Es ist offenbar ein Puzzle mit vielen, vielen Teilen: aus Rottweil eine Stadt auch für Radfahrerinnen und Radfahrer zu machen. Der Weg sei das Ziel, sagt sich da die Stadtverwaltung Rottweil, hier: der Mobilitätsbeauftragte. Er puzzelt sich deshalb von einem „Quick Win“ zum anderen. Immer eine der „Composed Lines“ entlang. Am Mittwoch will die Verwaltung dem Gemeinderatsausschuss zeigen, wie weit das Puzzle schon fertig ist.
Rottweil – Am Anfang stehen große Worte und ein hehres Ziel: „Die Stadt Rottweil (hat) in den städtebaulichen Zielen verankert und es sich zur Aufgabe gemacht, neben der Förderung von nachhaltigen Mobilitätsformen für die gerechtere Verteilung des Verkehrsraumes zu sorgen.“ So beginnt Vorlage 047/2024 an den Gemeinderat und vorab dessen Verkehrsausschuss. Konkret für die Kernstadt bedeute dies „eine deutliche Reduzierung des motorisierten Individualverkehres mit gleichzeitiger Stärkung des Bus- und vor allem des Fuß- und Radverkehrs“. Denn nach bisherigem Stand seien wesentliche Verbindungen wegen der herrschenden Verkehrsbelastung unattraktiv. Zugleich aber würden verschiedene Lückenschlüsse gleich eine komplette Neuplanung erfordern.
Eigensinnige Bürgerschaft
Im Rahmen des Mobilitätskonzepts, dessen Teil ein Radwegekonzept in der Stadt ist, hat sich die Verwaltung mit Rückendeckung des Gemeinderats zur ungeliebten Mammutaufgabe gemacht, den motorisierten Individualverkehr – primär die Autofahrerinnen und -fahrer – auf andere Strecken zu verlagern. Hier beißt sich die Verwaltung seit dem Verkehrsversuch die Zähne am Eigensinn der Bürgerinnen und Bürgern aus. Diese beharren nicht nur auf ihren angestammten Fahrtrouten mitten durch die Stadt, sondern lehnen Verlagerungen zugunsten des einen, aber zuungunsten eines anderen Quartiers auch noch rundheraus ab.
Wie soll man da Platz für Fahrräder schaffen? Richtig, mit einem Puzzle, das sich hoffentlich in der Zukunft zu einem großen Ganzen zusammenfügt. Oder, um es mit den Worten des Mobilitätsbeauftragten Horst Bisinger zu sagen: „Da die Umsetzung durchgängiger Streckenabschnitte sehr viele Ressourcen bindet und lange Planungs- und Umsetzungszeiträume erforderlich macht, ist die Verwaltung dazu übergegangen, kleinere, schnell umsetzbare Teilstücke zu realisieren. Diese Vorgehensweise wird seit einigen Jahren bereits erfolgreich in Städten wie Freiburg, Karlsruhe und Tübingen praktiziert.“
Ein Puzzle, quick composed
„Quick Wins“, schnelle Gewinne, heißen diese kleinen Fortschritte und Realisierungen. Das sind dann etwa rot markierte Furten nur für Radler an Kreuzungen und Einmündungen. Oder eigene Abbiegespuren. Das kann auch die Öffnung einer Einbahnstraße in die entgegengesetzte Richtung sein. Selbst die Verbesserung von Fahrbahnoberflächen und Bodenmarkierungen beziehungsweise Beschilderungen zählen zu den schnellen Gewinnen.
Diese einzelnen Puzzlefelder sind, als Teile eines Ganzen, natürlich laut Verwaltung nicht willkürlich gewählt. Nein, man orientiert sich an „Composed Lines“, wofür es keine gängige Übersetzung gibt, was sich vielleicht aber hier mit „angelegten Strecken“ erklären lässt. Und in den Worten des Mobilitätsbeauftragten: „Bei der Methode der ‚Composed Lines‘ werden Verbindungen des Zielplanes aus dem Radwegekonzept sukzessive umgesetzt und so nach und nach wie ein Puzzle zusammengesetzt. Am Ende ergeben sich durchgängige Radverbindungen.“ Man wolle dabei den Fokus auf die Hauptverbindungen zum Landesgartenschau-Kerngebiet und die Alltagsradverbindungen in Richtung Innenstadt legen.
