Lob für die Verwaltung, aber auch Kritik und Anregungen: Der Haushalt der Stadt Rottweil wurde im Gemeinderat einstimmig angenommen. Erträge von 78,54 Millionen stehen im Ergebnishaushalt Aufwendungen von 78,9 Millionen gegenüber – ein Fehlbetrag von 362.000 Euro. Dennoch kann kräftig investiert werden, auch ohne Schulden zu machen. Die Pro-Kopf-Verschuldung bleibt bei Null. Allerdings schmilzt das Vermögen der Stadt kräftig.
Die zwei Fraktionssprecher und drei Sprecherinnen legten die Finger auf verschiedene Punkte, die sie in der Zukunft anders haben wollen. Das ist zum einen der Bau von Wohnungen, zum anderen die Schaffung von neuen Stellen. Hier zeichneten sich vor allem künftige Diskussionspunkte ab.
SPD+FfR
Für die größte Fraktion sprach Elke Reichenbach, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Für sie ist es unumgänglich, „mehr Personal ins Rathaus zu holen, … wenn auch die Finanzierung Mühe bereitet und Einsparungen an anderer Stelle unumgänglich macht.“ Und: „Wo genau wie sparen müssen, um unser finanzpolitisches Leitbild möglichst rasch wieder zu erfüllen, kommende Generationen nicht übermäßig mit Schulden zu belasten, das muss uns in der nächsten Klausurtagung beschäftigen. Mit Kleinbeträgen wird es da nicht getan sein.“ Steuererhöhungen schloss sie aus („verbieten sich für uns in der nächsten Zeit“).
Um die Einwohnerzahl von Rottweil (und damit auch die Einnahmen der Stadt) zu erhöhen, sieht sie die Notwendigkeit neuen, bezahlbaren Wohnraums. Aber: „In unseren Augen hat das klassische Wohngebiet mit Einfamilienhäusern allerdings keine Zukunft mehr. Seit Jahren sinkt die Zahl der Einwohner in Rottweil, doch die Stadt wuchert an den Rändern immer weiter aus. Wir plädieren für ein rasches und ernsthaftes Umdenken im Wohnbau, in der Stadtplanung, um der stetigen Zersiedelung entgegen zu wirken. Warum im Moker-Areal oder an der Engelshalde nicht mehr genossenschaftliche Modelle entwickeln, bezahlbare, zukunftsgerichtete Wohnkonzepte für die Familienphase fördern, Senioren den Umzug aus einem zu groß gewordenen Eigenheim in eine attraktive, altengerechte Wohnung schmackhaft machen, Wohngebiete, die in die Jahre gekommen sind, neu planen?“
CDU
Auch die zweitgrößte Fraktion schickte ihre stellvertretende Fraktionsvorsitzende in die Bütt: Monika Hugger. Sie machte darauf aufmerksam, dass für das laufende Jahr durchaus noch ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden könne, nämlich durch den Verkauf von Baugrundstücken. Dieser sei noch nicht eingeplant. Sie schlug dennoch vor, die Ausgaben regelmäßig durch eine Haushaltsstrukturkommission überprüfen zu lassen.
Große Sorgen machte sie sich um die historische Innenstadt. Zum einen ruhe derzeit die Arbeit der City-Managerin (krankheitshalber, wir berichteten). „Hier muss schnellstens neuer Schwung kommen“, forderte sie. Den Umzug eines Kunden Magneten sieht sie so: „Wenn im Frühjahr der Müller Markt von Friedrichsplatz an den Nägelesgraben umzieht, dann sehen wir dies mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Wir freuen uns, auf einen attraktiven Markt mit erweitertem Sortiment im Nägelesgraben, sehen aber gleichzeitig einen weiteren Leerstand in zentralster Lage.“
Hugger wies darauf hin, dass die Stadt in Schulen und Kindergärten gut investiere und auch gut aufgestellt sei. 1,2 Millionen Euro wende die Stadt für Schülerinnen und Schüler aus dem Umlandgemeinden auf – die Sachkostenbeiträge des Landes reichten hierfür nicht aus. Bei den Kindergärten sei die Stadt gut aufgestellt, aber „es wäre wünschenswert und notwendig, dass sich Bund und Land an den Betriebskosten in einem deutlich höheren Umfang als bislang beteiligen. Betreuungsplätze könnten dann günstiger angeboten werden.“
Ein Knackpunkt ist für sie „das Mobilitätskonzept, die Verlagerung des zentralen Umsteigeplatz für den ÖPNV. Die Neugestaltung des Friedrichsplatzes. … Für das Parkhaus wird aktuell nach realisierbaren Lösungsansätzen gesucht. Wir hoffen und wünschen uns, dass ein Kompromiss gefunden wird, der umsetzbar ist und die Situation befriedet. In diesem Zusammenhang müssen wir selbstkritisch feststellen, dass unsere Kommunikation deutlich verbessert werden muss.“
FWV
Für die Freien Wähler sprach deren Fraktionsvorsitzender Dr. Peter Schellenberg. Er hob hervor, dass die Personalkosten einen Höchstwert von 22,6 Millionen Euro erreicht hätten. Acht neue Stellen würden geschaffen, „damit, Herr Walter, wie Sie sagten, die Verwaltung für die Zukunft handlungsfähig bleibt“, redete er den Stadtkämmerer an. Diese Stellen belasteten den Haushalt mit 250.000 Euro. Eine Tarifsteigerung von drei Prozent bedeute zusätzliche Kosten von 600.000 Euro im Jahr. „Wo soll das Geld für die Personalkosten in der Zukunft bloß herkommen?“
Und er gab die Antwort: Durch mehr Einnahmen. Dem Verlust von 170 Einwohnern und dadurch Wenigereinahmen von 570.000 Euro müsse man entgegenwirken, „indem wir neuen Wohnraum schaffen.“ Er dachte vor allem an das stadteigene Breucha-Areal bei der Stadthalle und das Gebiet Hegneberg Nord, „da dort eine große Anzahl an Mehrfamilienhäusern entstehen können, gut geeignet für Familien von Bediensteten der neuen JVA.“
Weitere Entwicklungsmöglichkeiten sieht er im Gebiet des Aquasol. Dazu müsste bald ein neues Schwimmbad gebaut werden. Dann würden Grundstücke frei für Bebauung. Und ein Neubau der Bäder wäre auch ein Beitrag zum Klimaschutz.
Grüne
„Trotz klammer Kasse erwarten uns viele Zukunftsaufgaben und Rekordinvestitionen“, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ingeborg Gekle-Maier. „Bund und Länder haben ein Jahrzehnt der Transformation in den Bereichen Bildung, Betreuung, Digitalisierung, Klimaschutz, Klimaanpassung und Mobilität ausgerufen. Neue Investitionsbedarfe werden entstehen, ambitionierte Programme der neuen Bundesregierung bei Klimaschutz und Digitalisierung und die notwendigen Transformationsprozesse der Wirtschaft werden auch bei uns ankommen. Das können wir nicht aus eigener Kraft stemmen, dafür benötigen wir finanzielle und personelle Mittel von Bund und Land und passgenaue, unkomplizierte Förderprogramme, die uns zeitnah die beantragten Gelder bereitstellen. Damit wir nicht wieder ganze vier Jahre auf einen Förderbescheid warten müssen, wie gerade jetzt bei der Stelle Koordination kommunaler Entwicklungspolitik geschehen.“, kritisierte sie.
Bildung, Betreuung, Digitalisierung, aber vor allem Klimaschutz und Mobilität sieht sich für die kommenden Jahre auf der Tagesordnung. Es brauche „ aus unserer Sicht mehr Tempo beim Klimaschutz als bisher, ein kommunales Leitbild Klimaschutz und die Stelle eines/ einer KlimaschutzmanagerIn.“ Einen Schwerpunkt der kommenden Monate sieht sie in der „Bauwende“: „Tendenziell sollte der energetische Umbau Vorrang vor dem Neubau haben. Dazu müssen Leerstände ermittelt und mobilisiert werden, hilfreich können finanzielle Anreize (Vermieterprämien) sein oder eine kommunale Wohnungstauschbörse: Alte wechseln in kleinere Wohnungen, gefördert durch Umzugsprämien, oder in gemeinschaftliche Wohnmodelle. Gebäude können aufgestockt werden, um einer jüngeren Generation Wohneigentum ohne weitere Flächenversiegelung zu ermöglichen.“
Trotz Corona: „Hoch ziehen könnten uns 2022 aber prickelnde Projekte: wir erwarten im April die Wettbewerbsideen für das Kerngebiet der Landesgartenschau, die Konturen des Mobilitätskonzepts werden bürgerschaftlich in Workshops geschärft und vieles mehr.“
FDP
Kaum im Gemeinderat, schon durfte Harald-Armin Sailer für seine Fraktion die Haushaltesrede halten. Auch er griff die Personalausgaben kritisch auf: „Immer neue Aufgaben, immer mehr Bürokratie, weiter und weiter steigende Ansprüche! Offensichtlich steht jeden Tag auf dieser Welt jemand auf, der eine Idee hat, wie wir etwas besser, serviceorientierter, gerechter, nachhaltiger oder transparenter machen könnten. Und einige dieser Ideen greifen Raum und wollen, sollen oder müssen umgesetzt werden. Gut präsentiert und isoliert betrachtet klingt jede dieser Ideen plausibel, und wir erkennen einen Bedarf, den wir bisher noch nicht mal erahnt haben. Der Bund lockt die Gemeinde mit Fördermitteln, um eine neue Stelle zu schaffen, und wir Stadträtinnen und Stadträte greifen zu. Aber Vorsicht, die neue Aufgabe muss bewältigt werden! Die neue Stelle muss bezahlt werden, selten wird sie wieder abgeschafft. Und schwupps gibt es ein weiteres Preisschild namens Netto-Ressourcenbedarf pro Einwohner. Beim Stellenplan schimpfen wir dann. Wieder neue Stellen? Ein sich bildender Wasserkopf in der Verwaltung wird vermutet. Nein, es sind die Geister die wir selbst gerufen haben! Wir müssen bei allem, was wir tun und bei jeder Stelle, die wir schaffen, oder geschaffen haben, Kosten und Nutzen gegenüberstellen. Das ist oft sehr schwierig, weil sich nicht alles messen lässt… Must have oder Nice to have, das ist hier die Frage.“
Und noch ein Gedanke: „Schulstadt sind wir zum Glück schon, aber Hochschulstadt müssen wir auch werden! Rottweil muss das zarte Hochschulpflänzchen im Neckartal pflegen, eine Erweiterung der HFU in Rottweil, ein Hochschulcampus, wäre der Hit!“