Rottweil. Start eines Großprojekts: Am Montag ist der Spatenstich für den Neubau der Justizvollzugsanstalt Rottweil im Esch erfolgt. Die Bauarbeiten haben schon begonnen, nun ist es aber offiziell: Jetzt ziehen sie also den Knast hoch. Ziemlich genau 500 Häftlinge soll die künftige Justizvollzugsanstalt aufnehmen. Es werde ein Vorzeigebau, hieß es.
„Im Esch 1, 78628 Rottweil“. So lautet die Adresse der neuen Justizvollzugsanstalt Rottweil. Die Baugenehmigung ist im Januar von der Stadtverwaltung erteilt, der „Rote Punkt“ an Thomas Steier übergeben worden, der als Leiter des Amtes Vermögen und Bau in Konstanz für den Neubau in der Verantwortung steht. Damit konnte am heutigen 26. Juni 2023 der Spatenstich erfolgen. Die Hauptpersonen dabei neben Steier: Landes-Finanzminister Dr. Danyal Bayaz und Justizministerin Marion Gentges, der Direktor des Landesbetriebes Vermögen und Bau, Andreas Hölting, sowie Rottweils Oberbürgermeister Dr. Christian Ruf. Ihm galt der Dank der Projektbeteiligten ganz besonders, da die Stadt nicht nur den Prozess mit der Bevölkerung gut umgesetzt, sondern auch bei der Baugenehmigung eine hohe Geschwindigkeit vorgelegt habe. Wobei Ruf selbst daran erinnerte, dass es beim ersten möglichen Standort, am Bitzwald, Proteste gegeben hat. Der entstandene Graben habe aber Dank auch der bürgerlichen Begleitgruppen überwunden werden können.
Nach aktuellem Stand investiert das Land rund 280 Millionen Euro in die neue JVA. Geplant sind 18 Bereiche mit einer Gesamtnutzfläche von 25.463 Quadratmetern und 502 Haftplätze. 52 Hafträume sollen barrierefrei ausgestaltet werden.
Zur Kostensteigerung des Projekts sagte Finanzminister Bayaz: „Die erste grobe Kostenschätzung ist zehn Jahre alt“, das bedeute, dass sich die Vorzeichen ändern könnten
Am 5. Juni haben die Vermessungsarbeiten zum Baustart begonnen. Eine Woche später sind die ersten Bagger angerollt. Aktuell werde die Humusschicht auf dem Baufeld abgeschoben, so das Amt für Vermögen und Bau in einer Mitteilung. Dies sei Teil der ökologischen Ausgleichsmaßnahmen.
Ab August sollen die Erd- und Tiefbauarbeiten anschließen. Das Gelände der neuen Justizvollzugsanstalt wird mit dem anfallenden Aushub modelliert. Das heißt, dass aller Aushub auf dem Gelände verbleibt. Bei geplanten 160.000 Kubikmetern Erdbewegungen seien das immerhin rund 16.000 Lastwagenladungen, die nicht abgefahren werden müssen. Das schone Ressourcen, reduziere die CO2-Emissionen und spare somit Geld, argumentiert die Behörde.
Besonderer Wert wird auf die energetische Ausrichtung der neuen Anstalt gelegt – „das ist ein Vorzeigebau, an dieser Stelle müssen wir als Landesregierung liefern“, kommentierte Minister Bayaz. So übertrifft der Gebäudeenergiestandard die gesetzlichen Vorgaben nach Behördenangaben um etwa 30 Prozent. Zudem sei ein nahezu klimaneutrales Energiekonzept entwickelt worden, die Beheizung erfolgt über Wärmepumpen und Hackschnitzel, die Bedachung wird in Form von Biodiversitätsdächern ausgeführt und mit Photovoltaikmodulen belegt. Die geplante PV-Leistung beträgt rund 1,8 MW.
Ausgehend von einer Gesamtbauzeit von etwa vier Jahren, soll der Neubau der JVA im Jahr 2027 fertiggestellt sein.
Der kommunalpolitische Verlauf bis zu diesem Termin heute: stringent. Nach dem positiven Bürgerentscheid für den JVA-Standort „Esch“ im Jahr 2015 war Ende Januar 2023 auch das Planungs- und Genehmigungsverfahren seitens der Stadt Rottweil abgeschlossen. Damit konnte das Land mit den Bauarbeiten beginnen.
Anekdote am Rande: „Bitte nutzen Sie zur Anreise den ÖPNV!“ So empfahl es die Einladung zum Spatenstich. Eine kleine Unachtsamkeit, vielleicht, denn noch hält kein Bus zwischen Rottweil und Villingendorf, wo die Zufahrtsstraße zur künftigen JVA abzweigt.
