back to top
...
    NRWZ.deRottweilProzess gegen mutmaßlich raffgierigen Beamten beginnt

    Prozess gegen mutmaßlich raffgierigen Beamten beginnt

    Artikel
    Kommentare
    Autor / Quelle
    Weitere Artikel
    Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

    Vor dem Landgericht Rottweil beginnt im November ein Prozess gegen einen Beamten aus den eigenen Reihen. Einen mutmaßlich raffgierigen Mann, der insgesamt eine halbe Million Euro in die eigene Tasche abgezweigt haben soll. „Nur“ für eine Summe von 330.000 Euro kann dem Beschuldigten noch der Prozess gemacht werden – weil er spät aufflog, sind Taten in einer Höhe von 170.000 Euro laut einem Gerichtssprecher bereits verjährt. Es sind sechs Verhandlungstage angesetzt.

    Dem Angeklagten wird vorgeworfen, in seiner langjährigen Funktion als Geschäftsstellenbeamter einer Zivilkammer und Kostenbeamter des Landgerichts Rottweil unberechtigte Auszahlungsanordnungen veranlasst und die daraufhin von der Landesoberkasse Baden-Württemberg erfolgten Geldzahlungen zu eigenen Gunsten vereinnahmt zu haben. So steht es in einer Mitteilung des Gerichts. Die Auszahlungsanordnungen sollen im Rahmen von vom Angeklagten bearbeiteten Zivilverfahren erfolgt sein, wodurch der Angeklagte Zahlungen an fiktive Parteien auf ein Konto seiner Ehefrau, einer entfernten Verwandten seiner Ehefrau sowie auf ein Konto, das auf den Namen seines Stiefsohns lief, veranlasst haben soll. Zugriff auf die Konten soll er alleine gehabt haben.

    Im verjährten Zeitraum von Anfang 2012 bis Anfang März 2016 soll der Angeklagte bereits 71 derartiger Auszahlungsanordnungen vorgenommen und damit insgesamt rund 170.000 Euro vereinnahmt haben, so die Anklage. In nicht verjährter Zeit von Mitte März 2016 bis März 2021 soll der Angeklagte 117 derartige Auszahlungsanordnungen vorgenommen und damit insgesamt rund 330.000 Euro für sich abgezweigt haben.

    Die Staatsanwaltschaft erhob ausschließlich Anklage wegen des Vorwurfs der Untreue, so eine Mitteilung des Gerichts. Mögliche tateinheitliche Vergehen des Betruges beziehungsweise des Computerbetruges zur Umgehung des Vier-Augen-Prinzips – das meint die Überprüfung durch eine weitere Mitarbeiterin
    oder einen weiteren Mitarbeiter – seien nicht angeklagt und im Eröffnungsbeschluss gemäß § 154a der Strafprozessordnung eingestellt worden. Nähere Ausführungen zu den Gründen macht das Gericht nicht.

    Gegen die Ehefrau des Angeklagten sowie eine entfernte Verwandte der Ehefrau des Angeklagten wurde die Einziehungsbeteiligung angeordnet, weil gegen diese die Einziehung von Wertersatz in Betracht kommt. Das bedeutet, dass die Justiz versuchen will, an Geld zur Deckung des verursachten Schadens zu kommen.

    Ein besonderer Umstand in diesem Verfahren – neben der Schadenshöhe: Weil gegen einen Mann aus den eigenen Reihen verhandelt werden soll, haben sämtliche dem Landgericht Rottweil angehörende Richter sogenannte Selbstanzeigen erstattet, in welchen diese Umstände mitteilten, die aus ihrer Sicht die Besorgnis ihrer Befangenheit begründen könnten. Dabei wurden neben besonderen Verbindungen zum Angeklagten in Einzelfällen unter anderem die berufliche Beziehung zu dem ehemaligen Kollegen, die Begehung der Tat im unmittelbaren beruflichen Umfeld sowie die berufliche Verbindung zu möglichen Zeugen an dem vergleichsweise kleinen Gerichtsstandort ausgeführt. Zudem wurde angeführt, dass das Ansehen der Rechtspflege leiden könne, wenn Richter eines Gerichts, bei dem der Angeklagte beruflich tätig war, über dessen Taten urteilen müssten.

