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    „Keine Migrationspolitik von unten“: Stadt Rottweil will kein „Sicherer Hafen“ für Geflüchtete sein

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    Der Antrag ist schon ein paar Monate alt, er stammt aus dem Mai: Die Fraktion SPD+FFR forderte damals die Stadt Rottweil zur Beteiligung am Bündnis „Sicherer Hafen“ auf. Nun soll die Entscheidung darüber fallen. Ablehnend.

    140 Kommunen in Deutschland hatten sich damals dem Bündnis „Sicherer Hafen“ angeschlossen und damit ihre Bereitschaft erklärt, Flüchtlingen an der griechisch-türkischen Grenze und in Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln zu helfen, schrieb die Gemeinderatsfraktion im Mai an die Stadtverwaltung. Inzwischen sind es 169. Sieben Städte, darunter auch Rottenburg, hätten zudem Anfang März 2020 von der Bundesregierung Schritte zur Aufnahme von Kindern aus den griechischen Flüchtlingslagern gefordert.

    „Die Situation der Flüchtlinge ist nach wie vor bedrückend, wenn auch zurzeit in den Medien kaum präsent“, schrieben Elke Reichenbach (FFR) und Arved Sassnick (SPD) damals. Moria hatte da noch nicht gebrannt. Sie beantragten, dass sich Rottweil aus christlich-humanitären Gründen dem Aktionsbündnis „Sicherer Hafen“ anschließt und sich damit mit Menschen auf der Flucht und den Zielen der Seenotrettung solidarisch erklärt. In einem späteren Schritt sollten gemeinsam mit Partnern vor Ort konkrete Hilfsmöglichkeiten in Rottweil erarbeitet werden.

    Einen Beitritt zum Bündnis lehnt die Stadt Rottweil in ihrer Gemeinderatsvorlage für die Sitzung am kommenden Mittwoch allerdings ab. Vielmehr bittet sie den Gemeinderat eine Resolution zu beschließen, wonach „die Stadt Rottweil aus christlicher-humanitärer Haltung heraus ihre Solidarität mit dem Bündnis ‚Sicherer Hafen‘ hinsichtlich der Notwendigkeit bekundet, eine schnelle Lösung für die Geflüchteten auf den griechischen Inseln und den aus Seenot Geretteten herbeizuführen.“

    Außerdem möge der Gemeinderat die Verwaltung beauftragen, an die Bundesregierung ein Schreiben zu verfassen, mit der dringenden Bitte, die Rechtsvoraussetzungen für eine direkte kommunale Flüchtlingsaufnahme zu schaffen. Wenn diese Voraussetzungen geschaffen sind, solle die Verwaltung beauftragt werden, mit dem Land Gespräche aufzunehmen, um die konkrete Zusammenarbeit hinsichtlich der Umsetzung der Aufnahme abzustimmen.

    Der Hintergrund: Eine direkte Aufnahme von Geflüchteten sei nach derzeitigem Rechtsstand nicht möglich, so die Stadtverwaltung in ihrer Begründung. Sie zitiert das Landratsamt:

    Die Entscheidung über die Aufnahme von Flüchtlingen ist nicht vom Schutzbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie umfasst, weil es sich nicht um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handelt. Die Auswirkungen einer Aufnahme von Flüchtlingen lassen sich nicht auf das Gebiet der aufnehmenden kommunalen Gebietskörperschaft beschränken, sondern würden Deutschland im Ganzen betreffen.

    Landratsamt Rottweil Vorlage Nr. 98/2020

    Die internationale Bewegung „Seebrücke – schafft sichere Häfen“ hat sich 2018
    gegründet. Nach eigenen Angaben solidarisiert sich die Bewegung mit flüchtenden Menschen und fordert von der europäischen und deutschen Politik sichere Fluchtwege, die Entkriminalisierung der Seenotrettung sowie eine menschenwürdige Aufnahme geflüchteter und fliehender Menschen. Die Seebrücke engagiert sich dafür, dass sich Städte und Gemeinden zum „sicheren Hafen“ erklären.

    Die Stadt Rottweil unterstützt nach eigenen Angaben den Kerngedanken der Bewegung „Seebrücke – schafft sichere Häfen“, Geflüchteten zu helfen, die aus S enot gerettet wurden und auch einen Beitrag zu leisten zur Behebung der katastrophalen Zuständen auf den griechischen Inseln. Die Forderungen der Seebrücke seien allerdings sehr differenziert und teilweise weitreichend, weshalb von einer pauschalen Zustimmung zum Antrag der Fraktion SPD+FFR abgesehen wird. Dennoch empfiehlt die Verwaltung, dass die Stadt Rottweil ihre Verantwortungsbereitschaft zum Ausdruck bringt. So wird vorgeschlagen, öffentlich Solidarität zu bekunden mit Menschen auf der Flucht und den Zielen der Seebrücke. Dies könne der Bewegung Seebrücke mitgeteilt werden.

    Ein Beitritt zum Bündnis „Sicherer Hafen“ solle aber nicht erfolgen, da eine
    „Migrationspolitik von unten“ nicht im Interesse der Stadt Rottweil sei.

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    Das interessiert diese Woche

    Peter Arnegger (gg)
    Peter Arnegger (gg)
    … ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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    Beate Kalmbach
    4 Jahre her

    Sich solidarisch erklären mit denen, die sich solidarisch erklärten, ohne wirklich solidarisch aktiv sein zu wollen. Was soll das denn? Zumal Beitritte ohnehin – bei allen ´sicheren Häfen´ – leider – bloße Absichtserklärungen sind – die Aufnahme von Flüchtlingen fällt nicht in kommunale Verantwortung. Es ist ein Zeichen – das hier also nur halbherzig gezeigt werden soll. Wer hat sich denn so was ausgedacht?
    Schade.
    https://beatekalmbach.home.blog/2020/07/23/ueber-inseln-und-haefen-und-den-einen-grossen-traum-vom-leben-im-gruenen/