ROTTWEIL. Bei der Einwohnerversammlung zum Thema Parkhaus und Mobilitätskonzept im Oktober vergangenen Jahres war die Bürgerschaft dazu ermuntert worden, sich mit Ideen einzubringen. Dann kam der Corona-Herbst, kamen Weihnachten und die Fasnet. Jetzt scheint die Zeit reif. „Gestern haben wir einen ersten Vorstoß gemacht“, schreibt Prof. Frank Huber am Freitagnachmittag. Jener Huber, den man von der Narrenzunft kennt, und der zudem nun auch Sprecher einer Bürgerinitiative ist. Bei näherem Hinsehen wird klar: Huber und Co. nehmen die Einladung der Stadt, sich zu beteiligen, ernst. Und bieten sich selbstbewusst als Berater an. Damit „Projekte, die an der Bürgerschaft vorbei zielen, vermieden werden können. Die Gruppierung legt zudem einen ambitionierten Zeitplan vor.
„Visions-Werkstatt“
So nannten die Bürger ihren ersten Vorstoß. Sie luden Vertreter der Stadtverwaltung, des Gemeinderats, verschiedener Initiativen ins Neckartal ein, ins Kraftwerk. Am Freitag war das. „Das Interesse war riesig“, schreibt Huber nun. 90 Prozent der Geladenen seien tatsächlich da gewesen. Die Firma Trendfactory habe hierfür die Räumlichkeiten sowie das Equipment kostenlos zur Verfügung gestellt und die Macher bei der Konzeption der Veranstaltung unterstützt.
Wer dahintersteckt
Es sind vornehmlich die Initiatoren jener Petition gegen ein Parkhaus am Nägelesgraben in Rottweil, die Mitte Oktober gestartet worden ist. Mehr als 3000 Unterschriften zählt sie. Sie umschreiben es so: Eingeladen habe zu der „Visions-Werkstatt“ eine Gruppe von Bürgern, „die sich auf unterschiedliche Art und Weise bei der Diskussion um das Parkhaus sowie den Zentralen Omnibus-Bahnhof am Nägelesgraben öffentlich engagiert hat und weiter engagieren möchten“. Zudem hätten sie sich durch die Bürgerversammlung in der Stadthalle am 25. Oktober motiviert gefühlt. „Dem Aufruf dort, einen Beitrag zur Entwicklung der Stadt und der Organisation von Mobilität zu leisten, sind die Gastgeber gerne gefolgt“, schreiben sie.
Neben Huber stehen der Initiative voran: Felicitas Bott, Peter Mentner, Hannes Soballa , Alfons Bürk, Thomas Wenger, Hermann Breucha und Carl Soballa.
Wer kam zur Zukunftswerkstatt ins Kraftwerk?
Nach der Bürgerversammlung hätten die Parkhaus-Gegner – eine verkürzte Darstellung ihrer Belange, aber eben eine griffige Formulierung – Gespräche geführt mit Vertretern der Stadtverwaltung, von Initiativen wie dem Stadtjugendring und dem Bürgerforum Rottweil, mit Gemeinderäten und weiteren Rottweiler Bürgern. „Wir haben nun für die Zukunftswerkstatt all diejenigen angesprochen und eingeladen, von denen wir wissen, dass sie sich für die Entwicklung der Stadt interessieren“, erklären sie, ohne das zu konkretisieren. Ferner habe man sich auf der Bürgerversammlung in eine Bürger-Liste eintragen können. Wer sich an einer Diskussion weiter beteiligen wollte, habe so Zugang bekommen. „Auch diese Bürger waren da“, heißt es nun. Fast alle Eingeladenen hätten den Weg ins Kraftwerk gefunden. 68 Teilnehmer hätten sich die Zeit genommen, drei Stunden lang über die Zukunft Rottweils zu diskutieren.
Was geschah im Vorfeld, seit der Bürgerversammlung?