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Meilenstein für Sicherung des Justizstandorts Rottweil
Die Stadt Rottweil begrüßt den Baustart für die neue Justizvollzugsanstalt (JVA) „Im Esch“. Die neue Anlage soll künftig das bestehende Gefängnis am Rand der historischen Innenstadt ersetzen. In einem Bürgerentscheid 2015 hatten Rottweils Bürgerinnen und Bürger sich mehrheitlich für den neuen Standort ausgesprochen.
„Der Neubau der JVA ist ein wichtiger Beitrag zur Sicherung des Justiz- und Polizeistandorts Rottweil, an dem mehrere Hundert Arbeitsplätze hängen. Rottweil ist Sitz eines Land- und Amtsgerichts und seit der Polizeireform auch Standort der Kriminalpolizeidirektion für die Landkreise Rottweil, Tuttlingen, Schwarzwald-Baar und Konstanz“, so Rottweils Oberbürgermeister Dr. Christian Ruf. „Die Standortsuche hat unserer Stadt einiges abverlangt, durch eine vorbildliche Bürgerbeteiligung und einen Bürgerentscheid ist es jedoch letztlich gelungen, einen Standort mit der erforderlichen Akzeptanz in der Bürgerschaft zu finden“, betont der Oberbürgermeister.
2015 hatten 58,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler für den Neubau im „Esch“ gestimmt, 41,6 Prozent dagegen. Die Stadt Rottweil übernehme als Justiz- und Polizeistandort Verantwortung für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in der gesamten Region, so der OB. „Dies stützt sich übrigens auf eine uralte Tradition, denn bis 1806 war Rottweil Sitz des Kaiserlichen Hofgerichts.“
Nach dem Bürgerentscheid führte das Land einen Architektenwettbewerb durch, in den die Stadt Rottweil und die Bürgerschaft eng eingebunden waren. „Dadurch ist es gelungen, eine Lösung zu finden, die sich bestmöglich in die Landschaft einfügt“, so Rottweils OB. Die Stadtverwaltung hat in enger Abstimmung mit dem Landesbetrieb Vermögen und Bau, Amt Konstanz, das erforderliche Planungsrecht geschaffen. So stimmte der Gemeinderat 2020 dem Bebauungsplan für die neue Justizvollzugsanstalt und der erforderlichen Änderung des Flächennutzungsplanes einstimmig zu. Den Bauantrag hatte die Stadtverwaltung im Januar 2023 genehmigt.
„Bei der Justizvollzugsanstalt handelt es sich um das mit Abstand größte Infrastrukturprojekt, das das Land Baden-Württemberg je in unserer Stadt verwirklicht hat. Wir sind stolz darauf, dass es gelungen ist, dabei die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und den Weg für einen modernen Strafvollzug für die gesamte Region zu bereiten“, so Dr. Ruf. Er wünscht dem Bauherrn einen guten Bauverlauf und eine pünktliche Fertigstellung im Jahr 2027.
Eckpunkte zur Historie:
- 1976: die Stadt Rottweil weist einen Standort am Standort „Stallberg“ aus, um dem Land einen Ersatzbau für das Gefängnis am Rand der historischen Innenstadt zu ermöglichen
- 2004 verdoppelt die Stadt Rottweil die Fläche in der Fortschreibung des Flächennutzungsplans auf zehn Hektar
- 2008 erteilt das Land Baden-Württemberg dem Standort „Stallberg“ wegen Baugrundrisiken eine Absage, die Stadt Rottweil schlägt dem Land Baden-Württemberg den Standort „Esch“ vor
- 2010 schlägt die Stadt Rottweil zwei Flächen bei Neukirch und Zepfenhan vor (Mittelberg und Bitzwald), was heftige Gegenwehr aus beiden Ortschaften nach sich zieht
- 2011 startet die neue Landesregierung einen Standortsuchlauf, der nicht mehr allein die Gemarkung Rottweil, sondern die gesamte Region umfasst
- Nachdem andere Standorte ausgeschlossen wurden, entscheidet sich das Land Baden-Württemberg nach einer breit angelegten Bürgerbeteiligung für den Standort „Esch“ in Rottweil
- Am 20. September stimmten 58,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler für das „Esch“, 41,6 Prozent dagegen. Die Wahlbeteiligung lag bei 48,5 Prozent.
- 2018 Architekturwettbewerb, in den Auslosungstext fließen zahlreiche Anregungen aus einem Bürgerworkshop ein
- 2020: Bebauungsplan und Städtebaulicher Vertrag, der wichtige Forderungen aus dem Beteiligungsprozess berücksichtigt, wie eine landschaftsverträgliche Einbettung der neuen JVA und Vereinbarungen zum Natur- und Artenschutz.