Das Tischtuch ist völlig zerschnitten. Seit Sommer vergangenen Jahres kommunizieren die beiden Damen nur noch über ihre Anwälte. Jetzt, für 19. März steht fest: Die bisherige Wirtin im Naturfreundehaus Jungbrunnen bei Rottweil gibt auf und geht. Ins bayerische. Darüber zeigt sich die Vorsitzende der örtlichen Naturfreunde erleichtert. Schön für NRWZ-Leser: Beide Frauen äußern sich ausgiebig gegenüber der Presse.
Es kann das vorläufige Ende eines monatelangen Streits werden. „Ab Montag, 19. März bleibt die Gaststätte bis auf weiteres geschlossen“, heißt es per Aushang am Naturfreundehaus Jungbrunnen. Barbara Niemann, die Pächterin, gibt auf. „Wir gehen nach Bayern“, sagt sie im Telefongespräch mit der NRWZ über sich und ihren Lebensgefährten. „Dort werden wir mit offenen Armen empfangen.“
Liebe Freunde und Freundinnen des NFH Jungbrunnen, liebe Gäste, liebe Besucher,
wir verlassen wegen gewisser und für uns unzumutbarer Umstände den Jungbrunnen und schließen das Haus und die Gaststätte ab dem 19.03.2018.
Ganz herzlich bedanken wir uns bei allen Gästen und Freunden für ihre Besuche und Treue.
… wird der Anzeigentext in der kommenden NRWZ lauten.
Die Zustände vor Ort seien nicht mehr tragbar gewesen, so Niemann weiter. Der Weg zum Haus, etwa: verschlammt und von schweren Maschinen zerstört. Hier fühlt sie sich von der Stadtverwaltung im Stich gelassen. Tobias Hermann, Pressesprecher der Stadt, verweist auf Nachfrage der NRWZ darauf, dass es sich jedenfalls bei der Verbindung zwischen Göllsdorf und dem Naturfreundehaus um einen forstwirtschaftlich genutzten Waldweg handele. Der könne – auch angesichts der jeweiligen Witterung – durchaus mal durch Forstarbeiten in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Der Forst aber sei wiederum verpflichtet, die Schäden anschließend zu beseitigen und komme dem auch nach.
Schwerer aber dürfte wiegen, dass sich Niemann von der Naturfreunde-Ortsgruppe im Stich gelassen fühlt, die auf Abstand zu ihr gegangen sei. So habe diese als ihr Verpächter den Vertrag gekündigt. Warum? Die Antwort bleibt Niemann schuldig. Sie verweist auf die Vereinsführung, die sich ihrer Ansicht nach mit diesem Schritt alleinige Macht sichern wolle.
Die NRWZ fragt bei dieser Vereinschefin nach. Es ist Gisela Burger aus Villingendorf. Es stimme: Der Pachtvertrag für die Gaststätte im Jungbrunnental ist auf Ende vergangenen Jahres gekündigt worden. Jetzt stehe die Räumungsklage an, sagt sie weiter.
Burger erklärt, das Gasthaus sei keine Wandergaststätte mehr, sei nicht familien- und kinderfreundlich ausgelegt gewesen. „Überall hängen Verbotsschilder.“ Stimmt: So ist etwa von außen gut sichtbar die Mitnahme von Hunden ins Haus untersagt. „Aber die Katzen der Pächterin dürfen selbst in die Küche“, erzählt Burger.
Sie berichtet weiter von abgelehnten Gruppen, die eine günstige Übernachtungsgelegenheit gesucht hätten. Und das mit dem Hinweis, dass sich die Bewirtung nicht rechnen werde. Das stehe in einem krassen Widerspruch zum Zweck der etwa 700 Naturfreundehäuser in Deutschland. „Mit günstigen Übernachtungsmöglichkeiten und vielfach in Naturschutzgebieten gelegen, sind sie gute Beispiele für gelebten sanften Tourismus in Deutschland. Naturfreundehäuser stehen allen Menschen offen, Mitglieder erhalten Ermäßigungen“, heißt es seitens des Naturfreunde-Bundesverbands über die Einrichtungen.
