Sprachförderung, Ganztagesschule, Wiedereinführung des G9 – Themen gab es genug beim bildungspolitischen Abend der Grünen am Dienstag, zu dem zahlreiche Vertreter der Schulen und Bildungseinrichtungen im Landkreis gekommen waren. Gekommen war auch die Staatssekretärin im Kultusministerium, Sandra Boser, als Vertreterin von Kultusministerin Theresa Schopper, die wegen einer kurzfristig angesetzten Kultusministerkonferenz verhindert war. Sie erläuterte den gut 50 Gästen im Jugendstilsaal des Vinzenz von Paul-Hospitals das frisch geschnürte Bildungspaket der Landesregierung.
Rottweil. „Wir stehen vor großen Herausforderungen“, zu denen neben dem Fachkräftemangel auch die Digitalisierung und die frühkindliche Förderung gehören. 2,6 Milliarden Euro investiert das Land in das Startchancen-Programm, um Kinder aus schwierigen Verhältnissen zu unterstützen. Das neue G 9, betonte Boser, enthalte mehr Berufspraktika, Medien- und Demokratieförderung – beides hänge eng zusammen – und mehr Naturwissenschaften. Hier gab es Kritik von Dr. Thomas Busch, Musikprofessor in Trossingen und Bildungsfachmann und außerdem Sprecher der Grünen im Kreis: Bei der Reduzierung auf G8 seien Stunden für Musik, Kunst und Sport gestrichen worden, die jetzt nicht wieder kämen. Dabei zeigten aktuelle Studien von Hirnforschern wie Gerald Hüther doch, wie enorm wichtig die Förderung der Kreativität sei. Sandra Boser wies hier auf die Möglichkeit von Projektunterricht, „warum nicht Musik und Informatik verbinden?“
Im Fokus stand aber vor allem die immer weiter auseinander klaffende Schere zwischen Kindern aus bildungsnahen und -fernen Familien. Hier sollen Juniorklassen mit zusätzlicher Sprachförderung ebenso wie mehr Sozialarbeit stützen, ein sehr niederschwelliges und wichtiges Angebot, so Boser.
Kritik gab es auch an der Verteilung der Fördergelder, OB Christian Ruf meinte, ihm sei, als er im Urlaub von der geplanten Verlosung gelesen habe, der Strohhalm in den Sangria gefallen. Doch dann habe die Landesregierung ja doch noch eine gute Lösung gefunden, um allen Schulen gerecht zu werden.
Im Vergleich zu den anderen Bundesländern habe Baden-Württemberg im Ganztagesbereich einen starken Nachholbedarf, betonte Boser. Und auch, dass man ohne den hohen Druck seitens der Eltern nicht zum G9 zurückgekehrt wäre. Immerhin sieht es bei der Lehrerversorgung inzwischen ganz gut aus, so fehlten vor zwei Jahren noch 800 Lehrkräfte , in diesem Jahr, auch dank der vielen QuereinsteigerInnen, sind es nur noch 250, allerdings nach wie vor mit großen regionalen Unterschieden, so bleiben die jungen Lehrer nach wie vor lieber in der Nähe der Studentenstädte und gehen ungern auf die Alb.
In der anschließenden Fragerunde ging es um auch eine bessere und frühere Förderung der Kinder durch ein kostenloses letzten Kindergartenjahr. Allerdings besuchen nur acht Prozent der Kinder keine Einrichtung, so die Staatssekretärin, und auf der anderen Seite fehle die Rechtsgrundlage, mit der man Eltern zwingen könnte, ihr Kind in eine Kita zu schicken. Die Abschaffung der 10. Klasse der Werkrealschule wurde kritisiert, Ute Brenner, Rektorin der Maximilian-Kolbe-Schule bezeichnete diese als Erfolgsmodell, da bei vielen Schülern der Knopf erst recht spät aufgehe und sie so erst zur Mittleren Reife kommen. Doch sei Baden-Württemberg das einzige Land mit dieser Schulform, betonte Sandra Boser, man bemühe sich um Wege, diesen Schülern die Mittlere Reife an den beruflichen Schulen zu ermöglichen.
Ein Lehrer wandte ein, man habe doch schon vor 30 Jahren gute Konzepte gehabt, da müsse man doch nicht ständig neue Konzepte erfinden. „Wir habe heute eine völlig andere Situation, die Kinder bekommen viel weniger von zuhause mit“, antwortete die Staatssekretärin. Es gebe immer weniger Kinder, denen zuhause vorgelesen werde. Den Dank für einen spannenden und informativen Austausch gab es von Sonja Rajsp-Lauer, Moderatorin des Abends und Sprecherin der Kreisgrünen, die der Staatssekretärin ihr Kochbuch mit Rezepten aus der hiesigen Heimat und der von hierher Geflüchteten überreichte.