Meisterlich detailtreu hat er etliche Orte und Sehenswürdigkeiten der Region in Öl verewigt – wie Wimmelbilder wirken etwa sein Stadtpanorama von Rottweil oder seine Ansicht der Ruine Herrenzimmern. Aber der in Glatt lebende Norbert Stockhus wirbelt in seine Gemälde immer auch zig überraschende Szenen und Details hinein. Das Reale und das Fantastische verbinden sich bei ihm geradezu magisch – man kommt aus dem Schauen und Staunen gar nicht mehr heraus. Nun wird der große Könner zum 75. Geburtstag mit einer großen Ausstellung im Dominikanermuseum gewürdigt. Im Gespräch mit der NRWZ verriet er, was ihn an- und umtreibt.
NRWZ: Herr Stockhus, Ihre Gemälde bewegen sich zwischen haargenauem Realismus und wilder Fantasie – wie würden Sie selbst Ihren Stil beschreiben?
Norbert Stockhus: Ich passe in keine Schublade so richtig rein und habe Schwierigkeiten, das zu beantworten. Vielleicht lässt es sich so zusammenfassen: Meine Bilder bewegen sich in einem relativ breiten Feld zwischen fotorealistisch und fantastischem Realismus.
NRWZ: Worauf kommt es Ihnen an, wenn Sie ein Gemälde schaffen – wann halten Sie es für gelungen?
Norbert Stockhus: Oje, manchmal kann ich erst nach Jahren sagen, ob etwas gelungen ist oder nicht. Es gibt die Extreme absoluter Größenwahn, also etwas unkritisch ganz toll zu finden und tiefste Depression, bei der man das Gefühl hat, dass man nichts kann – zwischen diesen Polen suche ich ein gutes Zwischending.
NRWZ: Das hört sich so an, also ob Sie nicht immer klar sagen können, jetzt ist ein Bild fertig, sondern dass das fließend ist…
Norbert Stockhus: … Ja, das fällt mir schwer. Je länger ich an irgendwas arbeitete, desto schwieriger wird es, einen Schlusspunkt zu setzen. Da hilft mir manchmal meine Frau und sagt: Jetzt reicht’s. Sonst fange ich irgendwann an, in die kleinen Fenster der kleinen Häuser noch Vorhänge reinzumalen …
NRWZ: Ihre Gemälde machen den Eindruck, sie seien von Beginn an sehr geplant und durchdacht – täuscht das?
Norbert Stockhus: Bei den Stadtpanoramen ergibt sich das schon daraus, dass zum Beispiel die Rottweiler ihre Stadt wiedererkennen müssen. Deshalb muss ich mich genau orientieren, wie die Häuser aussehen und so weiter – auch aus diesem Grund hat sich die Arbeit am Rottweil-Panorama mit Unterbrechungen über vier Jahre hingezogen. Aber dann entsteht schon sehr viel frei während dem Arbeitsprozess.
NRWZ: Manches in Ihren Gemälden wirkt lebensfreudig, wie in munteren Wimmelbildern, anderes eher düster. Was verraten uns ihre Bilder über Ihre Weltsicht?
Norbert Stockhus: Ich bin kein Zeigefinger-Maler, der die Welt verändern will. Ja, manchmal fließen Dinge ein, zum Beispiel zum Thema Schutz der Natur, die mir sehr am Herzen liegt. Aber ich versuche etwas nicht überdeutlich und holzhammermäßig rüberzubringen, sondern es irgendwie lyrisch zu verklausulieren, sodass man es sieht, sich aber nicht belehrt fühlt.
NRWZ: Ihre Gemälde haben oft eine historische Dimension, etwa ihr an David Rötlin anknüpfendes Rottweil-Panorama von 2015, es kommt aber immer viel Phantastisch-Futuriustisches hinzu. Ist Geschichte für Sie vor allem eine Bühne für das Kreative?
Norbert Stockhus: Das Historische ist ein wichtiger Teil, vor allem wenn es um Wiedererkennbarkeit bei Auftragsarbeiten geht. Aber wenn Sie gerade das Beispiel Rottweil anschauen, da habe ich ja auch Teile von Rottweil quasi erfunden und eingebunden in die historische Stadt. Es ist auch mit einem gewissen Vergnügen verbunden, etwas zurück zu erfinden, das da vielleicht mal war – das bunte Leben in den kleinen Vorstädten oder irgendein skurriles Detail.
NRWZ: Mittlerweile wirbelt Künstliche Intelligenz unsere Vorstellung von Wirklichkeit, aber auch von kreativem Erschaffen durcheinander – zwei Ebenen, die für Sie ähnlich wichtig sind. Wie sehen Sie diese Entwicklungen?
Norbert Stockhus: Dazu kann ich wenig sagen, weil ich zu diesen Techniken keinen Zugang habe. Da entstehen aus meiner Sicht Zufallsgeschichten, die man leicht einem Menschen zuordnen kann, wenn man den Hintergrund nicht kennt. Aber okay, es gibt ja durchaus auch talentierte Affen oder Elefanten, die etwas produzieren, das ernstgenommen werden kann, wenn man es nicht näher kennt. Ich bin kein Freund davon und finde, dass auch ohne Künstliche Intelligenz schon viel Kunst produziert wird, die für die Augen oder für den Kopf schädlich ist, einfach weil sie so banal und anspruchslos ist.
NRWZ: In Rottweil ist nun ein großer Rückblick auf Ihr Werk zu sehen. Worauf dürfen sich Kunstfreunde denn als nächstes freuen – woran arbeiten Sie gerade?
Norbert Stockhus: Im Moment kämpfe ich mit Schiltach – also ich arbeite an einem Stadtpanorama von Schiltach (lacht)…
NRWZ: … Und wer gewinnt?
Norbert Stockhus: Ich gewinne. Aber es ist schon schwer, es braucht einfach unheimlich viel Kraft, Geduld und Ausdauer – und ich bin eigentlich nicht so geduldig.
Info: Die Ausstellung „Norbert Stockhus zum Fünfundsiebzigsten. Kunst-Welten – Experimentierfelder der Phantasie“ im Dominikanermuseum wird am 30. April um 11 Uhr eröffnet. Sie ist bis 9. Juli dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr zu sehen.
Die Retrospektive wird abgerundet durch Referenzwerke der Stockhus-Lehrer Robert Förch und Peter Grau sowie der Freunde und Weggefährten Axel Arndt und Moritz Baumgartl. Zur Ausstellung erscheint ein Katalogbuch mit einem Textbeitrag des Schriftstellers Manfred Zach.