordnung seine Personalien angeben sollen, er habe aber dann die Beamten beleidigt. „Es kam in der Folge zu einem Widerstand, weswegen der Rettungsdienst alarmiert wurde“, so der Polizeisprecher. „So wie es aussieht, ist der Betroffene aber nicht verletzt worden.“

    Update: Auslöser war wohl ein „Du“. Ein Beamter fühlte sich durch die Ansprache per Du durch einen Demonstranten offenbar beleidigt, weshalb die Personalien dieses Demonstranten festgestellt werden sollten. Die Antwort darauf: Tumult und lautstarker Protest. Für die „Spaziergänger“ nahm die Versammlung auf diese Weise zudem einen falschen, einen unguten Verlauf. Man wolle friedlich bleiben.

    Unser Leser Horst Niehues, Abgeordneter der AfD im Kreistag, schildert den Zusammenstoß zwischen Demonstranten und Beamten in einer Mail aus seiner Sicht:

    Die NRWZ ist schnell, aber ich denke, das ist hier gut berichtet. Erstaunlich, an welchen Punkten die Reporter überall waren. Im Großen und Ganzen kann ich das so bestätigen. Bin gespannt, was der Schwabo morgen berichtet.

    In der Lorenzgasse war ich dabei, bin aber erst gekommen, als die Spaziergänger schon protestiert haben. Ich habe dann mit der Polizei gesprochen, warum ein Spaziergänger eingekesselt wurde. Darauf antwortete ein Polizist, dass es zu einer Beleidigung gekommen sei. Ein Spaziergänger der dabei war, bestätigt das aber nicht. 

    Ich selbst stand dann zwischen Polizei und Spaziergängern und habe mit Gesten versucht, die aufgebrachten Spaziergänger zu beruhigen. Das war wohl der Dank, dass mein Sohn und ich auf dem Heimweg an unserem Auto von etwa sechs Polizisten aufgehalten wurden, die unsere Personalien aufgenommen haben. Nun gut, bin gespannt, was uns vorgeworfen wird.

    Nach Beobachtungen der NRWZ sind nach der Versammlung tatsächlich Beamte am Nägelesgraben zusammen gezogen worden, um bei zwei Männern die Personalien festzustellen. Dort waren zur Absicherung der durch sechs Beamte vorgenommenen Kontrolle auch noch weitere Polizisten des Polizeipräsidiums Einsatz, um die Kontrolle gegebenenfalls abzusichern.

    Pulk am Friedrichsplatz, der Verkehr wird behindert

    Am Friedrichsplatz kam es dann erneut zu einer Bildung eines Pulks, der Verkehr wurde von den Demonstranten behindert. Die Bus- und Autofahrer nahmens es zuallermeist gelassen hin. Manche hupten fröhlich, um die Demonstranten zu unterstützen. Andere wütend, um endlich weiterfahren zu können. Polizisten machten das Straßenkreuz weitgehend frei. Der Verkehr kam dennoch immer wieder zum Erliegen.

    Demonstranten versammeln sich am Friedrichsplatz, die Polizei rückt an.

    „Oh, wie ist das schön“

    Insgesamt ging der Demonstrationszug erneut ohne größere Zwischenfälle vorüber. Am Friedrichsplatz erklang wieder „Oh, wie ist das schön“. Gegen 19.30 Uhr war der „Spaziergang“ zu Ende, die Teilnehmenden zerstreuten sich.

    Online-Konferenz

    Unterdessen trafen sich online, bei einer Zoomkonferenz, Menschen, um miteinander über ihre Sicht auf die Coronamaßnahmen und die Folgen der Pandemie zu sprechen. Dies geschah auf Einladung der Initiatoren der Menschenkette, die diesmal auf deren Bildung verzichtet hatten. An der auf 500 Teilnehmer ausgelegten Konferenz haben zum Start gegen 17.45 Uhr knapp 80 teilgenommen. Wir werden gesondert darüber berichten.

    Unterstützten die Kolleginnen und Kollegen vor Ort: Kräfte des Polizeipräsidiums Einsatz.

    Die Lage im Land

    In der Gesamtschau sind am vergangenen Wochenende (11. bis 13. Februar 2022) landesweit 77 überwiegend störungsfreie Versammlungen unter Beteiligung von etwa 22.200 Bürgerinnen und Bürgern polizeilich begleitet worden. Darüber informierte das Innenministerium. 62 Protestaktionen davon hatten einen unmittelbaren Bezug zur Coronapandemie. Zur Bewältigung der Versammlungslagen setzten die regionalen Polizeipräsidien an diesen drei Tagen insgesamt rund 1500 Kräfte ein, davon rund 750 des Polizeipräsidiums Einsatz.

