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    Künstler-Export zu den Eidgenossen

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    Auf den Tag genau 500 Jahre sind es diesen Samstag, dass die damalige Schweizer Eidgenossenschaft Rottweil als „Zugewandten Ort“ und damit quasi als Mitglied anerkannte. Der Bundesbrief regelt Rechte und Pflichten, er spricht von Beistand und Waffenbruderschaft. Die Künste sind kein Thema. Gleichwohl gab es auf diesem Gebiet einen regen Austausch – wie hier im dritten Teil der NRWZ-Reihe zum Jubiläum des „Ewigen Bundes“ gezeigt werden soll.

    Beispiel für Rottweiler Kunst in der Schweiz: Die Passionstafel „Christus und Veronika“ von Johann Achert für das Kollegium St. Michael in Fribourg, entstanden um 1693 (Ausschnitt). Foto: Stadtarchiv Rottweil

    Das früheste Beispiel ist zugleich schon das prominenteste: Der um das Jahr 1400 wohl in Rottweil geborene Konrad Witz siedelte 1431 mit seiner Familie nach Basel. Dort erhielt er im Kontext des Basler Konzils (1431-1449) zahlreiche Aufträge.

    Eine aus berühmten Sammlungen beschickte Werkschau des Kunstmuseums Basel illustrierte 2011 eindrucksvoll, dass Witz zu den bedeutendsten deutschen Künstlern des 15. Jahrhunderts gezählt werden kann. Am Übergang vom Spätmittelalter zur Neuzeit übernahm er eine wichtige Pionierfunktion. Witz verstand es nicht nur, virtuos Stilelemente der Renaissance wie die Zentralperspektive sowie eine effektvolle Dramaturgie von Licht und Schatten einzusetzen. Dem „Meister Konrad von Rotwil“ gelang in einem für die damalige Zeit bemerkenswerten Realismus erstmals nördlich der Alpen die präzise Erfassung und Darstellung konkreter Landschaften – was dem „deutsch-schweizer Meister“, wie er in Fachlexika oft charakterisiert wird, einen festen Platz in der Kunstgeschichte sicherte.

    Zum vorrangigen Feld für den künstlerischen Austausch zwischen Rottweil und der Eidgenossenschaft wurde im 16. Jahrhundert die Glasmalerei. Zu festlichen Anlässen wurden häufig kunstvolle Scheiben aus Glas verschenkt, die oft das Wappen des Stifters trugen. Wie Alt-Stadtarchivar Dr. Winfried Hecht gezeigt hat, war in Rottweil mit Martin Pfender damals ein tüchtiger Glasmaler tätig, aus dessen Werkstatt etliche Wappenscheiben an die eidgenössischen und zugewandten Orte geliefert wurden.

    Für die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs ist mit Blick auf den künstlerischen Austausch der Fall des Goldschmieds Hans Kasper Schlee bemerkenswert. 1637, vier Jahre nachdem Rottweil erstmals in seiner Geschichte hatte kapitulieren müssen und zudem von der Pest, Missernten und Plünderungen heimgesucht worden war, wanderte er in das Gebiet von Luzern aus.

    Dort erhielt Schlee zahlreiche Aufträge. Bis heute gelten, wie Winfried Hecht darlegt, seine Mon­stranzen, Kelche und Schmuckarbeiten als Spitzenleistungen der frühbarocken Goldschmiedekunst in den Kantonen rings um den Vierwaldstätter See.

    Als ähnlich produktiv erwiesen sich Aufenthalte des Rottweiler Barockmalers Johann Achert (um 1655-1730) im helvetischen Raum. Möglicherweise unter Vermittlung der Rottweiler Jesuiten schuf er in Freiburg im Üchtland für die dortige Franziskanerkirche eine monumentale Altartafel. Darüber hinaus besitzt die Stadt bis heute einen fünfteiligen Passionszyklus Acherts, zwei Darstellungen der Kreuzigung sowie ein Gemälde von Joseph und Jesus als Knaben. Achert hinterließ in der Schweiz freilich noch mehr. Für die Wallfahrtskapelle von Posat im Kanton Fribourg etwa schuf er einen ganzen Rosenkranz-Zyklus.