Puzzleteile in Rot und Blau
Erste existierende Beispiele: die Körnerstraße zwischen der Marx- und der Heerstraße ist als Fahrradstraße ausgeschildert worden. In vielen Straßen der Stadt, etwa in der Oberndorfer, der Titisee-, der Feldberg- und der Stadionstraße gibt es rot markierte Furten nur für Radfahrende. Und, auch der geneigte Autofahrer wird’s übersehen haben: Neun sogenannte Radabstellanlagen wurden eingerichtet, verteilt auf die historische Innenstadt etwa am Münster und am Schwarzen Tor, aber auch in der Unteren Hauptstraße, um an guten Tagen den Drahtesel abzustellen und sich in die Schlange an der Eisdiele einzureihen.
Gleich drei auf „ung“ endende Substantive kann die Verwaltung für den Radweg zwischen dem Ortsteil Bühlingen und der Stadt aufführen. Dort gehe es um nicht weniger als die „Ertüchtigung“ dieser Strecke mittels „Deckensanierung und nachfolgend Bodenmarkierung“. Die Umsetzung laufe gerade.
Programm „Movers“ an und mit den Schulen
Seit Sommer 2023 befindet sich die Stadt Rottweil derweil im Landesprogramm „Movers“. Dabei handele es sich um ein interministerielles Programm des Landes Baden-Württemberg. „Ähnlich wie beim Projekt KlimaMobil hat dazu vor allem das Verkehrsministerium (VM) verschiedene externe Werkstattbüros zur schnelleren Umsetzung beauftragt“, erklärt Bisingers Büro. „Die Verwaltung ist hierzu bereits in engem Kontakt zum Fachbüro Büfee aus Karlsruhe, das vom VM als Kontakt für Rottweiler Maßnahmen beauftragt ist. Aus dem Portfolio haben sich nach einem Treffen mit den Rektoren der Campusschulen und nach den Informationen, die beim Jugendhearing erarbeitet wurden, folgende Komponenten als umsetzbar herausgebildet.“
Die Schulradwegeplanung sei ohnehin eine Sache für sich. „Ursprünglich war diese Aufgabe von der Landesregierung den Schulen übertragen worden“, erklärt Rottweils Mobilitätsbeauftragter Bisinger. „Jedoch wurden aus Mangel an Ressourcen und teilweise durch die nicht vorhandene Fachkenntnis nur wenige qualifizierte Ergebnisse erzielt“, sodass nun die Schulträger – hier also die Stadtverwaltung – wieder eingebunden würden. Die Grundlagenarbeit müsse aber nach wie vor von den Schulen geleistet werden.
Radfahrer schneller als die Planung
Dass in Sachen Radwegeplanung – ganz im Gegensatz zu einer flotten Radfahrt durch die Innenstadt – gar nichts mal eben schnell geht, muss auch die örtliche CDU erfahren. Sie wollte, dass ein provisorischer Radweg entlang der Königstraße eingerichtet wird. Und zwar entlang der Längsparkplätze, indem ein vorhandener Streifen verbreitert wird. Geht nicht, sagt die Stadt. Oder, ausführlicher: „Diese Lösung lässt sich … bei Anwendung der aktuellen StVO und ERA (Empfehlung für die Anlage von Radverkehrsanlagen) wegen der fehlenden Sicherheitsabstände nicht umsetzen. Zudem würde der Ausstiegsbereich für die Längsparker entfallen. Verschiedene Zwangspunkte wie Außengastronomie oder die Armsünderkapelle sind schwierig zu integrieren.“ Aber: Schon seit 2022 sei die Königstraße in den Überlegungen drin. Jetzt müsse die Planung weiterentwickelt werden. „Ein Vorziehen einer provisorischen Radwegeführung hält die Verwaltung dagegen nicht für sinnvoll.“
So geht es 2024 weiter
In naher Zukunft geplante Maßnahmen: das Herstellen einer durchgängigen Radverbindung entlang der Oberndorfer Straße. „Die bisherige Führung des Radverkehrs im Gegenverkehr als kombinierter Fuß/Radweg wurde bei Verkehrsschauen mehrfach von der Polizei beanstandet und soll nun getrennt und fahrbahnorientiert geführt werden. Für den Radwegeübergang an der Kreuzung Kampitschstraße/ Nägelesgraben/ Oberndorfer Straße wird es eines Übergangs und nach Anpassungen eine abschließende Lösung geben.“
Gestalterischer und verkehrlicher Ausbau der Fuß- und Radwegeverbindung an der ehemaligen B27, Balinger Straße. Gestaltung Übergang an der König-Karls-Brücke. „Diese Verbindung stellt für die Landesgartenschau eine der wichtigsten Fuß- und Radwegverbindungen vom Berner Feld bzw. Balingen/Dietingen kommend, dar. Gleichzeitig stellt sie mit dem neuen leadergeförderten Themenweg, der im Landesgartenschau-Wegekonzept verankert ist, eine kerngebietsangrenzende Attraktion dar und ist der Lückenschluss im Rundweg zusammen mit der zukünftigen Hängebrücke.“
Punktuelle Planungen/Ausbau von Radwegeverbindungen in/bei den Ortschaften. Etwa Feckenhausen Ortsausgang.