    Bereits am Freitag gingen rund 4500 Menschen bei 22 Versammlungen auf die Straßen, davon standen 18 im Zusammenhang mit der Coronapandemie, heißt es in der Pressemitteilung des Innenministeriums weiter. Die teilnehmerstärkste Versammlung fand demnach als sogenannter „Kerzenspaziergang“ mit etwa 3000 Personen in Ulm statt. Viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer seien durch die Polizei angesprochen worden, da sie keinen Mund-Nasen-Schutz trugen. Bei einer Identitätsfeststellung habe ein Maskenverweigerer Widerstand gegen die kontrollierenden Beamten geleistet. Die rund 250 polizeilichen Einsatzkräfte brachten sechs Straftaten sowie 49 Ordnungswidrigkeiten zur Anzeige. Bei der Kontrolle einer Person, die die Einsatzkräfte unentwegt anschrie, wurden laut Innenministerium eine Gasmaske und mehrere scharfkantige Werkzeuge aufgefunden. Gegen die Person wird nun ermittelt.

    Die Gegenkundgebung mit rund 80 Befürwortern der Coronamaßnahmen sei störungsfrei verlaufen.

    Am Samstag beteiligten sich landesweit rund 14.000 Personen an 31 Demonstrationen. 21 Versammlungen richteten sich gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, vier Demonstrationen wurden von Befürwortern durchgeführt.

    Die teilnehmerstärkste Versammlung fand in Reutlingen statt. Hier versammelten sich bis zu 7500 Menschen zu einem Aufzug im Innenstadtbereich. Die Zahl nennt das Innenministerium. Bei der Versammlung kam es demzufolge unter anderem zu einer Widerstandshandlung, zwei tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte sowie drei Beleidigungen zum Nachteil der eingesetzten Kräfte.

    An einem Aufzug durch die Freiburger Innenstadt nahmen rund 3300 Demonstranten teil. Entlang der Aufzugsstrecke hielten sich etwa 200 Personen der linksalternativen Szene auf und protestierten gegen die Maßnahmenkritiker. Mehrere Radfahrer der linken Szene versuchten kurzzeitig, den Aufzug zu blockieren, verlegten ihren Protest nach polizeilicher Ansprache jedoch an einen alternativ zugewiesenen Versammlungsort. Insgesamt wurden sieben Straftaten und sieben Ordnungswidrigkeiten festgestellt, rechnet das Innenministerium weiter vor.

    Am Sonntag wurden landesweit 24 Versammlungen polizeilich begleitet. Hiervon hatten 23 einen Bezug zur Coronapandemie, heißt es in der Mitteilung der Behörde weiter. 21 Demonstrationen wurden von insgesamt über 3600 Gegnern, zwei von insgesamt rund 400 Befürwortern der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie durchgeführt.

    Kontrollen zur Einhaltung der Coronaverordnung

    Neben dem Versammlungsgeschehen konzentrieren sich die Maßnahmen der Polizei weiterhin auf die Kontrollen zur Einhaltung der Coronaverordnung. Allein zwischen Freitag, 11. Februar, und Sonntag, 13. Februar 2022, wurden im Zuge dieser Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen laut Innenministerium 4300 Personen und mehr als 2200 Fahrzeuge kontrolliert. Dabei wurden rund 220 Verstöße gegen die Coronaverordnung festgestellt. Ein Großteil davon bezog sich mit rund 180 Verstößen auf die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung.

    Seit Beginn der Corona-Pandemie wurden von der Polizei Baden-Württemberg damit knapp 2,3 Millionen Personen und beinahe 851.000 Fahrzeuge kontrolliert sowie rund 384.200 Verstöße gegen die erlassenen Verordnungen festgestellt.

    „Woche für Woche wird unsere Polizei durch ein Versammlungsgeschehen gefordert, das Personal, Kraft und Zeit bindet. Dass unsere Polizistinnen und Polizisten an vielen Stellen gebraucht werden, hat die Stuttgarter Polizei mehr als deutlich gezeigt, als sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag konsequent gegen Poser vorgegangen ist. Mit klugen Einsatzkonzepten gelang es so der Polizei auch am vergangenen Wochenende wieder, friedliche Versammlungen zu schützen und gleichzeitig konsequent gegen Störenfriede vorzugehen“, sagte der Stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl in einer Rückschau.

    „Dass unsere Polizei über das Wochenende hinweg mit mehr als 1.500 Kräften die Ausübung von Demonstrations-Grundrechten gewährleisten kann und dennoch die Sicherheit in unseren Großstädten nicht zu kurz kommt, ist einmal mehr ein Beleg für die uneingeschränkte Einsatzfähigkeit und Leistungsfähigkeit unserer Landespolizei. Dafür sage ich ein Dankeschön an all unsere hochmotivierten Polizistinnen und Polizisten“, so Innenminister Strobl.

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