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    Freude am schelmischen Sprachspiel

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    Eigentlich wollte Thomas C. Breuer diesen Donnerstag sein neues Buch im Rottweiler Kino vorstellen. So richtig mit Pomp und Stadtkapelle. Nun wurde die Lesung krankheitsbedingt abgesagt. Aber das Buch ist schon im Handel – und auch ohne Präsentation ein humorfunkelndes Vergnügen.

     „Alles muss Rausch“ lautet der Titel des neuesten Werks des seit 2003 in Rottweil lebenden Kabarettisten und Preisträgers des Salzburger Stiers 2014. Es ist eine Art Update, eine aktualisierte Fassung von „Kabarett Sauvigon“ – einem Programm, mit dem Breuer erfolgreich tourte und aus dem er ein Buch machte. Seine ironiegespickten Texte über Weinherrlichkeit, Weinehrlichkeit und Weinerlichkeit kamen kann – mittlerweile liegt „Kabarett Sauvigon“ in der vierten Auflage vor.

    „Alles muss Rausch“ rangiert – um im önologischen Sprachfeld zu bleiben – in satirischen Öchslegraden, gesellschaftsanalytischem Bouquet und Finessen des Pointen-Abgangs noch einmal eine Prädikatsstufe über dem Vorgänger. Das fängt schon mit den ersten Zeilen an. In denen er die immer früher einsetzenden Weinbau-Eckdaten Austrieb der Reben, Reife der Trauben und Weinlese in Bezug setzt zum gleichfalls vorgerückten Beginn des Rottweiler Weihnachtsmarkts. Wenn das so weitergehe mit dem Klimawandel allerorten, komme der Jahrgang 2031 schon anno 2028 – „jedenfalls deutlich vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof“, schlussfolgert der Autor.

    Das ist Breuer pur: Wendiger Wechsel der Ebenen, schwubs abbiegende Argumentation – und dabei nicht selten Augen öffnende Momente eines neuen Blicks auf Dinge, der mal mehr nachdenken und mal eher schmunzeln lässt. Ein Miss-Verstehen wird da oft zu einem Mehr-Verstehen. Mit diesem quirligen Konzept nimmt er die Leser mit auf eine Rundreise durch Wein-Regionen Europas.

    Dabei erfährt man viel Wissenswertes und Unterhaltsames. Zu Rebsorten und Anbaumengen, aber auch zu Land und Leuten. Immer munter verflochten mit klugen, nicht selten schelmischen, ja spöttischen, Beobachtungen und Verknüpfungen. Angenehm ist, dass Thomas C. Breuer Tempi und Tonlagen wechselt, was den Text geschmeidiger, elastischer macht als manche frühere.

    So kann er zum Aargau etwa witzeln, dass jede Ortschaft eine Aktiengesellschaft zu sein scheine. Und die dortigen „Ökowinzer*Innen“ nicht nur mit „Aargusaugen“ über ihre Reben wachen. Sondern Weinbau auch gendergerecht betreiben, etwa mit einer „Weinschwestern- und Bruderschaft Wettingen“.

    Man liest aber auch von „Marika Rökks Paprika-Offensive der 50er-Jahre“. Oder Weinen aus Quitten und Granatäpfeln in Armenien – „wobei die Granatäpfel leider aus alten Beständen der Sowjetarmee stammen“, wie Breuer bemerkt.

    Manchmal ist er kaum zu bremsen mit seinen Sprachspielen, seinem Formuliertemperament. Etwa, wenn er auf einer knappen Seite zum Thema Wales, das es auf der Liste der unwahrscheinlichsten Weinstandorte übrigens ziemlich weit nach oben geschafft hat, Waliser, Wale, Walliser und Welsche (nicht zu verwechseln mit den Welfen, „das sind junge Hunde“) miteinander anstoßen lässt. Und dabei ziemlich in Wallung kommt.

    In diese Freude an Sprachklang und blitzender Mehrdeutigkeit einzutauchen, ist – auch ohne Lesung im Kino – einfach ein Genuss. Und dass Breuer im Schlusskapitel weihnachtliche Trinkgewohnheiten an Königshöfen beleuchtet, vielleicht ein Fingerzeig, zu welchem Anlass sich das Buch besonders als Präsent eignet.

    Aber Obacht! Wie bei allem Hochprozentigen ist auch hier eine Warnung geboten: Wer Breuer liest, fängt möglicherweise das Wortspielen und Kalauern an. Was freilich nicht als therapiebedürftiges Problem gilt. Zumindest bislang – vielleicht findet sich ja bald eine Gruppe Humorloser, die diesbezüglich Opferstatus reklamieren und anderen ihre Empfindlichkeiten aufnötigen kann. Bis dahin gilt uneingeschränkt: „Prosit!“

    Info: „Alles muss Rausch“ von Thomas C. Breuer (165 Seiten, ISBN 9-783963-081620) ist im Lindemanns-Verlag erschienen und kostet 14 Euro.

