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Handschellen klicken noch im Gerichtssaal: Mutmaßlicher Unruhestifter aus Rottweil-Altstadt wird wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr verhaftet

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Das jüngste Urteil des Rottweiler Amtsgerichts gegen ihn ist nicht rechtskräftig. Dennoch kam ein mutmaßlicher Dauerbeleidiger und Serienbrandstifter auf Antrag der Staatsanwaltschaft am Mittwoch direkt in Haft. Gleich aus dem Gerichtssaal. Ein Zuschauerkommentar dazu: „Endlich geht mal was.“ Ein weiterer: „Da werden viele erleichtert sein in der Altstadt.“ So endete ein über drei Tage gehender Prozess vor dem Amtsgericht mit einem Wirkungstreffer der Justiz: Anordnung der Untersuchungshaft.

Rottweil – Wie von der Richterin am zweiten Verhandlungstag mit leichter Zornesröte angekündigt: Mit einem Urteil endete am Mittwoch der Prozess gegen einen 50-Jährigen aus Rottweil-Altstadt, der seine Umwelt in den vergangenen Monaten und Jahren massiv traktiert und genervt und beleidigt haben soll. Er wurde, wie bereits im Herbst 2023, zu einer Haftstrafe verurteilt. Auch dieses Urteil ist aber nicht rechtskräftig, denn der Verurteilte verzichtete nicht auf Rechtsmittel. Er will weiter die Justiz beschäftigen.

Großes Zuschauerinteresse im kleinen Strafgerichtssaal, fast alle Plätze waren an diesem Mittwochmittag besetzt. Menschen aus der Altstadt, aber auch einige Feuerwehrleute wollten den Urteilsspruch verfolgen, sie harrten stundenlang aus. Sie wollten live mitbekommen, wie der Mann, der einige von ihnen so sehr angegangen haben soll, endlich bekommt, was er wohl verdient. Der Prozesstag begann nachmittags aber zunächst eher trocken – mit dem Verlesen von Aussagen der mutmaßlich von Y. am Telefon beleidigten Polizeibeamten. Wobei – die Zitate aus den Gesprächen sind für Erwachsene, sind kein Kinderkram. Beleidigung folgt auf Beleidigung, Blödsinn auf Blödsinn. Etwa, als er mit Nachdruck versucht haben soll, die Polizei einzuschalten, weil eine offenbar von ihm Angebetete sich bei ihm nicht meldet. Klingt verrückt? Ist es wohl auch.

Von einem, der vor Frauen urinierte und Todesdrohungen ausstieß

Von Y., der wieder in seinem weißen Hemd unter schwarzer Weste, seinem Prozessoutfit, und dieses Mal mit einer gedeckten, rot-silber gestreiften Krawatte erschienen ist, gab es in dem Prozess verstörende Bilder zu sehen. So filmte ihn eine Überwachungskamera, wie er sich eines Nachts aus seinem Haus schlich, um die Ecke bog, kurz später wieder zurückkehrte – und es dann dort, wo er sich draußen gerade noch befunden hat, zu flackern beginnt. Ein Feuer, frisch gelegt. Offenbar von ihm, suggerieren die Bilder. Außerdem zeigt eine Aufnahme einer Nachbarin, wie er nachts vom naheliegenden Altstädter Friedhof kommt – auf dem es kurz darauf ebenfalls brannte. Oder wie er durch seinen Garten hüpft, zurück nach Hause. Auch in jener Nacht brannte es. Über Y. gab es zudem Berichte zu hören – wie er sich eines Tages vor zwei Frauen in seinem Garten entblößt haben soll, um unter ihren Augen zu urinieren.

Ach, und all die Beleidigungen, die er bei den vielen, vielen Einsätzen rund um sein Haus den Leuten von der Feuerwehr und der Polizei entgegengeschleudert hat. Und dann war da noch die in einer hitzigen Phase des zweiten Prozesstags ausgesprochene Todesdrohung gegen eine Frau vom Veterinäramt, die ihm seine beiden Vögel von Amts wegen wegnahm. Wobei dies nicht ins Urteil einfließen konnte, da ist die Strafanzeige ja erst in der Fertigung.

