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    Narrenzunft verkündet neue Obrigkeit / Hunderte Zuschauer finden das völlig in Ordnung

    Rottweil: Sie haben den Oberbürgermeister abgesetzt!

    Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

    „Wir haben eine neue Obrigkeit!“ Das verkündete, selbstbewusst wie eh und je, ein Herold der Rottweiler Narrenzunft am späten Sonntagvormittag. Der Oberbürgermeister ist abgesetzt!

    (Rottweil). Dr. Christian Ruf wehrte sich nicht. Nein, er versuchte – erfolglos – den Angriff auf seine Autorität wegzulächeln. Er ließ es über sich ergehen, dass er mir nichts, dir nichts und für Außenstehende vielleicht überraschend abgesetzt wurde. So konnte Herold Marius Kirsner „a neue Obrigkeit“ ausrufen (seine Rede im Wortlaut findet sich unten – sie ist allerdings in einem schwer verständlichen Dialekt gehalten … ), die Stadt in diesen Dingen eigentlich unerfahrene Hände geben, der von Narren. Zwei Ausscheller der Narrenzunft verkünden seit diesem Ereignis den Anfang der Fasnet in der alten Reichs- und Narrenstadt. In den Gassen sind die beiden nun unterwegs, um alle Rottweiler Bürgerinnen und Bürger auf die bevorstehenden großen Tage aufmerksam zu machen. Auch die sogenannten „Stubahocker“.

    Die Tagwachkapelle unterstützte die Rottweiler Revolution, hunderte Zuschauerinnen und Zuschauer schienen sich über den Regierungswechsel auch noch regelrecht zu freuen. Dem Vernehmen nach gelangten die Narren mit ihrem Streich aber nicht in größerem Umfang an Geld – die Schatzkiste war zwar schwer, beinhaltete hingegen zu einem Gutteil wertlose Backsteine. Dennoch gab sie ein paar Goldtaler her, die die Narren natürlich sogleich mit vollen Händen unters Volk brachten.

    Bildergalerie

    Unser Fotograf Ralf Graner war bei dem denkwürdigen Ereignis dabei. Hier sind ein paar seiner schönsten Bilder:

    Im Wortlaut: die Rede von Herold Marius Kirsner

    Text: Frank Huber

    Älle Bürgersleit vu Rottweil, kund und z`wissa!  Graouße Ereignis hond sich zuetraga. Heut Morga hot da Narramoaschter mit sine Manna s`Stadtregiment übernumma. Mir hond a neie Obrigkeit!

    Dia nei Obrigkeit entbietet älle Bürgersleit ihren herzlicha Willkommensgruaß !  Und b`sunders herzliche Grüaß deana auswärtige Rottweiler und älle Gäscht, wo koan Weag g`scheut hond, in iserem Narranescht a herrliche Fasnet z`verleaba!

    Z`ällererscht dekretiert dia nei Obrigkeit, dass dia Fasnet mit Glanz und Gepränge stattfinda soll.

    Entschprechende obrigkeitliche Aordnunga sin schao erlassa. 

    Bekannt gmacht sei au, dass isere schluckmuskelgedehnta Hochleischtungsordner au dieses Johr als hilfsbereites, gut gelauntes, gut ausgebildetes, schö anzusehendes Sicherheitspersonal bei da Narraschprüng helfat. Gott sei Dank!. Da Rainer Prinzing vu da Ordner hot nämlich gsait, „Also unter 20.000 Zuaschauer ordnet mir nimme. Noch dem Narratag z`Oberndorf isch älles drunter oafach nimme isere Liga. Wenn it gnuag Zuschauer an da Fasnet do sin, no ordnet mir in Zukunft d`Schtrossafasnet uf da Flaniermeile vu Rio de Janiero. Do kommet immer 300.000 Zuaschauer. Des isch genau iser Ding.“ Und des isch aber au interessant, weil wenn da Rainer fürs Sportabzeicha 100 Meter renna miaßt, no dät da Aichelmanna Franz, d`Stoppuhr gegen an Johreskalender austauscha. Aber beim Ordna, do isch ihm nix zviel. Bloß da Pach hot da Rainer no abhalta kenna. „Aber Rainer,“ hot er gsait, „in Rio geit`s koi gscheits Bier und Schorle so warm wia d`Bettfläsch vu meira Frau Silke.“ Jetzt mua mer natürlich no wissa, dass da Pach glei kapiert hot, dass des Gschäft uff dera Flaniermeile a Arbeit sei kennt. Und s`Schaffa hot iser Jürgen jo it in d`Welt brocht. Wo da Rainer da Jürgen Pach vor a paar Däg amol im Cafe Pauls troffa hot, frogt der da Jürgen: „Du sag a mol Jürgen, was machsch du denn heit?“ Da Jürgen hot bloss gsait: „Ha nix!“. Da Rainer war irritiert und sait:“Ha, aber des hosch du doch scho geschtern gmacht“. No moint da Jürgen Pach bloß:“Hosch recht, aber i bin it fertig wora.“

