In einem ausführlichen Brief hat sich ein NRWZ-Leser intensiv mit dem Rottweiler Freizeitbad aquasol auseinandergesetzt – und zählt darin Missstände auf, die es seiner Ansicht nach dort gibt. Stichworte: Schließung des Sole-Außenbeckens, Alterserscheinungen des Bades. Es mache keinen Spaß mehr, es zu besuchen, so das Fazit des Lesers. Wir haben den namentlich angesprochenen Verantwortlichen seitens der Energieversorgung Rottweil, Bäderleiter Steven Ulrich, um eine Stellungnahme gebeten, die jetzt vorliegt. Stichworte: Energiekrise, regelmäßige Sanierungen, Neubau. Wir versuchen, Vorwürfe und Antworten in einen Zusammenhang zu bringen.
Vorwurf: „In der Lokalpresse wird seitens Bäderleiter Steven Ulrich immer dargestellt, wie toll das Freibad Rottweil ist und welche Möglichkeiten geschaffen wurden für Frühschwimmer und Familien. Was haben die Stammgäste des aquasols für Möglichkeiten, wenn das aquasol geschlossen ist vom 12.06.2022 bis zum 05.09.2022? Nicht jeder möchte das Freibad nutzen. Insbesondere die vielen (Stamm-)Gäste der Sauna müssen auf andere Saunen in der näheren und weiteren Umgebung um Rottweil ausweichen, um auch und gerade über den Sommer in den Genuss der gesundheitsfördernden Wirkung einer Sauna zu kommen. Spielen die dafür notwendigen Fahrten und damit verbundenen CO2-Emissionen keine Rolle? Was machen Familien mit kleinen Kindern an kühlen und verregneten Sommer(ferien)tagen? Gehen die auch ins Freibad? Ich war letztes Wochenende im Solemar in Bad Dürrheim. Dort trifft man sehr viele Saunagänger, die man sonst im aquasol trifft und die ebenfalls sehr verärgert sind über dessen aktuelle Schließung.“
Antwort: „Die Schließzeit des aquasol wurde in Voraussicht der sich abzeichnenden Versorgungskrise im Bereich Energie bereits im April von der Geschäftsleitung der ENRW getroffen. Die Schließzeit ist angesichts der anstehenden Belastungen und Einsparnotwendigkeiten für alle Bürger zwar bedauerlich, aber notwendig. Der Verzicht auf einen Saunabetrieb im Sommer wird für die Bevölkerung in der kommenden Zeit noch zu den am ehesten hinnehmbaren Einschränkungen gehören. Selbst die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen empfiehlt aktuell in ihrem ‚Leitfaden zur Bewältigung der Energiekrise‚ die Schließung von Saunen über die Sommermonate, um Energieverbräuche zu senken.“
Vorwurf: „Die Besucherzahlen im aquasol sind stark rückläufig. Viel dazu beigetragen hat die Schließung des Sole-Außenbeckens, das für viele Badegäste aber auch Saunagäste ein Highlight war. Warum baggert man das Leck gewordene Becken nicht aus und ersetzt es durch ein neues und eventuell größeres Becken? Dies würde völlig genügen, um die Attraktivität des Bades wieder so zu steigern, dass es wirtschaftlich ist, es über den Sommer ebenfalls geöffnet zu lassen, wie früher. Stattdessen wird vollmundig seitens Bäderleiter in der Lokalpresse verkündet, dass man mittelfristig ein neues Aquasol bauen will. Und bis dahin? Zudem fürchte ich, dass ich das neue aquasol mit meiner statistisch gesehenen Lebenserwartung von ca. 20 Jahren nicht mehr erleben werde.“
Antwort: „Zur baulichen Bewertung des aquasol wurde im Jahr 2021 eine umfassende Studie erstellt. ENRW-Geschäftsleitung, ENRW-Aufsichtsrat und der Rottweiler Gemeinderat haben sich damit intensiv auseinandergesetzt. Ergebnis in den Gremien war die eindeutige Empfehlung, mittelfristig ein neues Bad in Rottweil zu bauen.
