Neues Buch von Verena Boos: Klettern auf dem Vulkan der Vergangenheit

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Die Fans haben sehsüchtig darauf gewartet: Nach „Blutorangen“ (2015) und „Kirchberg“ (2017) erscheint nun der dritte Roman der preisgekrönten Rottweiler Autorin Verena Boos: Am 24. Juli kommt „Die Taucherin“ in den Buchhandel: eine Geschichte darüber, dass es manchmal ganz anders ist, als es scheint – eine brillante, packende Sommerlektüre!

Straff ist er, dieser Roman. Auf 288 Seiten geradeaus durcherzählt. Fast kommt er einem so drahtig vor, wie der Sport, von dem passagenweise die Rede ist: das Klettern. Miterzählt wird dabei, was Klettern mit den Menschen macht. Wie es sie aus einem technisierten Alltag herausführt. In die Natur. In eine Konzentration auf Weniges und Wesentliches.

Insofern ist „Die Taucherin“ anders als „Blutorangen“, das Debüt, in dem Verena Boos nicht verheilten Wunden des spanischen Bürgerkriegs nachging. Auch anders als „Kirchberg“, ihr Buch über das Hingehören in der Moderne und das Zurückkommen in ein Dorf. Schnörkelloser führt Verena Boos diesmal durch ihre Erzählwelt.

Und doch ist da viel Verbindendes. Ihr Sound ist nicht weniger bildstark, sinnlich und musikalisch als in den beiden ersten Romanen. Nur prägnanter. Zudem greift sie bekannte Fäden und Felder wieder auf: Auch diesmal geht es um Spanien, um den Schwarzwald – und um viel Geschichte. Um das Geschichtete, auf dem unsere Gegenwart aufruht – nicht selten als unerkannt stiller Vulkan, der als unverdaute Vergangenheit in eine Gegenwart hinein aufbricht. Und sich am besten einzelner Personen erzählen lässt.

Diesmal stellt Verena Boos zwei Frauen in den Mittelpunkt, beide Mitte Vierzig: Amalia aus dem Glottertal und ihre Freundin Marina, die in Valencia lebt. Die Geschichte kommt durch mysteriöse Anrufe in Bewegung. Sie sind wie das Grummeln der Geschichte unter scheinbar mächtigen Schichten der Gegenwart. Die aber sind dünn und brüchig. Denn was durchbricht, stellt alles auf den Kopf: Marinas Eltern sind gar nicht ihre leibliche Mutter und ihr Vater. Sie wurde geraubt und anderen Eltern zugeschanzt – wie wohl Tausende in Spanien über Jahrzehnte.

Dieses himmelschreiende Unrecht begann während der Franco-Diktatur. Kinder von politisch Linksgerichteten oder sozial Vulnerablen wurden für tot erklärt und systemtreuen Eltern zugeführt. Irgendwann löste sich das Modell sogar vom Politischen: Bis in die 2000er-Jahre hinein, also ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Franco-Diktatur, wurde der Kindsraub fortgesetzt – schlicht für Geld.

Verena Boos schildert in diesem spannenden Roman, was es mit Menschen macht, wenn Bezugssysteme zerbröseln. Wenn das Erzähl-Gewebe zerreißt, mit dem sie sich in der Welt verankert haben. Und sie zeigt, dass es damit nicht getan ist. Dass sich Menschen zugleich aus Illusionen befreien. Und neu beheimaten in der Welt, neu hinein klettern.

„Dieses Buch zu schreiben, haben ich total genossen“, erzählt Verena Boos im Gespräch mit der NRWZ. Das merkt man. Der Roman hat Herzblut. Vor allem, wenn es um die beiden Protagonistinnen geht. Interessante, starke Frauen-Persönlichkeiten lässt Verena Boos hier plastisch werden.

Dass sie „Die Taucherin“ in nur einem Jahr verfasst hat, neben ihrem Hauptberuf als Leiterin der Jugendkunstschule des Landkreises Rottweil, macht sie schon ein wenig stolz. Es braucht dafür eine Beharrlichkeit, ein Dranbleiben das auch beim Klettern nötig ist. Zum Glück für die Fans teilt Verena Boos die Leidenschaft für diesen Sport mit der Heldin ihres neuen, meisterlichen Romans.

Info: Die Taucherin erscheint im Berliner kanon-Verlag (978-3985681303, 288 Seiten) und kostet 24 Euro als Buch sowie 19,99 Euro als E-Book. Am 27. September ist um 18.30 Uhr eine Lesung mit verena Boos bei Buch Klein sowie um 21 Uhr im Schwarzen Lamm geplant.

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