    Etwa zur selben Zeit, um 1696/97 malte Johann Georg Glückher (1653-1731) für den Dom in Arlesheim einen zwölfteiligen Zyklus. Und für die Hochrhein-Klöster St. Katharinental und Rheinau war der etwas jüngere Adam Bertsche tätig, Rottweils wichtigster Barockbildhauer.

    Mit Blick auf das 18. Jahrhundert sind zumindest zwei bedeutende künstlerische Verbindungen hervorzuheben. Zum einen schmückte Joseph Wannenmacher (1722-1780) sowohl die heutige Bischofskirche in St. Gallen als auch die Rottweiler Dominikanerkirche mit prächtigen Fresken. Zum andern belebte der in Dunningen geborenen Bildhauer und Maler Landolin Ohnmacht (1760-1834) die Beziehungen zur Schweiz. Ohnmacht, der seine Ausbildung auf Kosten des Rottweiler Magistrats genossen hatte, besuchte die Eidgenossenschaft 1787 und 1788. In Zürich lernte er Johann Kaspar Lavater kennen, der mit Forschungen zu Gesichtszügen und Körperformen Prominenz erlangt hatte. Es war der Beginn einer Freundschaft, aus der bedeutende Arbeiten Ohnmachts in der Schweiz hervorgingen.

    An dem berühmten Bildhauer lässt sich auch ablesen, welchen Bruch die 1789 durch die Revolution in Frankreich und die Napoleonischen Kriege bis 1815 angestoßene Umwälzung für die Stadt bedeutete. Zwar wurde Ohnmacht Ehrenbürger Rottweils. Aber nachdem die Stadt 1802 ihren Status als Reichstadt verloren hatte und zur Oberamtsstadt abgesunken war, verließ er sie. Die neuen, vorgeblich so modernen Grenzen schränkten den Austausch mit der Schweiz erheblich ein – auch den künstlerischen.

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    Auf den Tag genau 500 Jahre sind es diesen Samstag, dass die damalige Schweizer Eidgenossenschaft Rottweil als „Zugewandten Ort“ und damit quasi als Mitglied anerkannte. Der Bundesbrief regelt Rechte und Pflichten, er spricht von Beistand und Waffenbruderschaft. Die Künste sind kein Thema. Gleichwohl gab es auf diesem Gebiet einen regen Austausch – wie hier im dritten Teil der NRWZ-Reihe zum Jubiläum des „Ewigen Bundes“ gezeigt werden soll.

    Beispiel für Rottweiler Kunst in der Schweiz: Die Passionstafel „Christus und Veronika“ von Johann Achert für das Kollegium St. Michael in Fribourg, entstanden um 1693 (Ausschnitt). Foto: Stadtarchiv Rottweil

    Das früheste Beispiel ist zugleich schon das prominenteste: Der um das Jahr 1400 wohl in Rottweil geborene Konrad Witz siedelte 1431 mit seiner Familie nach Basel. Dort erhielt er im Kontext des Basler Konzils (1431-1449) zahlreiche Aufträge.

    Eine aus berühmten Sammlungen beschickte Werkschau des Kunstmuseums Basel illustrierte 2011 eindrucksvoll, dass Witz zu den bedeutendsten deutschen Künstlern des 15. Jahrhunderts gezählt werden kann. Am Übergang vom Spätmittelalter zur Neuzeit übernahm er eine wichtige Pionierfunktion. Witz verstand es nicht nur, virtuos Stilelemente der Renaissance wie die Zentralperspektive sowie eine effektvolle Dramaturgie von Licht und Schatten einzusetzen. Dem „Meister Konrad von Rotwil“ gelang in einem für die damalige Zeit bemerkenswerten Realismus erstmals nördlich der Alpen die präzise Erfassung und Darstellung konkreter Landschaften – was dem „deutsch-schweizer Meister“, wie er in Fachlexika oft charakterisiert wird, einen festen Platz in der Kunstgeschichte sicherte.

