back to top
...
    NRWZ.deRottweilRottweil: Gauck fordert möglichst breiten Raum für Toleranz - mit klaren Grenzen

    Rottweil: Gauck fordert möglichst breiten Raum für Toleranz – mit klaren Grenzen

    Artikel
    Kommentare
    Autor / Quelle
    Weitere Artikel
    Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

    Von wegen, er werbe schlicht für mehr Toleranz gegenüber rechts. Was Alt-Bundespräsident Joachim Gauck da am Mittwochabend auf Einladung von Buch Greuter in Rottweil formulierte – und zuvor andernorts, der Mann befindet sich auf Tour -, das ist die maximal mögliche Toleranz in jedwede Richtung. Mit einer klaren Grenze: der Intoleranz gegenüber dem Extremismus.

    Fotos: gg

    Rottweil ist die Stadt der großen schwäbisch-alemannischen Fasnet, die Stadt des Rottweiler Hunds und des Testturms. Sie ist die älteste Baden-Württembergs – und seit Mittwoch auch eine Stadt, von der ein starker Impuls für mehr Toleranz, für gegenseitigen Respekt, für einen würdevollen Umgang miteinander ausgeht. Wird man wohl so pathetisch sagen können, denn dieser betagte Herr namens Joachim Gauck hat immerhin die rund 700 Menschen in der zu drei Vierteln gefüllten Rottweiler Stadthalle zum Nachdenken, jedenfalls zum gebannten Zuhören gebracht.

    Mit väterlicher Wärme, mit feinem Humor sprach er eines der ganz großen Themen dieser Zeit an: die Gefahr des Auseinanderdriftens gesellschaftlicher Flügel, die Gefahr der sich unversöhnlich gegenüberstehenden Lager der Bewahrer und der Fortschrittsgläubigen, der Sesshaften und der Weltbürger. 

    Gauck, so scheint es, könnte quasi kurz vor Zwölf noch eine Antwort haben, sogar deutlich mehr als einen Lösungsansatz: Er fordert uns auf, einander zuzuhören. Nicht in rechts und links einzuteilen und mit der Moralkeule draufzuschlagen, auf den, der sich aus der Mitte entfernt. Dem Gegner nicht die Würde zu nehmen, indem man nicht mit ihm spricht.

    Das gelte, und hierfür wurde Gauck bereits in den vergangenen Tagen öffentlich kritisiert, auch etwa gegenüber Vertretern und Wählern der AfD. Man müsse unterscheiden zwischen rechts und rechtsextremistisch. Gegenüber letzterem gelte es, nicht nur keine Toleranz aufzubringen, sondern intolerant zu sein. Entschlossen intolerant. Und das wiederum gelte nicht nur gegenüber den Rechts- sondern selbstverständlich auch gegenüber den Linksextremisten. Gegenüber Terroristen. Extremisten jedweder Couleur und Herkunft.

    Darin zeigten sich erst die starke Demokratie und der gefestigte Rechtsstaat, dass sie den politischen Gegner nicht ausschlössen und in die Ecke drängten. Dass ihre Vertreter vielmehr das Gespräch suchten, auch das Streitgespräch, wenn es sein muss, aber immer den Dialog. 

    Damit fällt der Alt-Bundespräsident deutlich zurück in die Jahre 2015/16, als es noch hieß, man müsse die Sorgen und Ängste der Menschen, die sich etwa vor Einwanderern, vor Migranten fürchteten, ernst nehmen. Fordert Gauck genau das jetzt, in einer Zeit, in der man angesichts der alltäglich durchs Netz wogenden Hasswellen doch so gerne ausschließlich intolerant sein möchte.

    Doch wie er die Geschichte der Toleranz ausbreitet, in klaren, eingängigen Worten ihren Siegeszug aufzeichnet, der jetzt angesichts des aufkommenden Populismus und der wachsenden Nationalstaatssehnsucht nicht enden dürfe, das überzeugt. Vielleicht hat der alte Herr, der da auf der Bühne der Stadthalle sitzt und schwitzt wie alle im Raum, tatsächlich eine Lösung: die der Menschlichkeit. Der weitest gehenden Toleranz mit der klaren Grenzlinie.

    Auszugsweise skizzierte Gauck in Rottweil diesen Wunsch nach Zusammenhalt und seinen Weg dazu. Er regte seine Zuhörer damit aber gleich scharenweise dazu an, sich sein neues Buch „Toleranz – einfach schwer“ zu kaufen und sich eingehender mit dem Gauck’schen Begriff der entschlossenen Toleranz und, nach Grenzübertritt, der mutigen Intoleranz zu beschäftigen.