    Mit Beschluss vom 29. Juni 2021 erklärte das Oberlandesgericht Stuttgart die Selbstanzeigen nur teilweise für begründet. In der Folge entschieden die Richterinnen und Richter des Landgerichts Rottweil, deren Selbstanzeigen nicht begründet waren, in wechselnder Besetzung gemäß dem Geschäftsverteilungsplan über die übrigen Selbstanzeigen. Die Entscheidung über die weiteren Selbstanzeigen, die allesamt für unbegründet erklärt wurden, nahm einen beträchtlichen Zeitraum ein. Maßgeblicher Grund dafür, dass das Oberlandesgericht und die zur Entscheidung berufenen Richterinnen und Richter des Landgerichts Rottweil einige der Selbstanzeigen für unbegründet erachteten, ist laut gerichtlicher Mitteilung die obergerichtliche Rechtsprechung zur Befangenheit bei beruflichen Beziehungen. Das dienstliche Verhältnis muss demnach so eng sein, dass es auf die persönliche Beziehung ausstrahlt.

    Der Prozess gegen den Mann startet am 16. November. Die Termine beginnen jeweils um 9 Uhr im Saal 201 (Schwurgerichtssaal) des Landgerichts.

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Diskutieren Sie mit!

    Hier können Sie einen Kommentar zu unserem Artikel hinterlassen.

    1 Kommentar

    1 Kommentar
    Neueste
    Älteste Meist bewertet
    Inline Feedbacks
    Alle Kommentare anzeigen
    Richter Feuern
    Richter Feuern
    3 Jahre her

    Der Angeklagte nimmt 500.000 € aus der Staatskasse mit.
    Die Richter führen dann ein kleines Theaterstück für ihn auf, welches nochmal 100.000 € kostet statt die offenen Verfahren der Bürger zu bearbeiten.
    Der ganze Sumpf gehört trocken gelegt. Wer keine Lust zu arbeiten hat, ist falsch an der Stelle. Wer keine Leistung bringt, sollte nicht vom Bürger durchgefüttert werden.

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    NRWZ-Redaktion
    NRWZ-Redaktion
    Unter dem Label NRWZ-Redaktion beziehungsweise NRWZ-Redaktion Schramberg veröffentlichen wir Beiträge aus der Feder eines der Redakteure der NRWZ. Sie sind von allgemeiner, nachrichtlicher Natur und keine Autorenbeiträge im eigentlichen Sinne.Die Redaktion erreichen Sie unter redaktion@NRWZ.de beziehungsweise schramberg@NRWZ.de

    Beiträge

    Fünfter Sieg im Fünften Spiel – SG Dunningen/Schramberg vs. HSG Neckartal 29:11 (11:5)

    Vergangenen Sonntag, 10. November, empfingen die Damen der SG Dunningen/Schramberg die Damen der HSG Neckartal zur Nachmittagsjause um 16.40 Uhr in der Kreissporthalle auf...

    ESV Rottweil gegen Tabellenführer

    Am kommenden langen Spielwochenende haben die Sportkegler-Teams des ESV Rottweil knackige Herausforderungen. An Allerheiligen haben die Frauen 2 ihr Nachholspiel bei der Bundesligareserve vom DKC/BW...

    ESV-Damen gewinnen in Bonndorf

    Mit nur einem Sieg aus vier Spielen fällt die Bilanz für die Sportkegelteams des ESV Rottweil mager aus.SKV Bonndorf 1 – ESV Männer 1...

    Leserbrief: ÖPNV in Rottweil muss man sich leisten können

    Rottweil baut ein Parkhaus für Millionen und finanziert den Mountainbike-Trail mit 200.000 Euro. Wer bisher den Parkplatz Zentrum benutzte, der bezahlte zwei Euro für...

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Das interessiert diese Woche

    Vor dem Landgericht Rottweil beginnt im November ein Prozess gegen einen Beamten aus den eigenen Reihen. Einen mutmaßlich raffgierigen Mann, der insgesamt eine halbe Million Euro in die eigene Tasche abgezweigt haben soll. „Nur“ für eine Summe von 330.000 Euro kann dem Beschuldigten noch der Prozess gemacht werden – weil er spät aufflog, sind Taten in einer Höhe von 170.000 Euro laut einem Gerichtssprecher bereits verjährt. Es sind sechs Verhandlungstage angesetzt.