Die Preisgestaltung in dem Haus zwischen Göllsdorf, Feckenhausen und Zepfenhan sei zudem nicht angemessen gewesen. Burger ist es wichtig, dass sich im Haus Jungbrunnen auch Gruppen selbst verpflegen können. Das sei nicht mehr gewährleistet gewesen, sagt sie.
„Es ist eine Frage der Hausführung“, sagt Burger. Und lässt anklingen, dass die bisherige Pächterin es habe an der Gastfreundschaft mangeln lassen. „Sie wollte dort ihrer geputze Ruhe haben.“ Dem entgegen steht deren Aussage, dass die Geschäfte gut gelaufen seien. „Wir hatten einen jährlichen Zuwachs von 15 Prozent“, sagt Niemann.
Womit wir beim lieben Geld wären. Burger erklärt, Niemann und ihrem Mitpächter Geld für einen Auszug geboten zu haben. Niemann erklärt, Geld zu wollen. Anscheinend aber liegen die Vorstellungen weit auseinander: So will die Pächterin mehr als 50.000 Euro in das Haus investiert haben, als sie und ihr Gefährte im Mai 2015 begonnen hatten. Burger spricht von einer Forderung von 57.000 Euro. Und dieses Geld will Niemann von den Naturfreunden, notfalls gerichtlich. Deren Vereinschefin Burger erklärt, dass so viel Geld keinesfalls fließen werde und könne. Der Verkehrswert der Einrichtung, etwa, liege nicht einmal im mittleren vierstelligen Bereich.
Niemann, die Pächterin, ist auf Burger nicht gut zu sprechen. Oder vielmehr: sehr schlecht. Von „Lügnerin“ ist die Rede. Davon weiß Burger, bei der jüngsten Mitgliederversammlung der Naturfreunde habe Niemann sie gleich dreimal so bezeichnet. Bis man ihr Einhalt geboten habe.
Die Gäste zeigen sich zufrieden mit dem Naturfreundehaus Jungbrunnen. Die naturnahe Atmosphäre wird auf Bewertungsportalen online gelobt. Eine Besucherin überschwänglich: „Tolle Gasteltern! Immer hilfsbereit und freundlich. Schönes umliegendes Gebiet (Wald, Wiese, Spielplatz, Grillplatz…) Wir haben die BIO-Getränke sehr genossen. DANKE. Wir kommen gerne wieder.“
Hauptkritikpunkt ist die schlechte Internetverbindung vor Ort. Allerdings liegt das Haus nun wirklich sehr abgelegen in einem Tal. Eine entsprechende Antwort an einen meckernden Gast: „Es tut mir sehr leid, wenn Sie bei uns keinen WLAN Empfang bekommen haben. Wir sind mitten in der Natur in einer Senke, umgeben von hohen Bäumen. Die Überlandleitung für unsere Internetverbindung kann bei diesen Gegebenheiten leider nicht stabil sein.“
Niemanns Pachtvertrag, jedenfalls, der aus dem Jahr 2014, sollte eigentlich bis zum 30. April 2019 laufen. Einen Nachfolger haben die Rottweiler Naturfreunde bisher nicht gefunden. Burger begründet das damit, dass bislang kein Termin festgestanden habe, zu dem die Gast- und Übernachtungsstätte dem Verein wieder zur Verfügung steht. Doch da Niemann mittlerweile eingebuchten Gästen abgesagt und die Brauerei über ihren Wegzug unterrichtet habe, sei der Weg wohl frei. Sechs Tage noch, so scheint’s, muss Burger Geduld haben.
Und wie geht es weiter? „Der Verein wird das Naturfreundehaus bewirtschaften, bis ein Nachpächter gefunden ist“, sagt Burger. Einer, bei dem etwa Eltern mit Kindern willkommen seien. Und Hundebesitzer.
Nachtrag: Uns hat am Abend die folgende Zuschrift erreicht: