21 Tonnen Stahl am Haken: Ein Spezialkran hat am Dienstag, 12. März, ein Schott mit diesem Gewicht aus dem Neckarwehr der Energieversorgung Rottweil (ENRW) ausgebaut. Damit ist der größte Brocken beim Abbau der Wasserkraftanlage geschafft und der Weg frei für die nun anstehende Renaturierung des Flusses, der bislang eher einem Kanal gleicht.
Rottweil – „Man hält schon kurz den Atem an, wenn ein solcher Stahlkoloss scheinbar schwerelos aus dem Neckarwehr ans Ufer gelupft wird“, sagte Oberbürgermeister Dr. Christian Ruf, der sich am Dienstag vor Ort selbst ein Bild von den Rückbauarbeiten machte. „Vor allem sind wir froh, dass das Manöver geglückt und unfallfrei abgelaufen ist.“ Arbeiter einer Fachfirma für Entsorgung hatten bereits seit einigen Tage Vorarbeiten geleistet und das Wehr mithilfe von Schneidbrennern demontiert. Das Schott wird nun auf dem Werksgelände der ENRW weiter in seine Einzelteile zerlegt, ehe es abtransportiert werden kann. Die gesamte Stahlkonstruktion des Wehrs wird übrigens recycelt, sein Materialwert von den Kosten des Abbaus abgezogen.
Bereits seit dem Frühjahr 2023 wurde das aufgestaute Wasser hinter dem Wehr schrittweise gesenkt. Schrittweise wurde so sichtbar, was sich bislang unter dem Wasserspiegel verbarg: Der Neckar wurde über mehrere hundert Meter in einer fest zementierten Wanne aufgestaut. „Weder für die Gewässerqualität noch für die Tier- und Pflanzenwelt waren das gute Bedingungen“, gibt Dr. Ruf zu bedenken. Im Spätsommer 2024 sollen nun die Arbeiten für die naturnahe Umgestaltung des Neckars starten.
Zunächst wird der Abschnitt von der ENRW bis zur Primmündung angegangen. Später folgt das Hauptgelände der Landesgartenschau unterhalb der historischen Innenstadt. Die Renaturierung des Neckars führt das Land Baden-Württemberg übrigens in eigener Regie und auf eigene Kosten durch. „Darüber sind wir sehr froh, denn das entlastet uns bei anderen Projekten für die Landesgartenschau“, erklärt der OB. Ein weiterer Pluspunkt: Im Zuge der Renaturierung wird auch der Hochwasserschutz gestärkt: Zum einen erhält der Fluss wieder mehr Überschwemmungsflächen. Zum anderen wird ein neuer Pegel auf Höhe des Bahnhofs gebaut, der anders als der bisherige auch bei Hochwasserlagen noch zuverlässig messen kann.
Die Stadt Rottweil gleicht den Verlust der durch Wasserkraft gewonnen Energie auf eigener Gemarkung mehr als aus: Die bisherige Anlage lieferte rechnerisch Strom für etwa 100 bis 120 Haushalte. Dagegen ist Planungsrecht für Solaranlagen für mehrere Tausend Haushalte auf eigener Gemarkung geschaffen worden. Unter anderem beteiligt sich auch der städtische Energieversorger ENRW an Solaranlagen in seinem Netzgebiet.
Wasserkraft gibt es in Rottweil übrigens weiterhin: Flussaufwärts wie flussabwärts wird der Neckar für insgesamt acht weitere Wasserkraftanlagen aufgestaut, wie die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg ermittelt hat. Durch den Wegfall des ENRW-Wehrs kann der Neckar nun aber auf immerhin zwei Kilometern Länge naturnah umgestaltet werden, so dass er der Bezeichnung „Fluss“ wieder alle Ehre machen kann.
INFO: Die Neckarrevitalisierung ist eine Maßnahme des Landes Baden-Württemberg. Weitere Infos finden sich hier: Revitalisierung des Neckars in der Au bei Rottweil – Regierungspräsidium Freiburg (baden-wuerttemberg.de). Eine Übersicht über Wasserkraftwerke in Rottweil findet sich hier: https://www.energieatlas-bw.de/wasser/bestehende-wasserbauwerke. Weitere Infos zur Landesgartenschau Rottweil: www.rw2028.de.