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Kinder misshandelt: Eltern knicken vor Gericht ein und ziehen Berufung größtenteils zurück – dennoch Haftstrafe für ihn

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Zu Hause sollten Kinder sicher sein. Was aber, wenn die Eltern, die offenkundig ihr eigenes Leben nicht in den Griff bekommen, übergriffig werden? Sie brutal schlagen, dabei verletzen? Wenn die Kinder den entsprechenden Mut besitzen, dann kann es zu einem Gerichtsverfahren kommen, wie jetzt in Rottweil. Eine Frau und ein Mann werden angeklagt, zwei ihrer acht Kinder schwer misshandelt zu haben. Es ist Runde zwei, denn gegen die vom Amtsgericht Rottweil im vergangenen Jahr ausgesprochenen Haftstrafen haben die beiden, die unter anderem in Lauterbach gewohnt haben, Berufung eingelegt. Dennoch kommt es nicht zu einem weiteren, hauptsächlich für die heute volljährigen Kinder belastenden Prozess.

Update: Das Landgericht hat nun diesem Berufungsprozess geurteilt. Der 50-Jährige wurde zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Die 42-jährige Frau einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Zudem hat sie 180 Tage gemeinnützige Arbeit zu leisten. Ihr wurde ein Kontaktverbot zu ihren beiden klagenden Kindern auferlegt, Dauer: drei Jahre.

Am ersten Prozesstag zeigt die Justiz Präsenz. Beide Angeklagten, ein 50-Jähriger und eine 42-Jährige, werden von einer Wachtmeisterin und Wachtmeistern der Justiz gefilzt, bevor sie den Sitzungssaal betreten können. Er erscheint im gestreiften, übergroßen Hemd, sie in einer hellen Jeansjacke. Er hält den Blick hoch, sie schaut interessiert. Sie reden nicht miteinander. Er, eine Krücke in der Hand, wie zur Schau gestellt, schaut immer wieder herausfordernd hinüber von der Anklagebank zum Staatsanwalt. Dieser kann das ab, ist ein alter Hase im Justizbusiness.

Sie sollen zwei ihrer insgesamt acht Kinder geschlagen haben, sind deshalb vom Amtsgericht Rottweil vergangenes Jahr zu Freiheitsstrafen verurteilt worden, er zu knapp drei Jahren Haft, sie zu zwei auf Bewährung. Dagegen haben sie Berufung eingelegt, deshalb sollte der Fall vor dem Rottweiler Landgericht neu aufgerollt werden. Ihnen beiden, die häufig umzogen, wird vorgeworfen, im Zeitraum zwischen Anfang 2015 und Ende 2020 in vier Fällen die Kinder – einen 2002 geborenen Sohn der Angeklagten und eine 2004 geborene Tochter der Angeklagten – in der elterlichen Wohnung geschlagen zu haben. Sie sollen sie mit einem Messer bedroht, misshandelt und teils auch verletzt haben. Einmal mit einer Eisenstange. Die vermeintlichen Verfehlungen der Kinder: geraucht zu haben – wofür der Sohn laut Anklage unter Zwang eine fast volle Schachtel Zigaretten in einem Zug leer rauchen musste. Oder ein Handy besessen zu haben, was die Eltern massiv auf die Palme trieb.

Für die neuerliche Verhandlung vor dem Landgericht war vorgesehen, die vorgeworfenen Fälle erneut, wie schon vor dem Amtsgericht, abzuarbeiten. Daher hätten die früheren Kinder also ein zweites Mal aussagen müssen. Denn die Angeklagten schweigen beharrlich zu den Vorwürfen. Schon vor dem Amtsgericht sagte der Mann nichts, sie dagegen sagte viel – allerdings nicht zu den Vorwürfen. Und heute? Eine Verständigung kam zunächst nicht zustande, der Staatsanwalt blockierte das. Bei einer Verständigung bieten eigentlich beide Seiten etwas an, um gemeinsam zu einem Kompromiss zu kommen. Im Falle des Angeklagten wäre das ein Geständnis gewesen – zu dem dieser anfänglich nicht bereit war. Er wollte nur sein Strafmaß reduzieren, um Bewährung bekommen zu können, um nicht in den Knast zu müssen. Dazu war der Staatsanwalt, der alte Hase, nicht bereit.

