Kommt es heute Abend im Kultur-, Sozial- und Verwaltungsausschuss des Gemeinderats Rottweil zum Showdown im Streit zwischen der AfD und dem Zimmertheater? Die Theatermacher jedenfalls haben 10.000 Euro mehr an jährlicher Förderung von der Stadt beantragt. Und die Partei schießt seit Wochen gegen die öffentliche Förderung des Theaters an sich. Nun hat sie nochmal nachgelegt.
Der Kampf des AfD-Mannes gegen die Theaterförderung
Emil Sänze, dem stellvertretenden Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, ist die Förderung des Zimmertheaters ein Dorn im Auge. Ein Theater, das sich mit Stücken wie „Wenn der Kahn nach links kippt, setze ich mich nach rechts“ eindeutig gegen Rechtspopulisten stellt – und damit nach Sänzes Wahrnehmung auch eindeutig gegen ihn und seine Partei. Er kämpft seither dafür, dass das Land die Fördermittel für das Rottweiler Theater streicht.
Das Stück „Wenn der Kahn nach links kippt …“ sei derweil kein „AfD-Stück“, auch wenn es so in das öffentliche Bewusstsein eingegangen sei, „es ist ein Stück über vielerlei Regressionen, wie sie uns heute allesamt ereilen“, hatte dazu der Intendant und Verfasser, Peter Staatsmann, in einem Gastbeitrag für die NRWZ erklärt.
„Krankenhaus muss sich tragen, Theater nicht“
Nun, kurz vor einer Stadtratssitzung in Rottweil, in der über eine Zuschusserhöhung beraten werden soll, legt Sänze nach. „Warum muss sich ein Krankenhaus finanziell tragen, ein Privattheater aber nicht?“, fragt er rhetorisch.
„Ich möchte wissen, wer nach welchen Kriterien über die Förderwürdigkeit von Bühnen und Stücken entscheidet“, so Sänze in einer am heutigen Mittwoch versandten Pressemitteilung. Entscheidend für die Förderwürdigkeit könne allein die künstlerische Qualität sein, argumentiert er. „Was gut ist, wird nachgefragt, und das Publikum bezahlt, um es zu sehen“, so der Politiker. In anderen Bereichen des Kulturbetriebs finde ein nachvollziehbarer Wettbewerb um Qualität statt und produziere Spitzenleistungen: Absolventen von Kunst- oder Musikhochschulen gewinnen Auszeichnungen, Professoren erhalten prestigeträchtige Rufe. Orchester spielten erfolgreich Gastauftritte – „hier ist alles klar“, so Sänze
Eine vergleichbare Transparenz sieht der Abgeordnete bei der Förderung privater Bühnen aber nicht. „Die Rottweiler Theaterleute machen für sich geltend, die Erwartungen des Landesrechnungshofes von 20 Prozent Eigeneinnahmenanteil deutlich zu übertreffen – das heißt, das Land findet sich damit ab, dass vier Fünftel des privaten Theaterbetriebs aus Steuergeldern gesponsert werden sollen“, schreibt er. Und ergänzt: „Still zuzugeben, dass man 80 Prozent alimentieren soll, ist doch ein Armutszeugnis.“
„Theater existieren aufgrund von Subventionen“
Staatsmann hatte das schon gekontert, was Sänze außer Acht lässt. Der Zimmertheater-Intendant: „Alle Theater, die keine reinen Kommerztheater sind, existieren aufgrund von Subventionen. Das ist eine Besonderheit in Deutschland, die es zu verteidigen gilt.“
Der Zimmertheater-Macher rechnet vor, dass die Eigeneinnahmen seines Hauses zwischen 140.000 und 160.000 Euro pro Jahr „einer beachtlichen Eigenfinanzierungsquote von rund 37,7 Prozent“, entsprächen. „Das ist im Vergleich zu anderen Theatern sehr hoch bei gleichzeitig sehr niedrigen Eintrittspreisen.“
Parallel dazu würden am Rottweiler Zimmertheater geringe Gagen gezahlt, es werde keiner der Beschäftigten reich, aber die Bürger der Stadt erhielten für wenig Geld mehr als 200 Veranstaltungen in jeder Spielzeit. Zu den einzelnen Inszenierungen kommen noch soziokulturelle Projekte, meist für Kinder und Jugendliche.