Davon betroffen war auch die Schließung des Sole-Außenbeckens. Auch diese Entscheidung ist zwar bedauerlich, vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Versorgungskrise aber richtig und zukunftsgerichtet.“
Vorwurf: „Unter dem früheren Bäderleiter gab es noch Aktionen im aquasol, wie Frühschoppen mit Weißwurstfrühstück und Musik in der Sauna oder lange Badenächte, teilweise mit Disco. Ich hatte gehofft, dass der neue Bäderleiter neue Impulse bringt, die Attraktivität des aquasols erhöht. Stattdessen kamen immer wieder Erhöhungen der Eintrittspreise und immer längere Schließungen, gut, teilweise natürlich auch der Corona-Epidemie geschuldet.“
Antwort: „Unter Leitung von Steven Ulrich, Abteilungsleiter Bäder der ENRW, fanden bislang seit Januar 2018 insgesamt 14 besondere Events in der Sauna statt, hier wären unter anderem zu nennen: bayrischer Frühschoppen mit Livemusik, Tag der Sauna oder Sommergrillen im Saunagarten. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es in der Sauna aufgrund der Coronapandemie und den behördlichen Vorgaben lange Zeit nicht erlaubt war, Veranstaltungen oder ähnliches durchzuführen. Weiterhin war die Sauna aufgrund der Corona-Lockdowns lange Zeit geschlossen.“
Vorwurf: „Warum lässt man nicht wenigstens die Sauna offen für die vielen Stammgäste mit Jahreskarte? Der Personalaufwand wäre meines Erachtens überschaubar. Apropos Personal. In anderen Saunen machen Angestellte nur Aufgüsse und überwachen den Saunabetrieb, andere Angestellte sind nur für die Theke zuständig. Im aquasol geschieht das in Personalunion. Zu Stoßzeiten ein Unding. Wenn man das Personal ordentlich bezahlt und vor allem auch gut behandelt, dürfte man genügend Personal finden.“
Und: „Links vor dem Eingang ins Aquasol sind 2 große Tafeln angebracht. Sinngemäß steht da, dass in den 60er-Jahren das damalige Hallenbad erbaut wurde unter Mithilfe der Bürger Rottweils und in den 80er-Jahren das aquasol umgebaut und erweitert wurde mit Unterstützung des damaligen Solebadfördervereins. Jede Schließung ist ein Schlag ins Gesicht der Unterstützer, wenn auch von denen nicht mehr viele leben dürften. Es ist in Rottweil leider nicht einmal möglich, das Geschaffene, das Erreichte zu erhalten. In den letzten Jahren, Jahrzehnten waren meine Frau und ich bestimmt schon jeder mindestens 20 Mal Besitzer einer Jahreskarte mit Sauna für das aquasol. Ob ich und viele andere Stammgäste jemals noch einmal eine Jahreskarte kaufen, bleibt abzuwarten. Herr Richter hat in einem diesbezüglichen Leserbrief schon die richtige Frage gestellt, sinngemäß: „Und am 05.09. sollen wir alle brav wieder ins aquasol gehen?“
Antwort: „Während der Schließzeit des aquasols finden und fanden in den vergangenen Jahren wichtige Instandhaltungsarbeiten statt, die nach Wiedereröffnung die Aufenthaltsqualität erhöht haben und erhöhen.“
Ja, klar. Man hat alles schon vorausgesehen und daher traumwandlerisch in die Zukunft blickend alles richtig gemacht.
Solebecken: Das habe ich eh nicht kapiert. Dieses Becken liegt außerhalb des Gebäudes und kann daher von diesem weitgehend separat betrachtet werden.
Sauna: Die läuft mit Strom. Im Haus ist zwar ein Gas BHKW, ich gehe aber davon aus, dass das Aquasol trotzdem am Netz hängt, also den üblichen Strommix bezieht. Als wird dort „ganz normaler“ Strom verheizt. Seit Jahren bekomme ich erzählt, dass wir genug Strom haben. Wäre dem nicht so, würde Habek doch sofort die Verlängerung der AKW Laufzeit angehen. Tut er aber nicht, also kann da doch gar kein Engpass drohen. ;-)
Ein großer Saunaofen dürfe grob geschätzt soviel Strom ziehen, wie ein an der normalen Wallbox ladendes E-Auto. Wenn das schon zuviel ist, sollte man evtl. auch Fahrverbote für E-Autos in Spiel bringen.
