Rottweil neu denken: Ein inzwischen zweites Werkstattgespräch engagierter Bürgerinnen und Bürger hat konkrete Vorschlägen zur Zukunft der Mobilität in der Stadt hervorgebracht. Eine zentrale Erkenntnis: Man kann sich eine autofreie Innenstadt vorstellen. Und wünscht sich diese noch vor Beginn der Landesgartenschau.
Ein Gastbeitrag von Prof. Frank Huber
Am 19. Mai lud eine Gruppe von Rottweiler Bürgern, die sich im Rahmen der Diskussion um das Parkhaus und den Zentralen Umsteigebahnhof (ZUB) am Nägelesgraben öffentlich auf unterschiedliche Art und Weise engagiert hat, bereits zum zweiten Mal interessierte Bürger, Mitglieder von Bürgerinitiativen, Gemeinderäte und Vertreter der Stadtverwaltung ins Kraftwerk ein. Ziel war es, Vorschläge für einen Weg aus dem Verkehrsinfarkt vorzustellen und zu diskutieren. Heute quälen sich täglich etwa 16.000 Autos durch Rottweils Kernstadt. Nervenaufreibend nicht nur für diejenigen, die hinter dem Lenkrad sitzen, sondern auch für diejenigen, die in der Kernstadt wohnen, arbeiten oder einkaufen.
16 Billionen Kilometer pro Jahr
Der Einladung zu diesem zweiten Werkstattgespräch folgten mehr als 50 Personen. Die Veranstaltung eröffnete Felicitas Bott, die auch gleich den ersten Programmpunkt ankündigte: Benjamin Grosse vom Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität in Berlin sprach über die Mobilitätsentwicklung in ländlichen Regionen. Im Zentrum seiner Ausführungen standen vor allem die Angebotsgestaltung des Öffentlichen Personennahverkehrs sowie Maßnahmen, die dazu dienen, dass die Menschen ihr Auto stehen lassen. Unvorstellbar: Weltweit sind etwa 1,2 Milliarden Autos in Betrieb. Jedes fährt pro Jahr etwas mehr als 13.000 Kilometer, sodass alle zusammen auf etwa 16 Billionen Kilometer pro Jahr kommen. Eine gigantische Zahl! Sie entspricht einer Fahrt von 42 Millionen Mal von der Erde zum Mond.
Städte und Bürger beginnen sich – nicht nur in Rottweil – zunehmend gegen einen drohenden Mobilitätsinfarkt zu wehren. Wie sich Rottweil aus dem Würgegriff des Personenverkehrs befreien könnte, zeigten Alfons Bürk und Hannes Soballa auf, die eine Vision für die Mobilität der Stadt Rottweil vorstellten. Grundlage für das visualisierte Zukunftsbild waren auch die Resultate des ersten Werkstattgesprächs, die an gleicher Stelle in Kleingruppen herausgearbeitet worden waren. Eine zentrale Erkenntnis war, dass sich die teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger in puncto Mobilität eine autofreie Kernstadt noch vor Beginn der Landesgartenschau im Jahr 2028 vorstellen können – und sich wünschen.
Lebhafte Diskussion
Bürk präsentierte ein Konzept, das zeigt, wie dies gelingen kann. Sehr facettenreich beleuchte er die unterschiedlichen Mobilitätsarten und die Verkehrsführung, die die Autofreiheit in der Innenstadt sicherstellen würde. Im Anschluss an seine Präsentation entwickelte sich eine fast zweistündige, sehr lebhafte Diskussion. Bürger, Einzelhändler und auch die teilnehmenden Gemeinderäte verdeutlichten ihre jeweiligen Standpunkte zu dem Zukunftsbild. Aus den verschiedenen Sichtweisen gilt es nun Lösungen für eine zukunftsfähige Stadt unter Berücksichtigung der Standpunkte zu erarbeiten.
Die alle im Ehrenamt tätigen Organisatoren der Veranstaltung werden die aus der Diskussion gewonnenen Ideen im nächsten Schritt der Stadtverwaltung zur Verfügung stellen. Damit kann ein von der Stadt schon im Oktober des vergangenen Jahres im Rahmen der Bürgerversammlung in der Stadthalle angekündigter Bürgerworkshop auf wertvolle Gedanken, Erkenntnisse und Informationen zurückgreifen und darauf aufbauen.
Hinweis: Prof. Frank Huber hat diesen Beitrag auch im Namen der weiteren Einladenden zur Zukunftswerkstatt verfasst, namentlich Felicitas Bott, Peter Mentner, Hannes Soballa, Alfons Bürk, Thomas Wenger, Hermann Breucha und Carl Soballa.