„Nichts gegen die Freiheit der Kunst, aber …“
Sänze sieht das Theater dagegen in der Pflicht, sich selbst zu tragen. „Ich habe nichts gegen die Freiheit der Kunst, aber ich bin dagegen, nicht vom Publikum nachgefragte Leistungen zu alimentieren“, schreibt der AfD-Abgeordnete. „Wenn in der Kunst zugeschossen werden muss, dann für die Erhaltung von Qualität und nicht nach politischer Konjunktur“, schreibt er weiter.
Sänzes vergleicht das Theater mit Kliniken. In seinem Wahlkreis seien seit Ende der 1990-er Jahre die Krankenhäuser Sulz und Schramberg geschlossen, das Kreiskrankenhaus Rottweil privatisiert worden. Jetzt solle das Kreiskrankenhaus Spaichingen im Kreis Tuttlingen geschlossen werden – „wie soll ich meinen Wählern erklären, dass ihr Geld in frivoler Weise nicht nur für wenig nachgefragte, sondern sogar für offen gegen die parlamentarische Opposition gerichtete Theaterstücke ausgegeben wird?“
Stadtverwaltung hat sich festgelegt
Die Stadtverwaltung Rottweil hat sich – trotz aller Sparzwänge, die ihr der Haushalt des kommenden Jahres auferlegen wird, bereits festgelegt: „Das Zimmertheater erhält ab 2020 eine Zuschusserhöhung von 10.000 Euro jährlich“, heißt es im Beschlussvorschlag für den Gemeinderatsausschuss. Darüber soll am Abend zunächst der Kultur-, Sozial- und Verwaltungsausschuss entscheiden, in seiner nächsten Sitzung dann endgültig der Gemeinderat.
In der Begründung der Stadtverwaltung heißt es, der Trägerverein des Zimmertheaters habe bereits vor einem Jahr eine Anpassung des Finanzierungsverhältnisses zwischen Landesförderung und kommunaler Förderung beantragt. Der Gemeinderat beschloss am 16. Januar dann die Erhöhung des Barzuschusses um 11.500 Euro jährlich und die Erhöhung der Mietkostenverrechnung um 9.700 Euro jährlich. Damit sei das Finanzierungsverhältnis Landeszuschuss-Kommunalzuschuss ausgeglichen worden – eine Mietverrechnung, über die sich die Intendanten bis heute ärgern.
Zudem beschloss der Gemeinderat, dass das Zimmertheater Ende 2019 seine finanzielle Situation erneut darlegen solle, da die Mittel für einen geregelten Theaterbetrieb nicht ausreichend seien. Das ist nun der Fall.
Wie Intendant Staatsmann schon in der NRWZ vorrechnete, verfügt sein Theater jährlich über etwa 300.000 Euro an festen Einnahmen. Dazu kämen je nach erfolgreicher Einwerbung Projektgelder. „Diese sind jedoch nicht vorhersehbar. Die Projektmittel werden von unabhängigen, in der Zusammensetzung wechselnden Jurys vergeben.“
Dem entgegen stehen die Ausgaben. Staatsmann. „Für fixe Personalkosten geben wir pro Jahr etwa 150.000 Euro aus, das sind die Gagen für sieben Personen, die nicht mit vollen Stellen beschäftigt sind (Intendanz, Technik, Büro, Bufdis, Putzfrau). Laut Landesrechnungshof entsprechen sie 3,5 Vollzeitäquivalenten. An fixen Sachkosten haben wir knapp 100.000 Euro, darunter fallen unter anderem Strom, Heizung, Werbung, Versicherungen, Steuerbüro.
Das heißt, dem Zimmertheater bleiben nur 50.000 Euro für die einzelnen Produktionen, sowohl für Schauspieler wie für die Ausstattung der einzelnen Stücke. Bei Bezahlung der Schauspieler-Mindestgage von 2000 Euro brutto (inklusive der Sozialabgaben kostet eine Schauspielerin oder ein Schauspieler das Zimmertheater etwa 34.000 Euro jährlich) können wir uns nur 1,5 Schauspieler pro Jahr leisten und haben noch keinen Cent für die Ausstattung ausgegeben. Es wird deutlich, dass wir Projektgelder einwerben müssen, um produzieren zu können.“
Dem Zimmertheater hat die Stadtverwaltung bereits am 16 Januar 2019 eine weitere jährliche Zuschusserhöhung in Höhe von 10.000 Euro ab 2020 in Aussicht gestellt. Dazu gibt es einen Aktenvermerk. An diesen sieht sich die Verwaltung gebunden.