„Wir akzeptieren keine Kappung der Gäubahn ohne Alternative“- mit dieser Forderung wenden sich sieben Oberbürgermeister aus Gäubahn-Anliegerstädten – darunter Dr. Christian Ruf aus Rottweil – an die Bahn. Die Gäubahn, so ihr Anliegen, dürfe frühestens dann gekappt werden, wenn der Bau des Pfaffensteigtunnels endgültig gesichert sei. Letzteres ist derzeit aber wieder fraglich.
Tuttlingen. Mit ihrem Brief reagieren die Oberbürgermeister auf die jüngsten Entwicklungen beim Projekt Stuttgart 21. Hier gibt es weitere Verzögerungen, die auch unmittelbare Folgen für die Gäubahn haben können:
- Die Finanzierung des Pfaffensteigtunnels, über den die Gäubahn-Züge künftig zum Flughafen und von dort weiter zum neuen Tiefbahnhof fahren können, ist aus den Plänen der Bahn aus finanziellen Gründen erst einmal gestrichen worden. So lange es aber den Tunnel nicht gibt, müssten Gäubahn-Reisende in Vaihingen auf die S-Bahn umsteigen, falls der oberirdische Stuttgarter Bahnhof wie geplant 2025 stillgelegt wird.
- Vor wenigen Tagen hat die Bahn eingeräumt, dass aber auch S 21 möglicherweise nicht wie geplant 2025 eröffnet werden kann. Dies würde bedeuten, dass auch die oberirdischen Gleise länger als bisher angenommen benötigt würden.
Der Brief der sieben Oberbürgermeister richtet sich an Olaf Drescher, den Vorstandsvorsitzendenden der für Stuttgart 21 zuständigen DB Projekt Stuttgart–Ulm GmbH (PSU). Adressaten sind außerdem sind Verkehrsminister Winfried Hermann, Thomas Bopp als Vorsitzender des Verbands Region Stuttgart, sowie Stuttgarts OB Dr. Frank Nopper. Unterschrieben haben den Brief neben OB Michael Beck auch die Oberbürgermeister Bernd Häusler (Singen), Jürgen Roth (Villingen-Schwenningen), Dr. Christian Ruf (Rottweil), Peter Rosenberger (Horb), Nico Reith (Herrenberg) und Dr. Stefan Belz (Böblingen).
In ihrem Brief fordern die OBs, dass die bisher für 2025 geplante Kappung der Gäubahn frühestens dann erfolgen dürfe, wenn verbindlich gesichert sei, dass der Pfaffensteigtunnel auch wirklich komme: Die Strecke ohne konkrete Aussicht auf den Tunnel vom überregionalen Netz abzuhängen, sei „nicht nur unfair, nicht nachzuvollziehen und lästig, es gefährdet langfristig auch die Gäubahn als Fernverkehrsstrecke.“ Die zu erwartenden sinkenden Fahrgastzahlen dürften dazu führen, dass die dringend nötigen Ausbauten und Optimierungen „erst recht auf die lange Bank geschoben würden.“
Dies wiederum würde die Attraktivität noch weiter senken: „Eine nicht endende Abwärtsspirale droht.“ Das südliche Baden-Württemberg mit rund zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern und einer leistungsstarken Industrie müsse mit einem spürbare und dauerhaften Standortnachteil rechnen. „Es ist erschreckend, wie unverantwortlich mit einer internationalen Bahnverbindung und deren Anliegern und Fahrgästen umgegangen wird.“
Vor diesem Hintergrund könne man die sich nun abzeichnenden Verzögerungen bei der Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs fast schon als Chance betrachten: „Mehr denn je stellt sich die Frage, ob es wirklich sinnvoll und realistisch ist, den oberirdischen Kopfbahnhof bereits 2025 außer Betrieb zu nehmen“, heißt es in dem Brief, „dies setzt ja einen voll funktionsfähigen Tiefbahnhof voraus – was immer unwahrscheinlicher wird.“ Vor diesem Hintergrund sei eine Abhängung der Gäubahn ab 2025 noch fragwürdiger – schließlich könne die immer als Begründung angeführte bauliche Entwicklung des Rosensteinquartiers ohnehin nicht wie geplant in Angriff genommen werden.
Die Oberbürgermeister appellieren außerdem, die sich nun abzeichnenden Verzögerungen für eine Denkpause zu nutzen: „Man sollte und muss die dadurch gewonnene Zeit dafür nutzen, nochmals kritisch zu hinterfragen und klären, ob der dauerhafte Verzicht auf einen oberirdischen Bahnhof vor dem Hintergrund langfristig hoffentlich deutlich steigender Fahrgastzahlen wirklich sinnvoll ist.“
Die Angeschriebenen brauchen nicht bebrieft zu werden, diese sind sich über alle Auswirkungen und Abläufe bei S21 sehr wohl bewusst.
Fakt ist, dass man die Misere mit der Gäubahn billigend in Kauf nehmen muss, weil sonst das Gesamtprojekt in Gefahr gerät.
Es ist naiv bis leidlich infantil anzunehmen, dass ein Brandbrief die Beteiligten in ihren selbstgewählten Zwängen und Verbindlichkeiten, in irgend einer Weise noch beeinflussen könnte, die setzen sich ja nicht nach dessen Lektüre erleuchtet in den Amtsstuhl und sind ganz verdattert, weil sie diese unfassbare und völlig neue Info noch gar nicht hatten und jetzt deshalb schnell das Heft Pro-Gäubahn in die Hand nehmen.
Der Herr Dr. Nopper war doch da in Rottweil und außer einer Verächtlichmachung der Demonstrierenden durch Herrn Teufel, war im Nachgang nichts geboten.
Man muss auch konstatieren, dass noch kein Gäubahn Anrainender CDU-Kreisverband, dem Herrn Teufel diesen Umstand so richtig lautstark um die Ohren gehauen hat, im Zweifelsfall hat man doch mehr Angst, das nächste Fördertöpfle nicht unterstützt zu bekommen, als die Gäubahn verlieren.
Im Grunde kann man der Politik ja nicht mal einen Vorwurf machen, es haben alle zu Wahlen und Abstimmungen Aufgerufenen, in einem derart devoten Anfall von vorauseilendem Gehorsam für dieses Katastrophenprojekt gestimmt, dass man doch von einem fast einstimmigen politischen Auftrag sprechen kann.
Richtig lustig wird das Ganze doch erst, wenn wir auch hier im ländlichen Raum aus ökologischen Gründen einmal anfangen werden müssen, mehr und mehr auf das Auto zu verzichten, dann wird sich der Mobilitäts-Abgrund erst so richtig auftun, in den man sich hier einig und geschlossen hineingewählt hat.
Aber es gibt ja noch Hoffnung. Wie sagte mir einst ein Befürworter, welcher mich für meine Gegnerschaft zu S21 beschwichtigen wollte: "Das ist wie immer, erst sind alle dagegen und dann sind am Ende doch alle ganz arg froh, dass man es so gemacht hat und den neuen Bahnhof hat". Für die Verdiener bei der Sache, die Parteispendenempfänger, die Immobilienhaie und den Tunnelbohrer, da mag das wohl passen, aber für die Gäubahn und deren Anrainer, dürfte der Heiterkeitseffekt auf Dauer ausbleiben.