Neubau: Wir warten also erstmal bis zweite Hälfte des Jahrzehnts. Oh – dann ist ja Gartenschau. Ok, machen wirs hinterher. Dann wird daraus so eine Turbonummer wie mit der Hängebrücke und Schwupps: 2035 haben wir ein neues Bad. Bis dahin legen wir einfach alles still, was kaputt geht und eine Investition erforden würde. So ab 2032 kann man dann halt nur noch am Rand des leeren Beckens ein paar Pommes essen. Aber das hat ja auch was. Bis dann 2033 die Fritteuse kaputt geht.
Was will ich damit sagen: Herr Ulrich pickt sich alles raus, was ihm gerade in den Kram passt, um die m.E. auf andere Weise entstandene Situation zu rechtfertigen und sich obendrein als weitblickenden Weltretter darzustellen. Ok, vielleicht ist er das ja. Ich nehme es ihm jedenfalls nicht ab. Das in u.a. Kommentar genannte „Blabla“ kam mir spontan auch in den Sinn.
Dieses Statement passt für mich nahtlos in die Reihe der in Teilen mißglückten, eigenwilligen aber beratungsresistent beibehaltenen und als das einzig Wahre verkaufte Umsetzung der Corona Massnahmen im Freibad 2020/21.
Wenn ich in die Zukunft blicke, wird Energie teuer bleiben. Sie war das letzte Jahrzehnt auch (zu) billig, weil man (Deutschland) nicht bereit war, die Risiken des billigen Gases zu sehen und zumindet einen Teil der Einsparung in die Erschließung weiterer Lieferkanäle zu investieren.
Die Frage ist daher berechtigt, wie sinnvoll oder gar politisch korrekt es ist, ganzjährig ein Außenbecken mit >30° zu beheizen. Nur habe ich von diesem Aspekt, als es 2021 um die Schließung bis nach dem Neubau ging nichts gelesen.
Anderes Thema, aber dazu würde ich gerne ein ähnlich engagiertes Statement der ENRW hören: Aus einer länger zurückliegenden Besichtigung habe ich in Erinnerung, dass es im BHKW für den Fall des Ausfalls der Gasmotoren auch Gasbrenner gab, um zumindest die Wärmeversorgung aufrecht zu erhalten. Sind das reine Gasbrenner oder Zweistoffbrenner, welche auch mit Öl betrieben werden können. Falls ja: Gibt es einen Notfallplan, um diese Option ggf. auch nutzen zu können.
H. Arnegger, vielleicht möchten Sie die Frage ja aufgreifen.
Keine einzige Antwort bringt uns neue Erkenntnisse oder sonst irgendwie weiter. Frei übersetzt sagt der Bäderleiter also: „Wir schei… auf unsere Kunden und verstecken uns hinter Geschäftsführung und leerem Blabla“.
So sieht Kundenservice aus. Für mich war es jedenfalls auch die letzte Jahreskarte. Die letzten 3 Jahre haben mir gezeigt, dass Herr Ullrich auf meine Anwesenheit pfeift.
In der Tat, hier wäre ein professioneller Pressesprecher vonnöten gewesen, denn das von sich Gegebene reicht allenfalls zum Einsatz in einem zünftigen „Bullshit-Bingo“. Nichts Neues, Corona, Krieg, Versorgungskriese, usw., wenn man in der Zeitschiene schon so flink hin und her hüpft und frühere Entscheidungen mit heutigem Sachstand rückwirkend verknüpft, dann sollte man schon sehr genau wissen was man tut, andernfalls geht es schief, so wie hier. So wie das aussieht, kann ich meine Zehnerkarte wohl endgültig brennend über den Zaun werfen, dann gibt sie wenigstens zur Adventszeit noch ein beschaulich Licht.