Das ficht ihn alles nicht an. Er mimte auch am Mittwoch den zu Unrecht Verfolgten, den fälschlich Beschuldigten – oder denjenigen, der doch nur auf Provokationen reagiert habe. Im Sinne eines „Aber der hat doch angefangen.“ Auch angesichts all der Zuschauer und Zuhörer im Saal: Es ist ihm augenscheinlich nicht peinlich, wenn ihm vorgehalten wird, dass er Menschen wiederholt und überfallartig mit Beschimpfungen traktiert. Er fühlt sich im Recht, wenn er diese verbalen Ohrfeigen austeilt. Ganz geschäftsmäßig schrieb er wieder mit, wog das Gehörte ab. Bezeichnete mimisch manches als angeblichen Unsinn, anderes als seine erwartbare Reaktion auf Verhalten anderer. Lehnte sich in seinem Sessel ganz selbstzufrieden zurück wie ein Manager vor einem guten Deal, der angelegentlich den Sitz seiner Krawatte überprüft und korrigiert. Schuld? Er? Aber nicht doch.

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Nichtöffentliche Sitzung. Foto: Peter Arnegger

Wie irre ist der Mann?

Wie, flapsig ausgedrückt, verrückt Y. ist, das erfuhren die Zuhörerinnen und Zuhörer nicht aus erster Hand. Die Aussage des psychiatrischen Gutachters – den Y. offenbar hasst – erfolgte auf Antrag der Verteidigung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Viel zu sagen hatte der Psychiater allerdings. Er benötigte volle eineinhalb Stunden. Draußen regnete es währenddessen leicht. Der Anschlag auf die Twin Towers in den USA jährte sich. Eines der Themen unter den vor dem Amtsgerichtssaal wartenden Zuschauern.

Wie später deutlich wurde, leidet Y. laut dem Psychiater an einer schweren, nicht näher bezeichneten seelischen Störung. Allerdings verfüge er über volle Einsichtsfähigkeit in sein Tun. Über volle Schuldfähigkeit.

Und der Staat reagiert doch

Und wie antwortete der Staat nun am Mittwoch auf die vielen Ausfälle, die sich Y. geleistet haben soll? Wo doch in seinen Augen der Staat gegen ihn machtlos sei, nichts unternehme, alles im Sande verlaufen lasse, gegen ihn gar keine Handhabe habe. Dass der Staat und seine Vertreter, als die er Polizeibeamte ebenso sieht wie Feuerwehrleute, den Staatsanwalt, die Richterin, gegen ihn nicht ankämen.

Damit irrt er gewaltig. So zeigte der Staat am Mittwoch zunächst ein Lebenszeichen: Zwei Justizbeamte kamen vor Beginn der Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung in den Saal, postierten sich im Eingangsbereich. Die selbstgefällige Fassade Y.s begann zeitgleich zu bröckeln. Zu Recht: Y. kam auf Antrag der Staatsanwaltschaft noch aus dem Gerichtssaal in Haft, ins Gefängnis, in den Knast. So hatte Y. während des Verfahrens erklärt, sich dem Strafverfahren auch entziehen zu können – er müsse dem nicht beiwohnen, so der Tenor. Und dass er einen Unterschlupf kenne, auch eine Frau, die ihm helfen werde. Dass er dies im Prozess so freimütig äußerte, kam nun wie ein Bumerang auf ihn zurück. Angesichts einer drohenden Haftstrafe könne Y. flüchten, argumentierte der Staatsanwalt. Außerdem stehe zu befürchten, dass Y. Zeugen beeinflusse. Flucht- und Verdunkelungsgefahr hielt der Staatsanwalt damit für gegeben, wollte dem, bildlich gesprochen, einen Riegel vorschieben. Die Amtsrichterin erließ den Haftbefehl.

Der Staat reagierte mit dem eigens in seinem Namen tätigen Staatsanwalt auch darüber hinaus deutlich. So sah der Ankläger die Tatvorwürfe im Rahmen der Hauptverhandlung nicht nur überwiegend bestätigt, sondern teils noch erweitert. Ein Beispiel: Einer der Feuerwehrleute habe nicht nur, wie angeklagt, Ekel empfunden, nachdem er von Y. im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes angespuckt worden war. Sondern auch Brechreiz. Das führt zu einem Straftatbestand einer Körperverletzung. Es liegen aus staatsanwaltlicher Sicht also Körperverletzungen vor, Widerstandshandlungen, Bedrohungen, Beleidigungen, allein 64 Mal der Missbrauch von Notrufen, drei Fälle der Sachbeschädigung und ein Fall des Vortäuschens einer Straftat.

