„Kommt, wir gehen ins Café Herz, ich lade euch alle ein!“ Mit diesen Worten, gerichtet an seine Mitstreiter, feierte ein vermeintlicher Rädelsführer bei einer Rottweiler Montagsdemo am Donnerstag seinen Freispruch vor dem Amtsgericht. Die Richterin wollte ihm zwar die passive Rolle, die innegehabt zu haben vorgab, nicht so recht abnehmen. Aber ihr seien Restzweifel geblieben, die nicht mehr auszuräumen gewesen seien, sagte sie nach der Hauptverhandlung. Damit konnte der Mann einen Strafbefehl abwehren. Die Staatsanwaltschaft, die eine Geldstrafe über 4000 Euro gefordert hatte, will nun prüfen, ob sie Berufung einlegt. Eine Woche hat sie Zeit dafür.
Sitzungssaal 31 des Rottweiler Amtsgerichts mit seinen elf Zuschauerplätzen reichte am Donnerstagmorgen ab acht Uhr gerade so aus. Weil er im Januar einen nicht angemeldeten, damit verbotenen sogenannten Montagsspaziergang in Rottweil geleitet habe, stand ein heute 69-Jähriger aus einer Kreisstadt vor Gericht. Er hatte sich gegen einen Strafbefehl gewehrt. Und jetzt gewonnen.
Der Mann war am 31. Januar zunächst von Polizeibeamten in Zivil an der Spitze des Zuges, der sich gegen die Coronamaßnahmen richtete, beobachtet worden. Abwechselnd mit einem anderen habe er den Aufzug geleitet, sagten die Beamten vor Gericht aus. Sie waren darauf angesetzt gewesen, mögliche Rädelsführer zu identifizieren. Später hätten sie sich an jenem Montagabend zwischen ihren beiden Verdächtigen entscheiden müssen, hätten den heute 69-jährigen Rentner von uniformierten Kollegen kontrollieren lassen können, den anderen hätten sie laufen lassen müssen. Die Folge: ein Strafbefehl wegen der Leitung einer nicht angemeldeten Versammlung unter freiem Himmel. Gegen den wehrte sich der Mann, weshalb es nun zur öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Rottweiler Amtsgericht kam.
Dort waren es – neben der am Ende ausgesprochenen Einladung an alle ins „Herz“ – die kleinen Gesten, die dem Beobachter klarmachten, dass hier mutmaßlich eine zentrale Person der hiesigen Protestbewegung auf der Anklagebank sitzt. Freundliche Blicke, kurzes Kopfnicken ins Publikum, um Einzelne zu begrüßen. Man kannte sich. Auch und gerade von den Montagsprotesten her. Das wird aktuell etwa in deren Telegramgruppen klar, wo zur Teilnahme an dem „Gerichtstermin gegen einen Mitstreiter aus unseren Reihen“ aufgerufen worden war. Neun Menschen sind dieser Aufforderung gefolgt, zeigten Präsenz. Darunter ein Kind. Die Coronamaßnahmen selbst kamen nicht zur Sprache.
Mitglied einer Protestbewegung zu sein, ist aber nicht strafbewehrt. Die bloße Teilnahme an einem nicht genehmigten Demonstrationszug auch nicht. Das machte etwa der Verteidiger des Rentners wiederholt deutlich. Zu einer Bestrafung sei es notwendig, dass diesem nachgewiesen werde, dass er die Demo angeleitet habe.
Das gelang aber nicht. Was das Gericht feststellte: Es gab an jenem Montagabend Ende Januar einen Spaziergang in Rottweil, der Mann habe teilgenommen, das stehe fest, das hatte der 69-Jährige zuvor auch unumwunden zugegeben. Er sei vorn mitgelaufen, habe sich zwischenzeitlich als deren Spitze wahrgenommen. Für eine Verurteilung nach dem Versammlungsgesetz sei aber notwendig gewesen, festzustellen, dass er während dieses Spaziergangs „wirklich eine faktische Leitung innehatte.“ Das habe das Gericht nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen können.
