Mir sin do dahoim!

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ROTTWEIL. In einer Zeit von schlimmen gesellschaftlichen Verwerfungen und rasanten Entwicklungen gelingt es nur schwer, sich ein Stück heile Welt zu bewahren. Und dennoch, wenn am Dreikönigstag wieder einmal in Rottweil die Fasnet beginnt, so vergisst man zumindest für einen Augenblick all das, was um einen herum zu geschehen vermag und einen zuweilen mit Angst erfüllt. Ein kleines Stück fast unveränderte Welt lässt dann unsere Herzen höherschlagen und erfüllt uns mit tiefer Geborgenheit und der Zuversicht, dass die Welt doch noch nicht ganz verloren scheint. 

Von Zunftschreiber Frank Huber

Das „Wunder“ der Rottweiler Fasnet lässt ganz offensichtlich den Trübsinn verschwinden und holt tief aus dem Inneren der Menschen ein Gefühl heraus, das ohne Weiteres als unbeschreiblich bezeichnet werden darf und schon Generationen vor uns so empfunden haben müssen. Das Fasnetsbrauchtum, es scheint überlebensfähig, weil es einerseits erstaunlich wandelbar und weil es andererseits immer für einen da ist – auch in schwierigen Zeiten. Es ist dabei nicht Ausdruck des Reichtums unserer Stadt. Es ist vielmehr Ausdruck der Lebensfreude und der inneren Identität ihrer Bewohner. Deshalb darf die Pflege des Fasnetsbrauchtums nicht nur geschichtsorientiert, sondern muss auch gegenwarts- und zukunftsorientiert agieren. Und dafür braucht es alle Bürger, denn wir sind hier daheim! Mir sin do dahoim.

Wenn sich am 6. Januar bei 32 Abstaubern der Atem mit dem Odem des kalten Morgens des Dreikönigstages synchronisiert, so steigt bei jedem einzelnen mit Frack und Zylinder gekleidetem Beseleträger die Zuversicht, seinen Beitrag zur Lebensfreude und zur Identifikation der Bürger mit dem Fastnachtsbrauchtum leisten zu können. Selbstlos stellen sie sich in den Dienst der Allgemeinheit, um spät in der Nacht mit alkoholmüden Augen ins Bett zu steigen. Nicht das „Ich“ treibt sie dabei durch den Tag, sondern das „Wir“.

Und auch wenn an diesem Tag in vielen Bürgerhäusern viele skurrile, humorvolle oder fast unglaubliche Geschichten aus längst vergangenen närrischen Tagen aufgetischt und verdaut werden, bringen die Abstauber auch immer ein Stückchen Veränderung mit. Manchmal ist es der erste Dreikönigstag ohne die Oma, die vom Herrgott gerufen wurde, manchmal der erste Abstaubertag, den man mit dem nun verheirateten Sohn erlebt oder der erste Dreikönigstag, den man mit den besten Freunden in den eigenen vier Wänden feiert.

Leben wird oft erst in der Rückschau verstanden, aber halt nach vorn gelebt. Auch das bringen die Reinigungstruppen der Narrenzunft mit in die Häuser – ein Stück Alt-Rottweil, damit das Heute-Rottweil eine Zukunft hat. Wer sehen will, wie das Gestern auf das Morgen trifft, findet alle Abstauber und alle der Fasnet treu verbundenen Bürgersleute am Dreikönigstag ab 21 Uhr im Russen-Stüble.

Alle Bürgersleute, die den Abstaubern für ihren strapaziösen Gang Glück wünschen wollen, sind herzlich zur Aussendung der charmanten, stand- und ehrenhaften Reinigungskräfte eingeladen. Diese erfolgt am Dreikönigstag um 10.40 Uhr vor dem Café Schädle. Die Narrenzunft freut sich auf Ihr Kommen.

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