Horb/Rottweil. Die schreckliche Tat vom März – bei der ein heute 38-Jähriger laut Anklage seine Mutter und seinen Bruder in Brand gesetzt hat -, sie hat auch eine Dimension für die damals eingesetzten Feuerwehrkräfte. Diese schilderten ihre Erlebnisse am mittlerweile dritten Tag des Prozesses gegen den Mann aus Horb-Talheim. Dieser blieb reglos und distanziert wie bisher.
An diesem regnerischen Freitag sitzt ein 40-jähriger Feuerwehrmann, ein Industriemeister, am Zeugentisch des Saals 201 im Landgericht Rottweil. Der Mann ist der Abteilungskommandant der Feuerwehr Horb-Talheim. Er heißt Bernhard Müller, kennt Dennis B. lose aus Schulzeiten. Dieser war zwei Klassen unter ihm. Heute ist er derjenige, der sich unter anderem wegen des Feuertods seiner Mutter und der schweren Brandverletzungen seines Zwillingsbruders verantworten muss.
An diesem Prozesstag geht es primär darum, wie Feuerwehrleute den Einsatz erlebt haben. Müller berichtet: Um 4.17 Uhr ist die Feuerwehr alarmiert worden, elf Minuten später waren die ersten Einsatzkräfte vor Ort. „Man hat von Weitem schon gesehen, dass das Dachgeschoss lichterloh brennt. Ein intensiver Brand. Ein starkes Brandbild, ein helles Flammenbild, wenig Ruß“, berichtet der 40-Jährige vor Gericht. Er habe früh vermutet, dass da ein Brandbeschleuniger im Spiel war, so der Talheimer Abteilungskommandant. In seinen 16 Jahren bei der Feuerwehr habe er so etwas noch nicht gesehen.
Vor dem Gebäude, auf einem Gehweg, lag eine Person am Boden, „die auf mich den Eindruck machte, dass sie tot sei“, erklärte der 40-Jährige Abteilungskommandant weiter. Entsprechend „war ich erschrocken, dass er mir antwortete“, als Müller den Mann damals ansprach. Es handelte sich um den schwer verletzten Benjamin B. „Mein Bruder hat uns mit Benzin übergossen und angezündet“, habe der am Boden liegende Mann gesagt. „Uns“, nicht etwa „mich“. So hat es der Abteilungskommandant damals in seinem Einsatzbericht notiert. Auch, dass ein Benzinkanister im Haus gefunden worden sei. Der habe im Untergeschoss gestanden. Mit „uns“ war auch die Mutter gemeint.
Die Feuerwehr startete in jener Nacht den Löschangriff, zunächst vornehmlich von innen, mit mehreren Angriffstrupps. „Unter einer enormen Hitze“, wie die Kollegen ihm berichtet hätten, „es war drinnen ungewöhnlich heiß“. Einsatzkräfte unter Atemschutz durchsuchten das Gebäude außerdem nach weiteren Personen, man sei davon ausgegangen, dass noch jemand im Haus ist. Um den schwer verletzten Mann auf der Straße kümmerte sich der Rettungsdienst. Ein Rettungshubschrauber wurde angefordert.
Allein die Feuerwehr Talheim war mit 38 Kräften vor Ort. Vollalarm für die Abteilung. Im Prozess liest der Abteilungskommandant die Namen der eingesetzten Feuerwehrleute vor. Einige Nachnamen kommen mehrfach vor. Und etwa die Hälfte der Kräfte war unter Atemschutz im Einsatz, hat einen entsprechenden Eintrag im Protokoll. Die Abteilung Horb rückte nach, verstärkte die Kräfte vor Ort. Insgesamt setzte die Feuerwehr mehr als 90 Männer und Frauen ein, der Rettungsdienst 18. Oberbürgermeister, Bürgermeister, Kreisbrandmeister waren vor Ort.
Auch den Zeugenaussagen der Feuerwehrleute lauscht Dennis B. reglos. Ernst, wie unbeteiligt. Er wirkt müde, gelangweilt, fast apathisch. Atmet zwischendrin tief durch, bespricht sich knapp mit seinem Anwalt, versucht, sich zu konzentrieren, setzt sich immer wieder aufrecht hin, lauscht den Zeugenaussagen wie einem Fachvortrag. Ein weiterer Feuerwehrmann, ein junger Kerl, ein Gruppenführer, macht da gerade seine Aussage. Er berichtet, dass er ein Brandopfer draußen habe liegen sehen. „Schwarz und verbrannt. Wie tot.“ Er habe den am Boden liegenden Mann angesprochen, dieser habe geantwortet, er sei „… vom Bruder angezündet“ worden.
Dennis B. bleibt vollkommen regungslos. Hört einfach zu. Konzentriert. Der junge Feuerwehrmann beschreibt, wie er das zweite Opfer, die Mutter, wahrgenommen habe. Als „extrem schwer verbrannt im Gesicht und am Körper“, als eine Frau, von der „Kleidungsreste und die Haut in Lappen heruntergehangen“ hätten.
Wenn sein Name fällt, zuckt Dennis B. nicht. Nur manchmal wippt er leicht auf seinem Sessel an der Anklagebank auf und ab. Währenddessen werden auf einem riesigen TV-Display die verkohlten Überreste des Schlafanzugs seiner verstorbenen Mutter gezeigt. Oder Fotos vom lichterloh brennenden Dachstuhl seines Elternhauses. Von der Brandzehrung am Dach, Bilder vom Tag danach. Von einem verbrannten Schuh vor dem Haus. Oder von den aufgefundenen Blutspuren, die sich durch mehrere Zimmer im Erdgeschoss ziehen.
Die einzigen Gefühlsregungen: manchmal blinzelt er, manchmal schluckt er trocken. Mehr nicht.
Die eingesetzten Feuerwehrleute beeindruckt der Brand dagegen noch heute. Der Horber Gesamtkommandant Marco Schlagregen, der an jenem Tag nach seinem Eintreffen zum Einsatzleiter wurde, bezeichnet das Brandbild aus seiner Erinnerung als ungewöhnlich. Die Flamme, die aus einem der Dachfenster geschlagen habe, sei sehr hellrot gewesen. Sehr hoch, sehr lang. Eine Stichflamme, „sehr eindrücklich“. Das lasse auf eine große Brandlast schließen. Und für die im Gebäude eingesetzten Kräfte vor allem der Abteilung Talheim sei die Arbeit schwer gewesen. „Krass, extrem, sehr heiß“, so schilderte der Kommandant die Situation.
Wie das sein kann, dass Dennis B. der von ihm angerichteten umfassenden und für seine Mutter tödlichen Katastrophe so ungerührt gegenübertritt – ob er krank ist oder ob er eben einfach so ist -, das soll im Verlauf des Prozesses noch der psychiatrische Sachverständige erklären. Für den nächsten Prozesstag Anfang November ist dessen Aussage eingeplant.
Auch soll das überlebende Opfer, Dennis B.s Bruder Benjamin, vernommen werden – per Video.