„Wir haben einen organisatorischen Rahmen in Form eines Arbeitskreises und eines Lenkungskreises entworfen“, beschreibt die Gruppierung das in einer Presseerklärung. Mit diesen beiden Gremien solle die Kommunikation zwischen der Verwaltung der Stadt, dem Gemeinderat und der Bürgerschaft „sowie, wenn nötig, ausgewählten Experten erfolgen“, erklären sie weiter. Ergänzend zu diesem organisatorischen Rahmen sollen verschiedene Plattformen zum gemeinsamen Austausch dienen. Die Zukunftswerkstatt vom Freitag sei eine solche Plattform gewesen. „Sie soll den von der Stadt organisierten Workshops mit Bürgern voranstehen und Vorarbeiten leisten.“
„Entscheidungshilfe“ etwa für Gemeinderäte: Das wollen die Initiatoren erreichen
„Wir wollen eine Plattform bieten, um die Kenntnisse sowie auch Ideen der breiten Bevölkerung zu nutzen und um gemeinsam wichtige Themen der zukünftigen Entwicklung der Stadt Rottweil und ihrer Region zu diskutieren.“ Das ist sozusagen der Leitsatz, der hinter dem Vorhaben steckt. Den kommunalpolitischen Vertretern sowie den Bürgerinnen und Bürgern wolle sie damit auch eine Entscheidungshilfe geben.
Konkret: „Ideen und Konzepte zur Stadt- und Mobilitätsentwicklung, die von der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat vorgeschlagen werden, sollen auf Plausibilität und Akzeptanz eine Prüfung erfahren“, erklärt die Gruppe. Auf diese Weise „soll gewährleistet sein, dass Konzepte, die an der Bürgerschaft vorbei zielen, vermieden werden können.“
Wie soll das ablaufen?
„Wir wollen ergebnisorientiert arbeiten. Nicht der Weg ist das Ziel, sondern das Ziel ist das Ziel“, formuliert es die Bürgerinitiative. So wollen sie eine einfach funktionierende Schnittstelle schaffen zwischen Verwaltung, Gemeinderat und Bürgern. Dafür sollen in einer späteren Phase in Projektteams die Verwaltung und der Gemeinderat bei der Arbeit eine Unterstützung erfahren. „Wir wollen durch den konsequenten Einsatz sozialer Medien und sozialer Netzwerke die Kommunikation zwischen Verwaltung, Gemeinderat und Bürgern transparenter ausrichten und den Bürgerdialog stärken“, so die Gruppierung.
Zugleich stellen die Mitglieder klar: „Wir sind keine außerparlamentarische Opposition, sondern eine Vereinigung, die auf ein konstruktives Miteinander abzielt, um das Thema Stadtentwicklung und Mobilität schneller und bürgernah zu bearbeiten.“
Wie lief die „Visons-Werkstatt“ ab?
Es gab Diskussionsgruppen zu den Themen
- Mobilität,
- Einkaufen / Stadt als Einkaufsstadt, Leerstand aktuell, was ist durchschnittlicher Leerstand? Was erwartet man, Einkaufsmöglichkeiten, realistisch, ideal? Ausbau, Umbau, Erhalt,
- Wohnen / Stadt als Wohnort,
- Arbeiten / Stadt als Arbeitsort,
- Freizeit und öffentliche Versorgung / Stadt als öffentlicher Raum.
Jeweils zwei große Fragen hätten dabei im Mittelpunkt gestanden: Was entspricht heute meinen Anforderungen und denen meiner Mitbürgerinnen und Mitbürger – und was nicht? Und: Wie sollte es in zehn Jahren sein?
So soll es weitergehen
Für ein weiteres Treffen sollen die bei der Zukunftswerkstatt gewonnenen Erkenntnisse zusammenfasst vorgestellt werden. „Die Ergebnisse sollen eine Ergänzung und Priorisierung erfahren, mögliche Chancen und Mängel gilt es dann dezidiert herauszuarbeiten“, heißt es in der Presseerklärung.
Der Zeitplan ist ambitioniert, umfasst nur wenige Monate: Bereits in knapp 14 Tagen soll gruppenintern ein sogenannter Masterplan in Form eines Entwurfs vorliegen. Nach einigen Sitzungen und Workshops, in denen Verfeinerungen vorgenommen werden sollen, nach einer ersten öffentlichen Vorstellung soll der Masterplan dann vor den Gemeinderatssausschuss und den Gemeinderat selbst kommen. Und einen Beschluss darüber erhofft sich die Initiative dann für den 22. Juni. 2022.