So habe der Mann auf die Versammlung eingewirkt, sei aber nicht ununterbrochen dabei gewesen, vor allem nicht von deren Beginn an. Er habe wohl gewusst, wie die Zugstrecke verläuft, sei nicht so unbeleckt, wie er dem Gericht habe vorspielen wollen, so die Richterin weiter. Bestimmt habe er an jenem Montagabend gesagt, dass man hier oder da lang gehen wolle. Er habe aber nicht den Zug etwa über mehrere Kreuzungen hinweg angeleitet.
Für die Richterin war seine Rolle als An- und Rädelsführer damit „zeitlich und räumlich nicht entsprechend eingrenzbar“. Zu viele Punkte seien nun, sechs Monate nach dem Montagsspaziergang, nicht mehr aufklärbar gewesen. Sie hege Restzweifel. „Ich glaube nicht, dass alles so war, wie Sie es hier dargestellt haben“. Aber allein die Teilnahme an der Demo ist, wie dargestellt, nicht strafbewehrt.
Zuvor hatten zwei junge Polizeibeamte sich einerseits redlich bemüht, die Leitungsfunktion des Mannes nachzuweisen. In einigen Details wichen die Aussagen der beiden aber voneinander ab. Zugleich hatten sich andererseits die Kumpels des Beschuldigten redlich bemüht, seine Unschuld und eigentlich seine Unbedarftheit und sein Unwissen im Kontext der Montagsspaziergänge damals nachzuweisen. Was nur teilweise gelang, einer der beiden etwa kannte damals deren Wegstrecke, wie sich herausstellte. Das, obwohl sie angeblich ganz zufällig, aus einer Laune heraus teilgenommen hätten.
Aber geschenkt. Die Staatsanwältin hätte den Mann gerne bestraft gesehen. Sie forderte eine Geldstrafe von 4000 Euro – höher als die Summe im Strafbefehl, für den das Einkommen des Rentners noch geschätzt worden sei. Sein tatsächliches liegt höher. Für die Anklagevertreterin stand fest, dass der 69-Jährige sich „als faktischer Leiter“ des Aufzugs dargestellt, organisatorisch auf die Versammlung eingewirkt habe. Vielleicht nicht von Beginn des Aufzugs an, auch dies entgegen dem Strafbefehl, aber immer im vorderen Bereich. Er habe Anweisungen an andere Teilnehmende gegeben.
Ob die Staatsanwaltschaft an dieser Auffassung festhält, will sie nun prüfen. Sie kann Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen und hat dafür sieben Tage Zeit. Die wolle man sich nehmen, so die Staatsanwältin auf Nachfrage der NRWZ.
Der Verteidiger hatte einen Freispruch gefordert.
Der 69-Jährige selbst erklärte sich so. „Ich habe überhaupt keine Abhaltung gemacht und habe das Ding auch nicht angeführt, das muss ich mal ganz klar sagen. Ich lasse mir das nicht unterjubeln.“
Dieser Prozess war Teil offenbar einer ganzen Serie von Verhandlungen, mit denen die Montagsspaziergänge aus der Zeit, als sie noch nicht angemeldet waren, nun juristisch aufgearbeitet werden sollen. Ein weiterer Prozess hat bereits stattgefunden:
Irrenhaus Deutschland. Wer hier noch Steuern zahlt, finanziert die Abrissbirne unserer Rechtsstaatlichkeit.
Wer hätte das vor ein paar Jahren gedacht dass eine Demo im freien verboten wird.
Komisch ist nur das regierungskritsche Demos grundsätzlich verboten wurden auf Grund des Infektionsschutzgestztes
Aber in der gleichen Zeit Friedenskundgebungen für die Ukraine erlaubt wurden.
Das gleiche wird diesen Herbst wieder passieren. Die Medien werden weiter Regierungs treu berichten.
da haben sich die jungen Polizeibeamte wohl schlecht abgesprochen.
Daß sie sich vermutlich abgesprochen haben, scheint ja auch dem Autor der Zeilen klar geworden zu sein.