    Ha, Hoppla, da haut`s im Meischter Lampe jo d`Schneidezäh aus da Kauleischte.

    Bekannt gmacht sei weiter, dass wia äll Johr da Narramoaschter heut in ällera Früah mit sine Manna ufs Rothaus glofa isch. Und wie immer hot der in älle deane schtaubige Amtslada noch da Moneta gsuachet, um se nochher an eich z`verteila. Aber wo da Narrenmoaschter no in dia Büro neiguckt hot, isch dem s`Gsicht grad nu so standa blieba. Koin Heller isch meh do, weil da Bargeldbestand vu da Schtadt uffbraucht isch, aber iberall hot´s gurret und gflattert. Iberall hunderte vu Dauba und mittadrina hockt uffm Schreibtisch im Schneidersitz mit meditativem Blick iser OB. 

    Da Chef vu da Wadelkappamanna hot no da Chef vu da Verwaltung gfrogt: „Ha no, Chrischtian, wa isch au bei eich los?“ Und der hot an no uffklärt:„Ha woisch, Chrischtoph, mir hon doch den Daubaschutzverei in Rottweil, weil Dauba jo gschützt wära missat. Des isch a Pflichtufgab vu da Schtadt. Aber vor fünf Johr hot is der Verei 10.000 Euro pro Johr koschtet. Jetzt koschtet er is 100.000€. Und nächschtes Johr, wellet se wahrscheinlich no meh. Do hen mir vu da Verwaltung a super Idee zum Schpara ghet. Rottweil, Stadt der Türme, und mir den zu dena neun Türm no oin dazu. Aus em Rothaus machat mir da gröschte Dauba-Turm im Land.“ Da Narramoischter war begeischtert. „Und außerdem hond mir au no an Specht kauft, den wellat mir mit dena Daube kreuza“, hot iser Schulteß gsait. „Potzdunder, wa soll denn do rauskomma, wenn ihr Dauba und an Specht mitanander in d`Kischte legat?“, frogt da Meischter der Narren da Chrischtian. „Ha, Chrischtoph isch doch klar, a Daub, die aklopft, wenn sie da Brief bringt!.“

    Bürgersleut, ihr merket scho, vu da Schtadträt und da alta Obrigkeit derfsch nix erwarta, und selbscht des wird meischtens vu dena no übertroffa. Da Gürtel muass bei da Schtadt aber jetzt enger gschnallt wära. Und wa d`Schtadt zwenig hot, hot da Kreis wohl zviel. Da verbal-inkontinente Landrat Michel moint, „Ha no, letzthin hot da Architekt vum neia Landratsamt gmoint, dass da Neibau vu dem Amt jetzt doch a weng graißer und deurer wird. Mit 829 Meter wird’s um oin Meter höher wie der Turm in Dubai. Des Amt wird 1500 Tiefgaragestellplätz für 750 Mitarbeiter han. Außerdem soll no an Goldautomat einbaut wera, jetzt wo au no d`Stadtverwaltung einzieht, weil Dauba jo s`Rothaus kriegat. Aber so oder so, da Michel frait sich uf sei neia Bude. Sei Motto lautet: „D`Einnahma sin scheißegal, solang d`Ausgaba schtimmet. Und weil fünf vu vier Beamte eh it rechna kennet, dem mir da entgangene Gwinn mit em Härtegrad vum Wasser verrechna“. Da Michel isch oifach an Tausendsassa!

