Der Betsaal der einstigen Synagoge in der Kameralamtsgasse 6 in Rottweil wird künftig von der Volkshochschule und dem Verein Ehemalige Synagoge genutzt. Es sei ein großer Erfolg, dass der historisch bedeutsame Ort öffentlich zugänglich bleibt, betonte Kulturamtsleiter Marco Schaffert bei der Vorstellung des Konzepts am Donnerstag.
„Wir sind sehr froh über diese Lösung“, sagte Schaffert namens der Stadt. Er dankte ausdrücklich dem Unternehmer Matthias Kunz, der das Gebäude erworben und die Lösung möglich gemacht hat. Der neue Eigentümer – nicht zu verwechseln mit Stadtarchivar Dr. Mathias Kunz – renoviert das Haus von Grund auf und mit großer Rücksichtnahme auf den Denkmalschutz.
Ihm liegt, wie am Donnerstag deutlich wurde, besonders daran, dass der Betsaal, der lange eine Fachschule beherbergt hat, eine langfristige Nutzung findet, die der Bedeutung des Orts und den denkmalpflegerischen Vorgaben entspricht. Seinen guten Willen unterstrich Kunz, indem er dem Verein Ehemalige Synagoge den Saal gleich beim ersten Gespräch für ein halbes Jahr kostenfrei zur Verfügung stellte.
Daraufhin wandte sich die Vorsitzende des Vereins, Gisela Roming, an Kulturamtsleiter Marco Schaffert. Ziel sollte ein tragfähiges Nutzungskonzept und eine dauerhafte Bewahrung des Saals für die Öffentlichkeit sein. Das Kulturamt lud daraufhin gemeinsam mit dem Verein zu einem Gespräch vor Ort ein. Daran nahmen neben Vereinsmitgliedern und Kulturamtsleiter Schaffert Dr. Anja Rudolf von der Volkshochschule, Dr. Mathias Kunz vom Stadtarchiv sowie Konviktsdirektor Martin Frank teil.
Dabei schälte sich als Lösung eine gemeinsame Nutzung durch die Volkshochschule und den Verein Ehemalige Synagoge heraus. Inhaber Mathias Kunz unterstützt diese Doppelnutzung bei der Miethöhe. Der Saal liegt idealerweise genau gegenüber der Volkshochschule, die nun andere, angemietet Räume verlässt und den ehemaligen Betsaal mit nutzt. Somit steigen die Ausgaben der VHS unterm Strich nicht.
Nun sind zum einen VHS-Veranstaltungen wie Vorträge, Workshops und Kurse in dem etwa 40 Personen fassenden Raum geplant – ein erster ist bereits angelaufen. Zudem will die VHS den Raum technisch gut ausstatten. Zum andern plant der Verein Ehemalige Synagoge Ausstellungen und weitere Veranstaltungen. Insgesamt soll, wie bei der Präsentation des Konzepts betont wurde, zwar die Vergangenheit ablesbar bleiben – unter anderem durch historische Fotografien. Vor allem jedoch möchte man den ehemaligen Betsaal zukunftsgewandt als lebendigen Ort in der Stadtgesellschaft verankern, nicht zuletzt durch Musik und Festveranstaltungen.
Bei der Vorstellung des Konzepts war großer Optimismus spürbar, dass dies gelingen kann. Gisela Roming verwies darauf, dass der Saal im Bewusstsein der Bevölkerung stark verankert sei. Das zeige sich etwa an einem „überwältigenden Andrang“ beim Tag des Offenen Denkmals. VHS-Leiterin Rudolf machte deutlich, dass sie bereits für das Jubiläum der VHS, die 2022 75 Jahre alt wird, Ideen für den Raum hat.
Kulturamtsleiter Schaffert nannte die Lösung „perfekt“ und dankte besonders dem Verein Ehemalige Synagoge, der maßgeblich gewesen sei. Nicht zuletzt zeigte sich Tatjana Malafy von der Israelitischen Kultusgemeinde Rottweil hoch erfreut über die Entwicklung. Die Beteiligten waren sich einig: Auch die Kultusgemeinde kann in eine vernetzte Nutzung eingebunden werden.
Der einstige Betsaal ist neben dem 1850 angelegten jüdischen Friedhof in der Mittelstadt das letzte materielle Zeugnis der zweiten Jüdischen Gemeinde Rottweils, die im frühen 19. Jahrhundert entstand und zu großer Blüte kam. Das Gebäude im Johannserort wurde 1861 von einem Synagogenbau-Verein erworben. Am 24. September 1864 konnten die Rottweiler Juden den Dankgottesdienst zur Erlangung der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung bereits in diesen Räumen feiern. Bei der „Reichspogromnacht“ 1938 wurde der Betsaal geschändet und die Inneneinrichtung zerstört.
Info: Am 9. November findet vor dem Betsaal in der Kameralamtsgasse 6 die diesjährige Gedenkveranstaltung zur „Reichspogromnacht“ statt.