    Signierstunde. Eckhart Fink von Buch Greuter assistiert. Fotos: gg

    Aber nicht, ohne das Buch auch signiert zu haben. Zum Leidwesen seiner Personenschützer wird Gauck da von ungezählten Besuchern, einem ganzen Pulk umringt. Seine Rede war vor 21 Uhr zu Ende, da muss man noch nicht gleich heim, da kann man sich den Mann noch aus der Nähe anschauen. Und mit dem Handy drauf halten. Fast massenhaft.

    Gut, dass Eckhart Fink, Chef der Rottweiler Buch-Greuter-Filiale, den Mut besessen hat, den Herrn Gauck nicht in seiner Buchhandlung oder in einem mittelgroßen Saal der Stadt untergebracht zu haben, sondern gleich in der größten Halle. Die wurde nicht ganz voll, bot aber – abzüglich allenfalls der bei ihrem Bau eingesparten Klimaanlage – doch einen beeindruckenden und würdigen Rahmen für diesen Toleranzimpuls. 

    Alles keine Selbstverständlichkeit, dieses Jahr hat Gauck auch schon in einer Buchhandlung gelesen. Die Stadtverwaltung hat Greuter / Fink übrigens bei dem Vorhaben unterstützt, Oberbürgermeister Ralf Broß, seine Frau Friederike und einige Beschäftigte aus dem Rathaus waren im Publikum, in der ersten Reihe zu finden. Dort saß auch Christoph Greuter, Chef der Buchhandels-Kette aus Singen.

    Foto: gg

    Übrigens: Gauck wird die Nacht in Rottweil verbringen. Er hat in einem innerstädtischen Hotel eingecheckt. Drei Parkplätze sind dort für ihn und seine Personenschützer mit den dicken schwarzen Limousinen reserviert.

    Der Gegendemonstrant.

    Und auch übrigens: Einen Demonstranten gegen Gauck gab es auch. Eine Gelbweste. Allein auf weiter Flur. Aber man ließ ihn machen. Auch das ist Toleranz. 

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Diskutieren Sie mit!

    Hier können Sie einen Kommentar zu unserem Artikel hinterlassen.

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Peter Arnegger (gg)
    Peter Arnegger (gg)
    … ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

    Beiträge

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Festliche Stimmung beim DHG-Weihnachtskonzert

    „Vor vielen hundert Jahren“ lautete das Motto des diesjährigen Weihnachtskonzerts des Droste-Hülshoff-Gymnasiums in der Auferstehung-Christi-Kirche.Rottweil - Vom barocken Chorsatz über weihnachtliche Popsongs bis...

    Leckereien aus Hyères

    Eine 14-köpfige Gruppe vom Comité de Jumelage aus Hyères, darunter Präsident Marco Soiteur, Vizepräsidentin Christine Krapf- Laborde und Isabelle Buttafoghi als Vertreterin der Stadt...

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Von wegen, er werbe schlicht für mehr Toleranz gegenüber rechts. Was Alt-Bundespräsident Joachim Gauck da am Mittwochabend auf Einladung von Buch Greuter in Rottweil formulierte – und zuvor andernorts, der Mann befindet sich auf Tour -, das ist die maximal mögliche Toleranz in jedwede Richtung. Mit einer klaren Grenze: der Intoleranz gegenüber dem Extremismus.

    Fotos: gg

    Rottweil ist die Stadt der großen schwäbisch-alemannischen Fasnet, die Stadt des Rottweiler Hunds und des Testturms. Sie ist die älteste Baden-Württembergs – und seit Mittwoch auch eine Stadt, von der ein starker Impuls für mehr Toleranz, für gegenseitigen Respekt, für einen würdevollen Umgang miteinander ausgeht. Wird man wohl so pathetisch sagen können, denn dieser betagte Herr namens Joachim Gauck hat immerhin die rund 700 Menschen in der zu drei Vierteln gefüllten Rottweiler Stadthalle zum Nachdenken, jedenfalls zum gebannten Zuhören gebracht.

    Mit väterlicher Wärme, mit feinem Humor sprach er eines der ganz großen Themen dieser Zeit an: die Gefahr des Auseinanderdriftens gesellschaftlicher Flügel, die Gefahr der sich unversöhnlich gegenüberstehenden Lager der Bewahrer und der Fortschrittsgläubigen, der Sesshaften und der Weltbürger. 

    Gauck, so scheint es, könnte quasi kurz vor Zwölf noch eine Antwort haben, sogar deutlich mehr als einen Lösungsansatz: Er fordert uns auf, einander zuzuhören. Nicht in rechts und links einzuteilen und mit der Moralkeule draufzuschlagen, auf den, der sich aus der Mitte entfernt. Dem Gegner nicht die Würde zu nehmen, indem man nicht mit ihm spricht.