    Bürgersleut vu Rottweil, ihr merket scho, an Wechsel an oberschter Stelle isch dringend notwendig, vor allem weil halt au an da falscha Schtella gschpart wird. Da Wärmeschtub hot jo da nei Leiter vu da Finanzverwaltung, da Oberstebrink, koi Stell finanziera kenna, aber er hot andere Idee ghet. Seit der nämlich uff em Rothaus isch, schtodt d`Intelligenz uff halb achte. Frisch im neia Amt hot der bei da Service-Rufnummer vu seim Computer-Hersteller agrufa. „Wisset se, hot er gsagt, mein Computer schreibt bloss no groß.“ No not der Mitarbeiter vum Service gfrogt:“Jo, wie hen se des rausgfunda?“. No sait der Neue: „Ha, mit da Feschtstell-Taschte.“ Uff alle Fäll hot der verbeamtete Drehschtuhlpilot gmoint, ha, wenn mir scho koi Geld für d`Suppakicha geba kennet. No helfet mir halt andersch. Wie wär`s denn, wenn mir do kochet?“ Da Kulturamtsleiter Schaffert isch glei oben n`aus vor lauter Idea: Als geischtiges Scharnier zwischa Schenie und Wahnsinn hot er glei überlegt, wa mer in da Suppakiche deana Leit abieta kennt. „Zum Beischpiel kennt I a klare Ochsaschwanzsupp macha. Ochsa sin gnung im Rothaus um mi rum und für dia zwei Tag, dia`s braucht zum dia Supp zum macha, krieag I beschtimmt vier Dag Bildungsurlaub.“ „Au regionale Schpeisa wäret machbar“, jubiliert d`Bürgermeischterin Gaehn. „I ka zum Beischpiel wahnsinnig guat Schtreifa vom Saitawürschtle kocha. Dazu dät I an handwarma Senf reicha, den halt jeder selber aus da Tub drucka muass.“ Da Bauamtsleiter Mager hot gmoint. „Weil mir z`Rottweil jo koine Winter me hond und d`Kind jetzt schu Reaga- statt Schneemänner bauet, wär I dafür, dass a Pizza Drei-Johreszeita uf d`Schpeiskart kunt.“  Und da Verkehrslottle, da Bisinger, hot ganz praktisch denkt und gsait, er häb a Kochbuach mit am Haufa Nudela-Rezept drin, die kennt mer eigentlich nochkocha, bloß schtohdt do in da Aleitung immer Wasser auf 100 Grad erhitza drin. Da Pfaff hot ihn no gfrogt, wo`s Problem isch. Da Bisinger hot dann bloß agmerkt, er woiß it, genau wa Wasser bei 100 Grad macht. Da Pfaff hot no gmoint, er dät des au it wissa, aber oins wiss er hundertprozentig. Bei 90 Grad macht`s an rechta Winkel.

    Bürgersleut, mit dera neia Obrigkeit blost jetzt aber an andera Wind. Do wird it gjomeret, wie bei dena zwei Elefanta, wo durch d` Luft gfloga sin und noch ra Weile da oine da andera abettelt hot: „Jetzt dorf I aber au mol in da Mitte schwimma…“. Ha noi, dia nei Obrigkeit schtrotzt im Gegasatz zu da alta Obrigkeit vor Dynamik, hot guate Idea und setzt se au glei um. Mir lasset is koin Maulkorb wia da Gmoindrat verpassa, wenn`s um d`Innenschtadt vu isera Schtadt goht. Innenschtadtmangerin hin oder her.

    Als erschtes hond mir deshalb a mol in Rottweil rumgfrogt, wer no bleiba will, wenn mer in Zukunft z`Fuß noch Schtuaget laufa muaß, weil koin Zug me fährt und uffem Haiberg se wieder wia friaher uff da Acker zum Scheißa ganget, weil des wenigschtens füra weng Abwechslung sorgt. Zum Schaffa hon dia ja dann bald nix me, wenn se it zum Daimler kommet.