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     „Alles muss Rausch“ lautet der Titel des neuesten Werks des seit 2003 in Rottweil lebenden Kabarettisten und Preisträgers des Salzburger Stiers 2014. Es ist eine Art Update, eine aktualisierte Fassung von „Kabarett Sauvigon“ – einem Programm, mit dem Breuer erfolgreich tourte und aus dem er ein Buch machte. Seine ironiegespickten Texte über Weinherrlichkeit, Weinehrlichkeit und Weinerlichkeit kamen kann – mittlerweile liegt „Kabarett Sauvigon“ in der vierten Auflage vor.

    „Alles muss Rausch“ rangiert – um im önologischen Sprachfeld zu bleiben – in satirischen Öchslegraden, gesellschaftsanalytischem Bouquet und Finessen des Pointen-Abgangs noch einmal eine Prädikatsstufe über dem Vorgänger. Das fängt schon mit den ersten Zeilen an. In denen er die immer früher einsetzenden Weinbau-Eckdaten Austrieb der Reben, Reife der Trauben und Weinlese in Bezug setzt zum gleichfalls vorgerückten Beginn des Rottweiler Weihnachtsmarkts. Wenn das so weitergehe mit dem Klimawandel allerorten, komme der Jahrgang 2031 schon anno 2028 – „jedenfalls deutlich vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof“, schlussfolgert der Autor.

    Das ist Breuer pur: Wendiger Wechsel der Ebenen, schwubs abbiegende Argumentation – und dabei nicht selten Augen öffnende Momente eines neuen Blicks auf Dinge, der mal mehr nachdenken und mal eher schmunzeln lässt. Ein Miss-Verstehen wird da oft zu einem Mehr-Verstehen. Mit diesem quirligen Konzept nimmt er die Leser mit auf eine Rundreise durch Wein-Regionen Europas.

    Dabei erfährt man viel Wissenswertes und Unterhaltsames. Zu Rebsorten und Anbaumengen, aber auch zu Land und Leuten. Immer munter verflochten mit klugen, nicht selten schelmischen, ja spöttischen, Beobachtungen und Verknüpfungen. Angenehm ist, dass Thomas C. Breuer Tempi und Tonlagen wechselt, was den Text geschmeidiger, elastischer macht als manche frühere.

    So kann er zum Aargau etwa witzeln, dass jede Ortschaft eine Aktiengesellschaft zu sein scheine. Und die dortigen „Ökowinzer*Innen“ nicht nur mit „Aargusaugen“ über ihre Reben wachen. Sondern Weinbau auch gendergerecht betreiben, etwa mit einer „Weinschwestern- und Bruderschaft Wettingen“.

    Man liest aber auch von „Marika Rökks Paprika-Offensive der 50er-Jahre“. Oder Weinen aus Quitten und Granatäpfeln in Armenien – „wobei die Granatäpfel leider aus alten Beständen der Sowjetarmee stammen“, wie Breuer bemerkt.

    Manchmal ist er kaum zu bremsen mit seinen Sprachspielen, seinem Formuliertemperament. Etwa, wenn er auf einer knappen Seite zum Thema Wales, das es auf der Liste der unwahrscheinlichsten Weinstandorte übrigens ziemlich weit nach oben geschafft hat, Waliser, Wale, Walliser und Welsche (nicht zu verwechseln mit den Welfen, „das sind junge Hunde“) miteinander anstoßen lässt. Und dabei ziemlich in Wallung kommt.

    In diese Freude an Sprachklang und blitzender Mehrdeutigkeit einzutauchen, ist – auch ohne Lesung im Kino – einfach ein Genuss. Und dass Breuer im Schlusskapitel weihnachtliche Trinkgewohnheiten an Königshöfen beleuchtet, vielleicht ein Fingerzeig, zu welchem Anlass sich das Buch besonders als Präsent eignet.

    Aber Obacht! Wie bei allem Hochprozentigen ist auch hier eine Warnung geboten: Wer Breuer liest, fängt möglicherweise das Wortspielen und Kalauern an. Was freilich nicht als therapiebedürftiges Problem gilt. Zumindest bislang – vielleicht findet sich ja bald eine Gruppe Humorloser, die diesbezüglich Opferstatus reklamieren und anderen ihre Empfindlichkeiten aufnötigen kann. Bis dahin gilt uneingeschränkt: „Prosit!“

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