    Das gelte, und hierfür wurde Gauck bereits in den vergangenen Tagen öffentlich kritisiert, auch etwa gegenüber Vertretern und Wählern der AfD. Man müsse unterscheiden zwischen rechts und rechtsextremistisch. Gegenüber letzterem gelte es, nicht nur keine Toleranz aufzubringen, sondern intolerant zu sein. Entschlossen intolerant. Und das wiederum gelte nicht nur gegenüber den Rechts- sondern selbstverständlich auch gegenüber den Linksextremisten. Gegenüber Terroristen. Extremisten jedweder Couleur und Herkunft.

    Darin zeigten sich erst die starke Demokratie und der gefestigte Rechtsstaat, dass sie den politischen Gegner nicht ausschlössen und in die Ecke drängten. Dass ihre Vertreter vielmehr das Gespräch suchten, auch das Streitgespräch, wenn es sein muss, aber immer den Dialog. 

    Damit fällt der Alt-Bundespräsident deutlich zurück in die Jahre 2015/16, als es noch hieß, man müsse die Sorgen und Ängste der Menschen, die sich etwa vor Einwanderern, vor Migranten fürchteten, ernst nehmen. Fordert Gauck genau das jetzt, in einer Zeit, in der man angesichts der alltäglich durchs Netz wogenden Hasswellen doch so gerne ausschließlich intolerant sein möchte.

    Doch wie er die Geschichte der Toleranz ausbreitet, in klaren, eingängigen Worten ihren Siegeszug aufzeichnet, der jetzt angesichts des aufkommenden Populismus und der wachsenden Nationalstaatssehnsucht nicht enden dürfe, das überzeugt. Vielleicht hat der alte Herr, der da auf der Bühne der Stadthalle sitzt und schwitzt wie alle im Raum, tatsächlich eine Lösung: die der Menschlichkeit. Der weitest gehenden Toleranz mit der klaren Grenzlinie.

    Auszugsweise skizzierte Gauck in Rottweil diesen Wunsch nach Zusammenhalt und seinen Weg dazu. Er regte seine Zuhörer damit aber gleich scharenweise dazu an, sich sein neues Buch „Toleranz – einfach schwer“ zu kaufen und sich eingehender mit dem Gauck’schen Begriff der entschlossenen Toleranz und, nach Grenzübertritt, der mutigen Intoleranz zu beschäftigen.

    Signierstunde. Eckhart Fink von Buch Greuter assistiert. Fotos: gg

    Aber nicht, ohne das Buch auch signiert zu haben. Zum Leidwesen seiner Personenschützer wird Gauck da von ungezählten Besuchern, einem ganzen Pulk umringt. Seine Rede war vor 21 Uhr zu Ende, da muss man noch nicht gleich heim, da kann man sich den Mann noch aus der Nähe anschauen. Und mit dem Handy drauf halten. Fast massenhaft.

    Gut, dass Eckhart Fink, Chef der Rottweiler Buch-Greuter-Filiale, den Mut besessen hat, den Herrn Gauck nicht in seiner Buchhandlung oder in einem mittelgroßen Saal der Stadt untergebracht zu haben, sondern gleich in der größten Halle. Die wurde nicht ganz voll, bot aber – abzüglich allenfalls der bei ihrem Bau eingesparten Klimaanlage – doch einen beeindruckenden und würdigen Rahmen für diesen Toleranzimpuls. 

    Alles keine Selbstverständlichkeit, dieses Jahr hat Gauck auch schon in einer Buchhandlung gelesen. Die Stadtverwaltung hat Greuter / Fink übrigens bei dem Vorhaben unterstützt, Oberbürgermeister Ralf Broß, seine Frau Friederike und einige Beschäftigte aus dem Rathaus waren im Publikum, in der ersten Reihe zu finden. Dort saß auch Christoph Greuter, Chef der Buchhandels-Kette aus Singen.

    Foto: gg

    Übrigens: Gauck wird die Nacht in Rottweil verbringen. Er hat in einem innerstädtischen Hotel eingecheckt. Drei Parkplätze sind dort für ihn und seine Personenschützer mit den dicken schwarzen Limousinen reserviert.

    Der Gegendemonstrant.

    Und auch übrigens: Einen Demonstranten gegen Gauck gab es auch. Eine Gelbweste. Allein auf weiter Flur. Aber man ließ ihn machen. Auch das ist Toleranz. 

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]

    Das interessiert diese Woche

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]