    Bürgersleut vu Rottweil, dia oinzig Wirtschaft in isera Schtadt isch demnächst no da Imo Kebap in da Bluamagass. Da Imo hot verlauta lau, er zieht ersch dann aus Rottweil weg, wenn da FC Suebia nimme in da A-Klass, sondern in der 1. Bundesliga spielt. „Dann han I main Uftrag als Ernährungsberater bei dena Jungkicker erfüllt.“, moint da Imo. Da Vodafon-Lada mit dena beida Kessler-Mädle hen beschtätigt, sie lasset da Lada uff. Dia schwarzhorig vu dena zwei hot dann erklärt worum. „Klar, verdiena mir scho ewig koi Geld meh in Rottweil, aber mir kommet immer jeden Freitag und gucket, was passiert wär, wenn mir it so schnell wie möglich a Zweigschtell in Balingen ufgmacht hättet.

    Da Michael Grimm hot is verzählt, er bleibt au. D`Weinhandlung Grimm, die Troschttränke der Hoffnungslosen, dene mer saueres Vergessen in bodenlose Flascha schenkt, reduziert aber`s Sortiment. I verkauf bloß no Fasnetswei. Des heißt, I kauf irgendwo an rota Schädelspalter, füll den ab in Flascha, bepp a Etikett mit ma Fasnetsbild druff und verlang`s doppelt. Besser ka´s woanders au it laufa.

    Da Volkmar Caduff hot verlautet, dass er bleibt, aber au sei Sortiment reduziert. Weil so wenig los isch, will er bloß no Schimmelkäs verkaufa, bei dem säh mer it, wie lang der scho in da Theke liegt. 

    Und da Ex-Schultes Engeser will au nimme woanders na zieha. Er siehts`s so: „I muass bleiba und weiterhin Leserbrief schreiba, wer soll`s den sonscht macha? Und wenn I koine Leserbrief meh schreib, no ganget beim Schwabo d`Lichter aus.“ Ha, saperlott, etzt wird`s dag.

    Bürgersleut vu Rottweil, bei so viel Trübsinn, bringt eich dia nei Obrigkeit dia Freid am Leba wieder zrück. Mir machet ab morga s`Außabecke im Aquasol wieder uff und fülla, jo fülla den mir`s bis an Beckarand mit Schorle weiß sauer. Mir verleihet Luftmatratza, mit deana ihr eich uf dem Schorlesee treiba lassa kennet. Wega da Hygienevorschrifta miaßtet ihr aber da Trinkhalm selber mitbringa. Falls ihr nimme aus dem Becka alloi rauskommet: Au do lasst mir eich it im Stich. D`Annette Leichtle hilft eich galant dabei und duat eich aschließend no mit era Schprizz-Dusche abdampfa. Natürlich a Aperol-Schprizz-Dusche. D`Annette hot nämlich a Gabe des Mix-Getränk so orasch zum macha, do moint jeder, wo des sieht, des isch beschtimmt a Jodtinktur. 

    Noch iserne hochwohllöblicha Anordnunga wird außerdem da Tunnel noch Göllsdorf zua gmacht und der ganz Flecka bis zum Dissahorn mit Linsa und Spätzle ufgfüllt. Außerdem dorf ab sofort jeder Bürger vu Rottweil an da Fasnet a mol da Narraengel oder da Guller nadoa, und zwar sobald d`Fasnet uf da Funka-Sunntig fällt. Jetzt saget amol selber, isch des vielleicht nint?

    Bürgersleit, ihr merket´s: Da Wahnsinn nimmt zu, aber dia Vernunft bleibt schlank. Dia nei Obrigkeit hot Aschtand und sprüht vor Idea. Hot dia alt Obrigkeit Schmalz in da Ohra, ho dia nei Obrigkeit Hirnschmalz zwischa da Ohra. Jeder einzelne vu dera neia Obrigkeit hot also Hirn, hot Intellekt, hot Geld und sieht au no sauguat aus. Es krasse Gegenteil dazua isch dia alt Obrigkeit. 

    Bürger vu Rottweil!  Wer Ohra hot, hot`s g`hert, und wer Auga hot, hot`s g`seha. Dia Zeita wearet äwell glanzvoller und deurer, aber au schöner!  Drum befehl i namens da neia Obrigkeit deana Ausscheller, uverziglich i ällene Gässle und Schtroßa z`ganget und dert z`verkünda, dass dia nei Obrigkeit beschlossa hot, dia Fasnet heit wia vor altem abz`halta. Uf, ihr Ausscheller, fanget a!

    HU-HU-HU

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