Es regnete in Strömen, aber das hielt etwa 450 junge Leute nicht von der ersten Rottweiler „fridays for future“-Demo ab.
Zunächst versammelten sie sich am Musikpavillon im Stadtgraben, dann ging es hinauf Richtung Rathaus. Lautstarker Protest, phantasievolle Banner, Plakate und Fahnen, Musik, Trommeln und vor allem aufrüttelnde Ansprachen, das gab es dann in der kommenden Stunde. Denn die jungen Demonstranten, die damit dem Beispiel der jetzt für den Friedensnobelpreis vorgeschlagenen Schwedin Greta Thunberg folgten und für den Klimaprotest die Schule schwänzten, zeigten sich durchaus selbstkritisch.
Neben kräftigen Seitenhieben gegen die AfD und FDP-Mann Christian Lindner – Klimaschutz sei was für Profis – gab es vor allem Aufrufe, selbst etwas für den Klimaschutz zu tun. Vom Stoffbeutel und den schrumpligen Äpfeln des Bauern Bernd von nebenan war humorvoll die Rede, bitte zu bevorzugen vor den glänzenden, aus Neuseeland eingeflogenen Exemplaren.
Aufrufe, mehr Rad zu fahren, auf Fleisch, Plastikverpackungen und Fernflüge zu verzichten und die Kippen nicht auf die Straße zu schmeißen gehörten ebenso dazu wie die, sofort aus der Braunkohleverstromung auszusteigen und das Klimaabkommen von Paris einzuhalten. „Seit 40 Jahren lassen wir die Politik damit durchkommen!“ rief Jonathan Dom, der jetzt für das Forum für Rottweil kandidiert und der die Schüler aufrief, wählen zu gehen, „und wenn Ihr zu jung dafür seid, dann rüttelt Eure Eltern wach!“
Tabea Eith schilderte die dramatischen Folgen des Klimawandels vom Abschmelzen der Pole bis zum Verschwinden des Golfstroms aus ihrer Sicht: „Wir haben die Notwendigkeit verstanden!“, es gehe um die Zukunft der nachfolgenden Generationen, „aber auch für Sie, Herr Lindner!“ Der FDP-Politiker hatte kürzlich die Aktionen kritisiert, man könne von Kindern und Jugendlichen nicht erwarten, dass sie die globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und ökonomisch Machbare sehen, das sei eine Sache für Profis. Das wollten die Schüler offenbar nicht auf sich sitzen lassen, „Wir haben 40 Jahre lang Profis machen lassen. Jetzt ist es Zeit, es selbst in die Hand zu nehmen. Wir sind zwar keine Profis, aber die Hoffnung auf morgen“, so eine der Sprecherinnen.
Grünen-Kandidat Stefan Mauch lud zu den Radrunden der Critical Mass ein und erklärte: „Ich bin verliebt in Euch!“ Unter die Schüler hatten sich auch einige aus der Eltern- oder Großelterngeneration gemischt, nicht zu finden war allerdings ein Mitglied der Stadtspitze.
Ein paar Neugierige aus der Stadtverwaltung schauten sich die Schülerdemo allerdings aus einem Rathausfenster aus an.
Am Ende war außer diesen wirklich jeder nass, die Banner durchweicht, auch das des neunjährigen Moritz, der auf sein Plakat geschrieben hatte: „Geht raus für die Welt!“, man sang „We are the world“ und skandierte abschließend „Wir sind hier, wir sind laut, weil Ihr uns die Zukunft klaut!“
Ach ja, natürlich gab es noch einen Aufruf: Alle sollten bitte ihre Sachen mitnehmen und auf jeden Fall nichts liegen lassen. Ja, der Klimawandel fängt auch bei jedem Einzelnen an.
ERGÄNZUNG 15.03., 18.15 Uhr: Offenbar denkt nicht jeder FDP-Politiker wie Christian Lindner. Der Rottweiler FDP-Landtagsabgeordnete Daniel Karrais hat sich mit einer Stellungnahme gemeldet, die wir hier im Wortlaut bringen:
Anlässlich der heute abgehaltenen Demo „Fridays for Future“ in Rottweil, bei der ich selbst vor Ort war, möchte ich als lokaler Landtagsabgeordneter und kommissarischer FDP Kreisvorsitzender folgendes Statement abgeben: Ich habe mir nach öffentlicher Kritik an den „Fridays for Future“ Protesten selbst ein Bild in Rottweil gemacht. Ich unterstütze ausdrücklich, dass junge Leute aufstehen und Forderungen an die Politik im Bereich Klima und Umwelt stellen. Denn es sind unsere jungen Generationen, zu denen ich mich mit 28 Jahren auch zähle, die mit den langfristigen Klimafolgen leben und umgehen müssen . Darum ist es wichtig, dass dem Ausdruck verliehen wird. Über Mittel und Wege zur Erreichung der Ziele lässt sich trefflich streiten. Hier setzt die FDP eher auf Anreize und Innovation, statt auf populistische Verbote.
Beim Klima- und Umweltschutz gibt es keine einfachen Lösungen und viel mehr muss sich jeder selbst an der eigenen Nase packen. Man muss kein Profi sein, um die Stimme für mehr Nachhaltigkeit zu erheben. Wer aber kein Profi ist, der muss für Sachargumente und Fakten zugänglich sein und darf nicht nur der reinen Ideologie folgen.
Ich hoffe, dass die Jugend die Lust am Demonstrieren und das Eintreten für ihre Interessen beibehält und sich auch gegen andere Sachverhalte wehrt, die zu Lasten der jüngeren Generationen geht. Ich denke da beispielsweise an die Rentenpolitik der großen Koalition in Berlin.
Allerdings sollten diese Demos außerhalb der Schulzeit stattfinden. Demonstrationen, so unterstützend sie auch sind, dürfen keine Konkurrenz zum schulischen Unterricht darstellen. Der Wirkung dieser Proteste täte das sicher keinen Abbruch. Ich werde die Aktivitäten der Bewegung interessiert weiter verfolgen und biete gerne einen Austausch an.