Besprechungspause. Die fand statt in Form einer halbstündlichen Beratung zwischen dem Angeklagten und seinem Rechtsanwalt. Und dann die Überraschung: „Mein Mandant räumt die Tatvorwürfe in vollem Umfang ein.“ Und: „Für meine Mandantin gilt das Gleiche.“ Das erklärten die Anwälte der beiden Eltern. Sie wollten die Berufung damit auf die Rechtsfolgen einschränken – also auf das Strafmaß. Das bedeutet: Die Opfer, die die beiden misshandelt haben, müssen nicht mehr vor Gericht über die Schläge, die Misshandlungen berichten. Das wäre am Donnerstag gewesen. Und es hätte für sie eine psychische Belastung dargestellt, hieß es vor Gericht. Dafür, dass sie nicht aussagen müssen, machte sich ihre Rechtsanwältin als Nebenklagevertreterin stark.

Nun kamen verschiedene Ideen auf. Soll nur noch der aktuell beide Kinder behandelnde Therapeut zu den Langzeitfolgen gehört werden? Oder sollen Videovernehmungen der beiden, die die Polizei vor zwei Jahren angefertigt hat, abgespielt werden? Man einigte sich darauf, dass die Kinder Anfang November zu den Folgen der Taten vernommen werden. Und nur dazu.

Weil es nicht mehr um die Taten selbst ging, konnte die Mutter unwidersprochen Sätze sagen wie: „Ich werde alles für meine Kinder tun.“ Es sind acht an der Zahl, mit dem mitangeklagten Mann hat sie sechs, er selbst hat insgesamt elf. Zum ältesten Sohn, der sie angezeigt hat, der als Kind zum Rauchen gezwungen wurde, besteht kein Kontakt mehr. „Ich weiß, dass er eine Tochter hat“, sagte seine Mutter.

„Mutter verloren, Vater verloren, die Schwester, gestern die Tante.“ So schilderte der heute 50-jährige Angeklagte sein Leben. „Wir wollten eine große Familie gründen. Das haben wir auch getan.“ Das habe manchen nicht gefallen. „Aber wir waren glücklich, wir sind glücklich.“ Heute bekämen die Kinder „alle Liebe dieser Welt.“ Er aber sei seit vielen Jahren schwer krank. In Behandlung sei er seit 2005, benötige Antidepressiva und starke Schmerzmittel, könne kaum mehr gehen. Sie lebten von seiner Erwerbsminderungsrente, ihrem Kindergeld und ihrer Sozialhilfe. Eine Ausbildung machte er nie. Und ein unbeschriebenes Blatt ist er auch nicht. Er ist wegen Beleidigung, Bedrohung, gefährlicher Körperverletzung und Diebstahls vorbestraft. Zudem wegen Nötigung, Straßenverkehrsverletzung und Trunkenheit im Verkehr. Und Einkommenssteuerhinterziehung. Und Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Noch zu D-Mark-Zeiten hat er den neuen Liebhaber seiner damaligen Frau angegriffen. Gemeinsam mit seinem Bruder. Im Gefängnis saß er noch nie. Das droht jetzt.

Am 6. November wurden nun die Kinder der beiden gehört. Das Gericht wollte wissen, wie es ihnen heute geht, wie stark die Taten noch nachwirken. Von den eigentlichen Misshandlungen mussten sie nicht mehr berichten.

Hilfe für von Häuslicher Gewalt Betroffene

Die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes hat eine Internetpräsenz eingerichtet und gibt dort unter anderem Tipps zum Verhalten bei Häuslicher Gewalt und zu den Möglichkeiten des Opferschutzes. Auf den Seiten sind umfangreiche und detaillierte Informationen, Verhaltenstipps und Kontakte zu finden.

Auch die Opferschutz-Organisation Weisser Ring hält viele Ratschläge und Informationen bereit. Der Weisse Ring bietet eine telefonische Hilfe sowie direkte Kontake zu geschulten Menschen vor Ort. Außerdem ist eine anonyme Onlineberatung eingerichtet.

 

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