Noch 2022 wollen sie umziehen – die Beschäftigten des Jobcenters Landkreis Rottweil. Vom Telekomturm, den sie als letzte derzeit noch mit Leben füllen, geht es eine Ecke weiter in einen Neubau im Moker-Areal. Ein Neubau, der von Immobilien Merz eigens für diesen Zweck erbaut wurde und kurz vor der Fertigstellung steht. Drei Stockwerke, hell, einladend, in Holzbauweise. Die Geschichte einer erfolgreichen Zusammenarbeit.
Einzug, Entscheidung, Neubau
2012 ist das Jobcenter des Landkreises, eine sogenannte gemeinsame Einrichtung zwischen Bund und Land, Arbeitsagentur und Landkreis, ins Telekomgebäude an der Steig eingezogen. Sechster und siebter Stock, ein toller Blick über das Primtal und die Altstadt inklusive. Drinnen aber eher dunkel, verwinkelt, eng. Und bald stellte sich heraus: auch schadstoffbelastet. Ende 2017 kam dann die Entscheidung, sich eine neue Unterkunft zu suchen. Und 2019 die Lösung: in Form eines Neubaus gleich in der Nähe, in der Königsberger Straße.
Simone Zeller erinnert sich: „Anfang 2017 war klar, dass sich etwas ändern muss“, sagt die Jobcenter-Geschäftsführerin an diesem Mittwochmorgen im Gespräch mit der NRWZ. Sie hat ausnahmsweise Zeit dafür, Mittwoch ist das Jobcenter für den Publikumsverkehr geschlossen. Sie habe sich 2018 auf die Suche nach einem Bestandsgebäude gemacht, in das sie mit ihren 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort – inklusive den Zweigstellen in Oberndorf und Schramberg sind es 70 – würde umziehen können. Und dann kam die „glückliche Fügung“, wie Zeller sagt. In Person von Philipp Merz vom gleichnamigen Rottweiler Wohnbauunternehmen. „Es war Herbst, als wir uns das erste Mal trafen“, erinnert sich Zeller, 2019, wohl, ergänzt Merz, der auch an diesem Gespräch mit der NRWZ teilnimmt.
„Ziemlich schnell“
Zwei Bestandsobjekte habe man seitens Merz der Interessentin Zeller damals gezeigt. Die beiden Gebäude hätten nicht ganz gepasst. Dann der Entschluss: „Wir bauen was für Sie.“ Soll heißen: Merz stellt das Gebäude, das Jobcenter mietet sich ein. Da das Moker-Areal – bis auf die Villa – der Immobilienfirma bereits gehört hat und einer Bebauung harrt, war der Platz für den Neubau auch rasch gefunden. In wenigen Jahren (Merz: „Wir waren ziemlich schnell“) ist hier ein neuer Bürokomplex entstanden. Drei Stockwerke, ein Holzhaus in Niedrigenergiebauweise, KfW 40. Photovoltaikanlage auf dem Dach für den Strom, eine Luft-Wärme-Pumpe, die nicht nur heizen, sondern auch kühlen kann. Das „passt zu uns als öffentliche Hand und soziale Einrichtung“, sagt Zeller. Und Merz ergänzt: „Uns interessiert kein Öl- und kein Gaspreis, das passt auch in diese Zeit.“
Im vierten Quartal 2022 soll bereits der Umzug stattfinden. Während die Immobilienfirma Restarbeiten erledigt und noch vorhat, ein altes Gebäude abreißen zu lassen, auf dessen Grundfläche dann Parkplätze entstehen sollen, plant Zeller minutiös vor. Es existiere ein detaillierter Umzugsplan, zwei Wochen vorher will sie den Stichtag verkünden. Dann sollen morgens die Umzugsleute anrücken – und innerhalb zweier Tage alles drüben im Neubau betriebsbereit haben.
Umzug in zwei Tagen
„Wir machen zwei Schließtage, das ist der Plan“, sagt Zeller zuversichtlich. Mehr könnten sie und ihr Team sich nicht leisten. Täglich würden um die 100 Anrufe eingehen, „wir haben uns eine Reaktionszeit von 48 Stunden auf jede Art der Kommunikationsaufnahme auferlegt“, so Zeller. Es könnten sich auch eilige Notfälle unter den Mails und Telefonanrufen befinden, länger als zwei Tage dürfe ihr Jobcenter nicht offline sein.
Ein Antrieb für die Mitarbeitenden: die Vorfreude auf den Neubau. Nicht nur der Schadstoffe wegen verlassen sie den alten gerne. Auch wegen jenes Vorfalls im Januar 2020, einem völlig überraschenden Messerangriff eines 58-Jährigen auf eine arglose Mitarbeiterin des Jobcenters. Der Mann ist inzwischen verurteilt, seine Tat wirkt nach. „Wir sprechen weiterhin immer mal wieder über den Vorfall“, sagt Geschäftsführerin Zeller.