    Dem Angeklagten wird vorgeworfen, in seiner langjährigen Funktion als Geschäftsstellenbeamter einer Zivilkammer und Kostenbeamter des Landgerichts Rottweil unberechtigte Auszahlungsanordnungen veranlasst und die daraufhin von der Landesoberkasse Baden-Württemberg erfolgten Geldzahlungen zu eigenen Gunsten vereinnahmt zu haben. So steht es in einer Mitteilung des Gerichts. Die Auszahlungsanordnungen sollen im Rahmen von vom Angeklagten bearbeiteten Zivilverfahren erfolgt sein, wodurch der Angeklagte Zahlungen an fiktive Parteien auf ein Konto seiner Ehefrau, einer entfernten Verwandten seiner Ehefrau sowie auf ein Konto, das auf den Namen seines Stiefsohns lief, veranlasst haben soll. Zugriff auf die Konten soll er alleine gehabt haben.

    Im verjährten Zeitraum von Anfang 2012 bis Anfang März 2016 soll der Angeklagte bereits 71 derartiger Auszahlungsanordnungen vorgenommen und damit insgesamt rund 170.000 Euro vereinnahmt haben, so die Anklage. In nicht verjährter Zeit von Mitte März 2016 bis März 2021 soll der Angeklagte 117 derartige Auszahlungsanordnungen vorgenommen und damit insgesamt rund 330.000 Euro für sich abgezweigt haben.

    Die Staatsanwaltschaft erhob ausschließlich Anklage wegen des Vorwurfs der Untreue, so eine Mitteilung des Gerichts. Mögliche tateinheitliche Vergehen des Betruges beziehungsweise des Computerbetruges zur Umgehung des Vier-Augen-Prinzips – das meint die Überprüfung durch eine weitere Mitarbeiterin
    oder einen weiteren Mitarbeiter – seien nicht angeklagt und im Eröffnungsbeschluss gemäß § 154a der Strafprozessordnung eingestellt worden. Nähere Ausführungen zu den Gründen macht das Gericht nicht.

    Gegen die Ehefrau des Angeklagten sowie eine entfernte Verwandte der Ehefrau des Angeklagten wurde die Einziehungsbeteiligung angeordnet, weil gegen diese die Einziehung von Wertersatz in Betracht kommt. Das bedeutet, dass die Justiz versuchen will, an Geld zur Deckung des verursachten Schadens zu kommen.

    Ein besonderer Umstand in diesem Verfahren – neben der Schadenshöhe: Weil gegen einen Mann aus den eigenen Reihen verhandelt werden soll, haben sämtliche dem Landgericht Rottweil angehörende Richter sogenannte Selbstanzeigen erstattet, in welchen diese Umstände mitteilten, die aus ihrer Sicht die Besorgnis ihrer Befangenheit begründen könnten. Dabei wurden neben besonderen Verbindungen zum Angeklagten in Einzelfällen unter anderem die berufliche Beziehung zu dem ehemaligen Kollegen, die Begehung der Tat im unmittelbaren beruflichen Umfeld sowie die berufliche Verbindung zu möglichen Zeugen an dem vergleichsweise kleinen Gerichtsstandort ausgeführt. Zudem wurde angeführt, dass das Ansehen der Rechtspflege leiden könne, wenn Richter eines Gerichts, bei dem der Angeklagte beruflich tätig war, über dessen Taten urteilen müssten.

    Mit Beschluss vom 29. Juni 2021 erklärte das Oberlandesgericht Stuttgart die Selbstanzeigen nur teilweise für begründet. In der Folge entschieden die Richterinnen und Richter des Landgerichts Rottweil, deren Selbstanzeigen nicht begründet waren, in wechselnder Besetzung gemäß dem Geschäftsverteilungsplan über die übrigen Selbstanzeigen. Die Entscheidung über die weiteren Selbstanzeigen, die allesamt für unbegründet erklärt wurden, nahm einen beträchtlichen Zeitraum ein. Maßgeblicher Grund dafür, dass das Oberlandesgericht und die zur Entscheidung berufenen Richterinnen und Richter des Landgerichts Rottweil einige der Selbstanzeigen für unbegründet erachteten, ist laut gerichtlicher Mitteilung die obergerichtliche Rechtsprechung zur Befangenheit bei beruflichen Beziehungen. Das dienstliche Verhältnis muss demnach so eng sein, dass es auf die persönliche Beziehung ausstrahlt.

    Der Prozess gegen den Mann startet am 16. November. Die Termine beginnen jeweils um 9 Uhr im Saal 201 (Schwurgerichtssaal) des Landgerichts.

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]

    Das interessiert diese Woche

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]