    Zum vorrangigen Feld für den künstlerischen Austausch zwischen Rottweil und der Eidgenossenschaft wurde im 16. Jahrhundert die Glasmalerei. Zu festlichen Anlässen wurden häufig kunstvolle Scheiben aus Glas verschenkt, die oft das Wappen des Stifters trugen. Wie Alt-Stadtarchivar Dr. Winfried Hecht gezeigt hat, war in Rottweil mit Martin Pfender damals ein tüchtiger Glasmaler tätig, aus dessen Werkstatt etliche Wappenscheiben an die eidgenössischen und zugewandten Orte geliefert wurden.

    Für die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs ist mit Blick auf den künstlerischen Austausch der Fall des Goldschmieds Hans Kasper Schlee bemerkenswert. 1637, vier Jahre nachdem Rottweil erstmals in seiner Geschichte hatte kapitulieren müssen und zudem von der Pest, Missernten und Plünderungen heimgesucht worden war, wanderte er in das Gebiet von Luzern aus.

    Dort erhielt Schlee zahlreiche Aufträge. Bis heute gelten, wie Winfried Hecht darlegt, seine Mon­stranzen, Kelche und Schmuckarbeiten als Spitzenleistungen der frühbarocken Goldschmiedekunst in den Kantonen rings um den Vierwaldstätter See.

    Als ähnlich produktiv erwiesen sich Aufenthalte des Rottweiler Barockmalers Johann Achert (um 1655-1730) im helvetischen Raum. Möglicherweise unter Vermittlung der Rottweiler Jesuiten schuf er in Freiburg im Üchtland für die dortige Franziskanerkirche eine monumentale Altartafel. Darüber hinaus besitzt die Stadt bis heute einen fünfteiligen Passionszyklus Acherts, zwei Darstellungen der Kreuzigung sowie ein Gemälde von Joseph und Jesus als Knaben. Achert hinterließ in der Schweiz freilich noch mehr. Für die Wallfahrtskapelle von Posat im Kanton Fribourg etwa schuf er einen ganzen Rosenkranz-Zyklus.

    Etwa zur selben Zeit, um 1696/97 malte Johann Georg Glückher (1653-1731) für den Dom in Arlesheim einen zwölfteiligen Zyklus. Und für die Hochrhein-Klöster St. Katharinental und Rheinau war der etwas jüngere Adam Bertsche tätig, Rottweils wichtigster Barockbildhauer.

    Mit Blick auf das 18. Jahrhundert sind zumindest zwei bedeutende künstlerische Verbindungen hervorzuheben. Zum einen schmückte Joseph Wannenmacher (1722-1780) sowohl die heutige Bischofskirche in St. Gallen als auch die Rottweiler Dominikanerkirche mit prächtigen Fresken. Zum andern belebte der in Dunningen geborenen Bildhauer und Maler Landolin Ohnmacht (1760-1834) die Beziehungen zur Schweiz. Ohnmacht, der seine Ausbildung auf Kosten des Rottweiler Magistrats genossen hatte, besuchte die Eidgenossenschaft 1787 und 1788. In Zürich lernte er Johann Kaspar Lavater kennen, der mit Forschungen zu Gesichtszügen und Körperformen Prominenz erlangt hatte. Es war der Beginn einer Freundschaft, aus der bedeutende Arbeiten Ohnmachts in der Schweiz hervorgingen.

    An dem berühmten Bildhauer lässt sich auch ablesen, welchen Bruch die 1789 durch die Revolution in Frankreich und die Napoleonischen Kriege bis 1815 angestoßene Umwälzung für die Stadt bedeutete. Zwar wurde Ohnmacht Ehrenbürger Rottweils. Aber nachdem die Stadt 1802 ihren Status als Reichstadt verloren hatte und zur Oberamtsstadt abgesunken war, verließ er sie. Die neuen, vorgeblich so modernen Grenzen schränkten den Austausch mit der Schweiz erheblich ein – auch den künstlerischen.

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