Für all diese Fälle forderte der Staatsanwalt Einzelstrafen zwischen einem und zehn Monaten – auch, um dem Mann endlich Einhalt zu gebieten. Das summierte sich. Außerdem milderte er die Strafen für Taten, die vor dem Amtsgerichtsurteil vom November 2023 begangen wurden, verschärfte aber Strafen für Taten, die nach seiner Darstellung danach begangen wurden. Die geforderte Gesamtstrafe für den teils „brutal und gemein“, als „gleichgültig und respektlos“ agierenden Y.: Zwei Jahre und drei Monate Haft – was nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Obendrein erwartet der Staatsanwalt, dass Y. weitere Straftaten begehen wird.

Genügt eine Geldstrafe?

Y.s Anwalt stellte auf die seelische Störung ab, die seinem Mandanten attestiert worden sei. Zudem sei Einsichtsfähigkeit vorhanden. Dann würde doch eine Geldstrafe „zur Warnung gereichen“. Die Höhe stellte er ins Ermessen des Gerichts. Eine Fluchtgefahr bestehe zudem nicht, es gebe nichts und niemanden, wohin Y. sich entziehen könne, also keinen Haftgrund. Etwas leidenschaftslos vorgetragen, schien das allerdings.

Handschellen klicken

Vor der Pause zur Urteilsverkündung aber klickten schon die Handschellen. Weil der Haftbefehl beantragt worden war, ließ die Richterin Y. nicht mehr frei herumlaufen. Für den Urteilsspruch wurde er in Hand- und Fußfesseln vorgeführt. Da kam er schon aus einer der Zellen im Rottweiler Gerichtsgebäude, in der er die Dauer der Urteilsberatung – die die Einzelrichterin mit sich selbst abhielt – zu verbringen hatte.

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Bereit zur Abholung: Streifenwagen vor dem Gerichtsgebäude. Foto: gg

Haft

Das Urteil: ein Jahr und zehn Monate Haft. Deutlich niedriger als vom Staatsanwalt gefordert, acht Monate mehr allerdings als noch im Urteil derselben Richterin aus dem November 2023, das hauptsächlich wegen Beleidigungen ergangen war. Insgesamt aber sah auch die Richterin die angeklagten Straftaten als nachgewiesen an. Brandstiftungen, Beleidigungen, Körperverletzungen und, und, und.

Einzelne Punkte notiert Y. während der Urteilsverkündung, die die Richterin über rund eine Stunde hinweg weitestgehend frei hält, weiterhin mit. Jeden einzelnen abgeurteilten „Wi…“, jedes „Ar…“. Und auch, dass die Richterin seine spärlichen Angaben zu den einzelnen Taten als nicht schlüssig bezeichnete, die Darstellungen der Zeugen und Anzeigenerstatter aber sehr wohl. Eigentlich ein Affront ihm gegenüber, doch die beiden in seinem Rücken wartenden Justizbeamten haben ihm offenkundig den Schneid abgekauft. Y. wirkt bleich. Um ein paar Jahre gealtert gegenüber dem Mittag.

Die Richterin bescheinigt Y. mehrfach eine kriminelle Energie und insbesondere eine rechtsstaatsfeindliche Haltung. Allein, sie summierte „im Wesentlichen ähnlich“, aber eben leicht anders als der Staatsanwalt. Noch einmal, vielleicht ein letztes Mal Y. entgegenkommend, der unterdessen seine Notizblätter faltete.

Das Urteil hat am Mittwoch keine Rechtskraft erhalten, Y. verzichtete nicht ausdrücklich auf Rechtsmittel, wird sicherlich wieder in Berufung gehen. Sein nächster Weg aber führte in ein Gefängnis. Untersuchungshaft ist angeordnet. Beantragt Y. gleich Haftprüfung, wird diese in spätestens 14 Tagen stattfinden müssen. Sollte er in Haft bleiben müssen, kann sich das über Monate hinziehen.

Die Richterin möchte Y. ohnehin im Gefängnis sehen, wie er das selbst schon prophezeit hatte. Er erhielt keine Bewährung auf die Haftstrafe, seine Prognose sei negativ, eine Vielzahl weiterer Straftaten seien zu erwarten, die Rechtsordnung gebiete, einzuschreiten.

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