So lange dauert die Bürgerfragestunde im Rottweiler Gemeinderat selten. Doch die Anlieger der Belchenstraße, die sich durch die Planung der Stadtverwaltung zur Erschließung des künftigen Rewe-Markts und des Kindergartens auf dem früheren Baywa-Gelände gestört fühlen (wir berichteten), hatten einige Fragen zu stellen. Die sie mit Aussagen verbanden.
In der Straße spielen die Kinder und die der Nachbarn, das solle jetzt Durchgangsstraße werden. „Kann ich da keinen Vertrauensschutz erwarten?“, fragte ein Anlieger. Wird der Netto-Markt als Nahversorger deswegen nicht berücksichtigt, weil er auf Zimmerner Gemarkung steht? Die Kinder spielen auf dem Wohnweg – und da sollen jetzt Fahrräder durchfahren, womöglich auch Motorroller? Die Befürchtung einer jungen Mutter. Ein Anlieger fragte, ob der Durchstich durch die Lärmschutzwand wegen 172 Metern Umweg notwendig sei – er sieht sich als Opfer einer „fehlerhaften Planung“.
Wer wird den Weg sauber halten, Schnee räumen? Wer räumt den Müll weg, den die Passanten hinterlassen? Auf diese Fragen hatte Oberbürgermeister Ralf Broß die Antwort bereit: Die Räumpflicht obliegt der Stadt. Und „wenn Müll auf der Straße liegt, ist die Stadt zuständig. Wenn der Müll im Garten liegt, ist der Eigentümer verantwortlich“, sagte er. Die Anlieger könnten ihre Bedenken und Anregungen im Lauf der Offenlegung der Pläne vorbringen. „Das werden wir tun!“, kam es als Antwort aus den Zuschauerreihen.
Offenlegung beschlossen
Und die Offenlegung wird kommen, dies beschloss der Gemeinderat mit großer Mehrheit. Eine über einstündige Diskussion war dem vorangegangen. Bürgermeister Dr. Christian Ruf betonte zur Einführung, dies sei „kein städtisches Projekt“. Er sei aber froh, dass hier endlich eine Nachnutzung entstehen werde. Das Thema Parken des Kindergarten-Personals sei inzwischen auch gelöst: Vertraglich wurde nun vereinbart, dass diese auf dem Parkplatz des Supermarkts ihre Autos abstellen können. Die Anbindung an das Baugebiet Charlottenhöhe mit dem Durchstich durch die Lärmschutzwand sei vor allen deswegen seitlich versetzt worden, damit für anfahrende Eltern der Supermarkt-Parkplatz näher an dem Kindergarten sei als die Belchenstraße.
Beifall für Stauss
Klar gegen die Planung sprach sich Ulrike Stauss (FWV) aus. Der Netto-Markt sei nah genug an der Charlottenhöhe, außerdem gebe es im Netto und im Baugebiet je eine Bäckerei-Filiale. Bei einer Inflationsrate von sieben Prozent würden die Menschen wenigre einkaufen, „da brauchen wir weniger Supermärkte.“ Da gab’s Beifall aus den Zuschauerreihen.
Dies wiederum brachte OB Broß in Wallung. „Bitte unterlassen Sie das“, forderte er die Zuschauer auf, vor allem im Hinblick auf mögliche Buh-Rufe. „Wir sind auch nicht mit jeder Meinung konform.“
Ob wegen Broß’ Mahnung oder nicht: Obwohl sich Dr. Michael Gerlich (FDP) klar, deutlich und langwierig für den Durchstich aussprach, den anwesenden Anliegern vorwarf, sie würden die Stichstraße „als Eigentum requirieren“ und sie zu mehr Toleranz aufforderte, gab es keine Zwischenrufe.
Durchstich umstritten
Für die Ansiedlung sprachen sich im Prinzip außer Ulrike Stauss alle Redner aus. Allerdings nicht für den Durchgang zur Charlottenhöhe. „Wir brauchen die Kindergartenplätze dringend“, sagte Ingeborg Gekle-Maier (Grüne). Aber sie sehe die Notwendigkeit des Fuß- und Radwegs nicht ein, der Supermarkt-Eingang lasse sich ohne diesen in vier, der Kindergarten in drei Minuten erreichen. Dr. Jürgen Mehl (SPD+FfR) äußerte Verständnis für die Anwohner, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass die Stichstraße öffentlicher Raum und keine Privatstraße sei, es gebe keine Garantie dafür, „dass es so schön bleibt.“
Wenn es alle ernst meinten mit dem Mobilitäts-Konzept, dann müsse man auch ein Angebot schaffen, dass die Menschen mit dem Rad fahren oder zu Fuß gehen, sagte OB Broß dazu.
Anregungen und Bedenken
Der Gemeinderat sprach sich mit einer Gegenstimme (Ulrike Stauss) für die Offenlage der Planung aus. Der Plan kann nun, nach Veröffentlichung in der Tageszeitung, vier Wochen lang im Rathaus eingesehen werden, aber auch online. Entsprechend können nicht nur von beteiligten Behörden und Ämtern, sondern auch von Bürgern Anregungen und Bedenken vorgetragen werden. Dazu gehört auch das Vorbringen eines Anliegers, auf dem Weg zwischen dem Baywa-Gelände und dem Lärmschutzzaun gebe es viele streng geschützte Weinbergschnecken. Und auch der Antrag der SPD+FfR-Fraktion, nicht einfach eine Lücke in den Lärmschutzzaun zu schlagen, sondern einen versetzten Durchlass zu schaffen, wird vom Gemeinderat dann behandelt werden.
Auf ein Wort. Ich bin Betroffener auf der Charlottenhöhe. Die Stadt möchte mich zwangsbeglücken mit einem Durchbruch der Schallschutzwand in der Belchenstraße, um mich in das Gewerbegebiet an der Schramberger Straße zu „integrieren“, weil ich bisher, so die falsche Feststellung der Behörde, ja nicht fußläufig einkaufen konnte. Deshalb muss dort auf dem ehemaligen WLZ-Gelände nun ein neuer REWE-Supermarkt gebaut werden.
Dieses Narrativ der Behörde entspricht aber nicht den Tatsachen: Wir haben bereits einen Bäcker in der Belchenstraße, der vermutlich dann schließen muss. Und es gibt sogar zwei Lebensmittelmärkte, die bequem zu Fuß in wenigen Minuten zu erreichen sind. Wir sollen doch alle mehr laufen, sagt die Stadt. Aber 190 Meter Fußstrecke, die der herkömmliche Weg gegenüber dem neuen Durchbruch vor meiner Haustür länger ist, sind offenbar nicht zumutbar. Und der Netto-Markt hat leider den Nachteil, dass er auf Zimmerner Gemarkung liegt und just deshalb in die Bemessung meiner angeblichen Bedürftigkeit bei der Grundversorgung mit Lebensmitteln überhaupt nicht einfließt.
Man kann so ein Denken mit Fug und Recht kleinkariert nennen. Angebliches „Gemeinwohl“, hinter dem sich in Wahrheit immer bestimmte Interessen verbergen, soll partout auf meine Kosten im “beschleunigten Verfahren” realisiert werden. Dieser Kniff hat für die Administration den Vorteil, dass die Bürgerbeteiligung im Vorfeld einer Entscheidung wie den vorgestrigen Offenlegungsbeschluss gleich ganz übergangen werden darf. Beschleunigtes Verfahren heißt gewissermaßen „Demokratie light“. Einen mündlichen Dialog mit den Betroffenen, der den Namen verdient, gab und gibt es bis heute nicht und ist offenbar auch gar nicht vorgesehen.
Immerhin hat man die „Bürgerfragestunde“ noch nicht abgeschafft. Am Mittwoch hat sie stattgefunden. Der Bürger darf dort Fragen stellen, aber ein Recht auf konkrete Antworten hat er natürlich nicht. Im Gegenteil. Fragen werden leider so beantwortet, dass es eben keine wirklichen Antworten sind, sondern nur Geschwurbel. Und wer seine Rechte als Bürger mit Argumenten und ohne Schaum vor dem Mund angemessen wahrnimmt, muss sich darauf einstellen, dass er als “intolerant” gegen seine Mitmenschen in die Schublade “verwöhnter Hausbesitzer” abgelegt wird. Man reibt sich verwundert die Augen.
So stellt sich offenbar der ältere Herr von der FDP (Dr. Michael Gerlich, Anmerkung der Rerdaktion) ein vorurteilsfreies, ergebnisoffenes Nachdenken über die beste Lösung für alle vor. Dass eine Mehrheit unter Verweis auf ein aus meiner Sicht unbegründetes, das heißt konstruiertes Gemeinwohl das Recht hat, gegen eine Minderheit gemein zu sein, entspricht ganz und gar nicht meinem Gerechtigkeitsbegriff. Man und Frau, das sind in unseren Fall Apotheker, Hoteliers, Architekten, Journalisten, Beamte, Pädagogen und Facharbeiter. Das Ablegen der Bürger in die Schublade „dümmlich-egoistisch“, wie das der FDPler macht, ist natürlich sehr bequem, denn dann muss man sich erst gar nicht mit den Argumenten dieser besorgten Menschen gründlich auseinandersetzen.