Ausbau Radinfrastruktur und Schulradwegeplanung, Programm MOVERS. Siehe oben.
Planung zum Ausbau der Radwege vom Gewerbepark Neckartal bis in die Au. „Die Programmaufnahme wurde im März 2024 für die beiden Teilabschnitte genehmigt: a) Ausbau der Straße Neckartal vom Gewerbepark bis zur Spittelmühle mit begleitendem kombiniertem Fuß- und Radweg (2,5 m) b) Ausbau des Fußweges von der Spittelmühle bis in die Au zu einem kombinierten Fuß- und Radweg (Regelbreite 3 m). Die Planung für beide Abschnitte erfolgt in 2024 in Verbindung mit den Förderanträgen.“
Maßnahmen 2025 bis März 2028
In diesen Jahren vor der Landesgartenschau sollen vor allem die Maßnahmen im Neckartal zur Umsetzung kommen:
• Duttenhofer Brücke mit kombiniertem Fuß/Radweg
• Straße im Neckartal mit kombiniertem Fuß/Radweg
• Spittelmühle bis zur Au, Ausbau Fußweg zum kombinierten Fuß/Radweg
• Teilausbau Radinfrastruktur in der Königstraße mit Wegnahme Linksabbieger
Radinfrastrukturmaßnahmen im LGS-Kerngebiet:
- Neckarbrücke an der Primmündung mit Zulauf
- Gleisweg Bereich Bahnhof
- Neckarbrücke am ehemaligen Wehr
- Große Gartenschaubrücke mit Weg zum Aufzug
- Neuer Weg vom Bahnhof bis zum Anschlusspunkt Gartenschaubrücke stadtseitig
- Einrichtung Fahrradstraße in der Au von ENRW bis Schindelbrücke
Insgesamt sollen im Neckartal etwa sechs Kilometer neue Radwegeverbindungen „mit teils aufwendigen Ingenieurbauwerken“ geschaffen werden, so die Verwaltung.
„Ein Meilenstein“
Die Einschätzung des Vohabens liefert die Stadt, liefert der Mobilitätsbeauftragte gleich mit. „Die … aufgezeigten Maßnahmen sind ein Meilenstein, was die Fülle und Qualität an Verbesserungen von Radwegeverbindungen angeht“, schreibt Bisinger an den Gemeinderat, der seinen Bericht am 24. April zur Kenntnis nehmen soll, nachdem der Verkehrsausschuss ihn vorab am kommenden Mittwoch bekommt. „Die topografisch herausfordernde, aber sehr reizvolle Neckarroute“, so Bisinger weiter, „wird in großem Umfang weiter ausgebaut. Es werden dabei insbesondere auch Alltagsverbindungen für die Menschen aus der Altstadt, Göllsdorf, der Au, dem Gewerbepark Neckartal und der Innenstadt geschaffen.“
Herzlichen glückwunsch an die Stadt Rottweil und den Schilderobermeister, der Radweg ist 400 m lang und wird doch eine Querstraße mit Stopstelle durchkreuzt. Herzlichen Glückwunsch. Das ganze führt dann noch von nirgendwo ins nirgendwo. Aber wie der vorige schreiberschon bemerkt hat das kann man nur feststellen wenn man selber schon mal mit den Arsch als Fahrrad geschwungen hat
Ich hoffe, dass die Vorlage daraus entstanden ist, dass Gras seit fast 2 Wochen legal ist und das Rathaus in einer Zone steht, in der gekifft werden darf! Anders lassen sich die Ausführungen der Verwaltung nicht erklären. Leider dürfen die Verantwortlichen nicht mehr am Verkehr teilnehmen, sonst würde ich empfehlen, ihr Fahrrad zu nehmen und durch die angesprochenen Städte mit dem Rad zu fahren. Dann würde nämlich auffallen, dass Radfahrstrßen nur dann angenommen werden, wenn sie Sinn machen und zumindest halbwegs in Hauptrichtungen gehen.
Vielleicht muss die Verwaltung erst mal ein Drogenverbot im Rathaus aussprechen, bevor die eigensinnige Bevölkerung bevormundet werden soll!