Der Angriff: ein Einzelfall – mit Auswirkungen
Zwei Dinge sind ihr in dem Zusammenhang wichtig: Der Angriff sei ein Einzelfall gewesen, sagt sie. Man stelle es sich immer so vor, dass es im Jobcenter häufig laut zugehe, dass Leistungsempfänger ausflippten, herumschreien würden. „Dem ist nicht so“, berichtigt Zeller. „Der Großteil der Beratungen läuft völlig ruhig ab.“ Andererseits aber hat die Tat von 2020 Einfluss auf die Planungen des neuen Jobcenters gehabt. Die acht Büroräume, in denen die Beratungsgespräche künftig stattfinden werden, haben zum Gang hin alle ein großes Glasfenster. Durch dieses dringt Licht herein. Aber man kann von außen auch mal einen Blick hineinwerfen und die Situation drinnen beurteilen. Die Kolleginnen und Kollegen in den Büros hätten dadurch auch eine Verbindung zu den Mitarbeitenden im Gang. Zudem gibt es Großraumbüros. Dort teilen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch Arbeitsplätze, betreiben sogenanntes Desk-Sharing. Oder sind im Home-Office, laut Zeller ebenfalls eine stark etablierte Arbeitsform im Jobcenter Landkreis Rottweil. Außerdem verfügt das neue Gebäude über Vortragsräume.
Dass Merz gleich ein Bürogebäude für einen Kunden hochzieht – „ein Einzelfall“, so Philipp Merz. Üblicherweise engagiert sich das Unternehmen im Wohnbau. Doch unterscheide sich – trotz etwa eines umfangreichen Vorgabenkatalogs – der öffentliche Bausektor auch nicht so sehr vom privaten. Immer gebe es eine ganze Fülle an Vorgaben zu beachten.
Große Vorfreude auf den Neubau
Intern wickelt Zeller das Projekt Neubau und Umzug als Kopf eines Teams von fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ab. „Das kam on top“, sagt sie, „wir haben niemanden eingestellt, wir stemmen das mit dem bestehenden Personal, als zusätzliche Aufgabe, auch in diesen anspruchsvollen Zeiten.“ Sie würden das aber „auch sehr gerne“ tun. Die Vorfreude sei groß, die Kollegen seien sehr engagiert. Und häufig habe man die Mittagspause schon genutzt, um mal kurz eine Straße weiter, beim Neubau vorbeizuschauen.
Vier Millionen Euro hat Merz in das Gebäude mit seinen 1500 Quadratmetern Bürofläche investiert. Der Mietvertrag mit dem Jobcenter ist auf zehn Jahre angelegt – und wird diese Summe bei weitem nicht einspielen. „Da benötigen wir mehrere Perioden“, erklärt Philipp Merz. Er sagt auch: „Wir sind froh, dass wir das Jobcenter als Mieter bekommen haben.“ Zeller ergänzt: „Es ist eine gute, erfolgreiche Zusammenarbeit.“ Und wiederum Merz: „Wir hatten unkomplizierte, kurze Wege, konnten auch eilige Entscheidungen rasch treffen.“ Beide lachen während des Gesprächs häufig, sind gelöst, haben als Geschäftspartner offenbar einen Draht zueinander gefunden. „Das war“, fasst Zeller zusammen, „eine gute Fügung.“
Info: Das Jobcenter Landkreis Rottweil ist eine sogenannte gemeinsame Einrichtung (gE) der Bundesagentur für Arbeit und des kommunalen Trägers (Landkreis). Zu den zentralen Aufgaben gehört die Sicherstellung des Lebensunterhalts der Kundinnen und Kunden. Zudem die Beratung und Begleitung der Menschen vom Weg in die Ausbildung bis zum Wiedereinstieg nach einem Jobverlust und die Förderung der beruflichen Weiterbildung. Insgesamt betreut das Rottweiler Jobcenter mehr als 3000 Menschen, „wir begleiten die ganze Familie“, sagt Geschäftsführerin Simone Zeller, das sei „eigentlich ein kleines Dorf“. Seit dem 1. Juni werden die Geflüchteten aus der Ukraine ebenso vom Jobcenter betreut. Auch hier geht es um die Sicherstellung des Lebensunterhalts, Sprachkurse zu vermitteln und im Anschluss daran Jobs. So etwa eine Frau aus der Ukraine, die nun in einer Marketingabteilung eines Unternehmens angestellt ist, dessen Unternehmenssprache englisch ist, was sie wiederum fließend könne. Eine weitere Vermittlung hat bereits im pflegerischen Bereich stattgefunden. Überdies unterstützt das Jobcenter bei speziellen Problemen, z.B. durch die Zusammenarbeit mit der Schuldnerberatung und der Suchthilfe. „Es ist ein spannendes Aufgabenfeld, eine Herzensangelegenheit“, sagt Chefin Zeller. „Wir betreuen Menschen.“