Und wir Bürger haben Argumente. Etliche sogar. Wir suchen den Dialog, den es abseits der schriftlichen Eingaben aber wohl nicht geben darf, weil er Sand in das Getriebe der gut geschmierten und real existierenden Bürgermeisterkratie streuen könnte. Wer dann so respektlos ist, wie der Autor dieser Zeilen, und einfach mal spontan klatscht, weil er im Redebeitrag von Ulrike Stauss zu unserem Thema kein seelenloses, blutleeres Behördendeutsch gehört hat, wird umgehend ermahnt: Meinungsäußerungen beeinträchtigten andersdenkende Stadträte und störten den ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzung. Geht es vielleicht etwas weniger dramatisch, Herr Oberbürgermeister?
Demokratie lebt von lebendiger und engagierter Auseinandersetzung. Es ist weder ungebührlich, noch verletzt es die Würde der Versammlung, wenn Bürger nach Redebeiträgen auf zivilisierte Art ihre Zustimmung und Ablehnung zum Ausdruck bringen. Oder hatten wir 15 Bürgerinnen und Bürger etwa Trillerpfeifen und Transparente dabei?
So eine Bürgerfragestunde, wie ich sie erleben durfte, ist ein Witz von Bürgerbeteiligung. Man könnte sie genauso gut mit dem Argument abschaffen, dass sie den reibungslosen Betrieb der Verwaltungsdemokratie behindert. Aber es gibt wohl noch keinen Paragrafen dazu.
Für das rasche Durchpauken von Projekten gibt es das aber schon. Das “beschleunigte Verfahren” hat den großen Vorteil für die Verwaltung als Projektbefürworter, dass man nun völlig im Recht ist, wenn man die eigentlich zwingende Bürgerbeteiligung im Vorfeld des Offenlegungs-Beschlusses komplett aushebelt. Aber nach dem Beschluss sind immerhin noch innerhalb eines Monats “schriftliche Eingaben” möglich, die dann aber ausgerechnet von denjenigen, die das Projekt unbedingt realisieren wollen, daraufhin überprüft werden, ob sie überhaupt in der finalen Beschlussfassung berücksichtigt werden müssen. So steuert man gleich selber die Entscheidungen. Wie das erwünschte Ergebnis aussehen wird, kann ich mir sehr gut vorstellen.
Ich bin ebenfalls Betroffener, der gerne zu Fuß da laufen möchte und „König“ Ducks verweigert den Durchgang durch seine vermeintliche Privatstraße. Da fragt er mich aber auch nicht und beteiligt mich nicht. Zack, fertig, darf nicht.
Es gibt keinen Bäcker in der Belchenstraße. Bitte wenigstens EINMAL bei der Wahrheit bleiben. Und der in der Feldbergstraße wird deswegen sicher nicht schließen, weil Dr. Ducks nun einen Fußweg in seinem Königreich hat.
Auf das restliche Geschwurbel von Dr. Journalist lohnt sich dann das Eingehen gar nicht mehr…
A propos, wer von euch parkt denn da sein Wohnmobil illegal auf der Wendeplatte siehe Titelfoto? Bitte entfernen, die Wendeplatte ist kein Privateigentum und Parken ist dort verboten.
Das Wohnmobil parkt nicht auf der Wendeplatte. Steht in der Grundstück und die Vorderachse auf der Straße ….. Und Sie kennen sich da aus? Ziemlich dunkel ….
Du bestätigst damit grade die Aussage und den Tatbestand des Falschparkens, das ist dir hoffentlich klar.
Hoffentlich übernimmt bald mal das Ordnungsamt in dieser gesetzlosen Gasse.
Oh, du wieder. Hast Du nun den Fehler erkannt, dass es nicht die Wendeplatte ist? Ich bin stolz auf Dich!!! Richtig mag ein Verstoß sein. Schau dann aber immer gut hin, wenn die zukünftigen Kindergartenpendler sich ordnungswidrig verhalten. Männer wie Dich kann man echt gebrauchen!!!
Selbstverständlich zählt das zur Wendeplatte.
Und jetzt fahr deinen Karren weg!
Ist nicht mein Karren. Auch wenn es nicht in Deinen Schädel rein geht ….
Thomas, muss man um eine Fusswegeverbindung auf öffentlichem Grund so viel Wind machen und dem St. Floriansprinzip das Wort reden? Sie bietet doch vielen Bewohnern der Charlottenhöhe erhebliche Wegevorteile, und das zu Fuß. Die Nachteile für die direkten Anwohner sind doch sehr hinnehmbar insbesondere wenn man auch das Gemeinwohl im Auge hat.