Keine Zeit zum Boxen: Stadtschreiberin Sperling geht preisgekrönt

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Als schöne, produktive Zeit wird sie ihr Vierteljahr in Rottweil in Erinnerung behalten, sagt Stadtschreiberin Ika Sperling, die am 12. Dezember verabschiedet wird. Vermissen wird sie das Gemeinschaftsleben im Konvikt. Und sie bedauert, dass sie nicht mehr vom Rottweiler Kulturleben mitgenommen hat.

Denn das findet sie, wie die 27jährige im Gespräch mit der NRWZ durchblicken lässt, ziemlich beeindruckend. „Für die Größe von Rottweil ist hier voll viel los!“, resümiert sie begeistert. In Hamburg, wo die aus Rheinhessen stammende Ika Sperling länger gewohnt hat, gebe es zwar jeden Abend hundert Angebote. „Aber dann bleibt man doch zu Hause“, fasst sie ihre paradoxe Beobachtung zusammen.

Anders in Rottweil: „Da gibt es eine Sache – und es gehen alle hin“, freut sich Sperling. Besonders ins Kino hat es sie regelmäßig gezogen. „Die machen ein super Programm“, findet die 22. Stadtschreiberin. Das will schon ein bisschen etwas heißen: Denn die 26-jährige hat einen ausgeprägten Sinn für die Kraft der Bilder, die visuelle Dimension des Erzählens, die im Kinogenre ja zentral ist.

Schließlich ist Ika Sperling Grafikerin und Comicautorin. Sie erzählt ihre Geschichten nicht vor allem mit Buchstaben und Text, sondern mit einer Abfolge von Bildern. Geschult hat sie diese Technik, die unter dem Label „Graphic Novel“ in den vergangenen Jahren auch im deutschsprachigen Raum enorm an Popularität gewonnen hat, bei einem Illustrations-Studium in Hamburg.

Junge Interessierte

Ihre Talente hat die Stadtschreiberin in Rottweil seit September nun vielfach eingebracht – nicht zuletzt in der Schreibwerkstatt, in der Stadtschreiber traditionsgemäß mit jungen Leuten an Erzählideen feilen. Diesmal waren es sehr junge Interessierte: In der stabilen Kerngruppe vor allem Elfjährige, wie Sperling berichtet. Auch wenn sie für eine andere Alterskohorte geplant hatte: „Es sind schöne grafische Essays entstanden“, erzählt die Comickünstlerin zufrieden.

In ihrer übrigen Zeit saß sie ziemlich viel am Schreibtisch, berichtet Sperling. Und in der Rückschau kommt ihr das fast ein bisschen seltsam vor. Aber die Feinpolitur an ihrer ersten Graphic Novel und die handschriftlichen Textelemente, das „Handlettering“, wie es im Fachjargon heißt, erforderten viel Sorgfalt. Immerhin: Das Rottweiler Literaturstipendium schuf dafür den Freiraum.

Literaturpreis

Und der Aufwand hat sich gelohnt! „Der große Reset“, wie Ika Sperlings Buch über das Abdriften in Verschwörungs-Strudel betitelt ist, wurde schon vor Erscheinen prämiert: Am Montag hat sie, nach abenteuerlicher Bahn-Anreise, den Hamburger Literatur-Preis in Empfang genommen.

Stressig sei das ganze Drumherum gewesen, berichtete sie der NRWZ. Aber der Preis gibt enormen Auftrieb. Für den hoch dotierten Berthold Leibinger Comicbuchpreises war sie jüngst auf der Shortlist. Den hat zwar nun ein anderer bekommen. Doch schon die Nominierung bringt Renommée.

Sie will wiederkommen

Jedenfalls bleiben das Finalisieren des Buches und die Preis-Freude eng mit ihrer Stadtschreiberzeit verbunden. So wie Ika Sperling aller Voraussicht nach auch mit Rottweil. Denn dass sie zum Beispiel zur nächsten Fasnet kommen wird, steht außer Frage, wie sie lachend zu Protokoll gibt.

Bei einem Spaziergang im Neckartal entstand unter anderem diese Skizze. Foto: Ika Sperling

Vielleicht kann sie dann auch die eine oder andere Erkundung in der Stadt nachholen, die sie noch nicht umsetzen konnte. Die Prioritäten hat Ika Sperling mit der Arbeit an ihrem Buch jedoch sicher richtig gesetzt – vor allem so, wie es der Idee des Stadtschreiber-Stipendiums entspricht. Das Kickbox-Training, das sie in Rottweil fortsetzen, aber nur einmal machen konnte, lässt sich auch andernorts wieder intensivieren.

Info: Ika Sperling wird am 12. Dezember um 19.30 Uhr im Zimmertheater verabschiedet.  Interessierte sind laut Kulturamt herzlich eingeladen, der Eintritt ist frei.

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