Der Landkreis Rottweil feiert 50. Geburtstag – und präsentiert sich mit einer Ausstellung, zu der jede seiner 21 Kommunen drei Objekte beigetragen hat. Die Schau in Glatt bietet ein faszinierendes Panorama von Best-offs und Kuriosem. Es lohnt sich, sie zu besuchen.
Barocke Herrscher schmückten sich, wenn es die Finanzen hergaben, mit „Wunderkammern“: Frühformen des Museums, oft vollgestopft mit Schaustücken aller Art, die Weltläufigkeit belegen und bei Besucher große Augen herbeizaubern sollten. Ein wenig erinnert die Ausstellung „21mal3 – der Landkreis Rottweil und seine Gemeinden“ an so eine Wunderkammer – freilich ohne die leidige Messie-Komponente, also den Drang des Anhäufens.
Denn die Objekte im Kultur- und Museumszentrum Schloss Glatt sind natürlich wohl sortiert und nach allen Regeln der Präsentations-Kunst ins Licht gerückt. Aber die Fülle und Vielfalt, die Staunen macht und immer wieder Entdeckungen bietet, die lässt durchaus an illustre Sammlungen denken – jedenfalls ist die Gefühlslage, die sich einstellt, wirklich wunderbar.
Die Breite an Schaustücken, an damit angeschnittenen Themen, der Reichtum an Traditionen und die historische Tiefe, die hier repräsentiert werden, begeistert. Da finden sich auf den Himmel verweisende Sakralobjekte neben Bodenständigem, Hochglanz-Kunst neben einem unbehauenem Stück Geröll.
Letzteres wurde von Deißlingen beigesteuert, stellvertretend für die 215.000 Tonnen Rohstein, die die Firma Knauf Gips KG jährlich in Lauffen abbaut. Auch Epfendorf und Dietingen können sich durch den Brocken mit vertreten fühlen, denn dort wird ebenfalls in beträchtlichem Rahmen Gipskeuper abgebaut.
Deißlingen verweist aber auch auf die lange dominierenden bäuerlichen Strukturen im Landkreis, wenngleich mit einem etwas zwiespältigen Zeugnis: Einem Modell des „Hagenverwürger-Brunnens“. Künstlerisch ist es gelungen, aber die Episode, an die es erinnert, lässt schlucken: 1910 wurde in Deißlingen ein Zuchtbulle beim Versuch, ihm einen Nasenring zu verpassen, versehentlich stranguliert.
Ganz ungetrübt kann man sich in das Kunstwerk versenken, das Bösingen nominiert hat: Ein Gemälde von Norbert Stockhus, auf dem er die Ruine Herrenzimmern zur Staffage für ein fantastisches Wimmelbild macht. Mit Kunst präsentieren sich auch andere: Rottweil etwa mit einer kühl-eleganten Plastik Erich Hausers, Dunningen einer edlen Marmor-Göttin aus der Hand Landolin Ohnmachts oder Lauterbach mit einfühlsamen Gemälden von Wilhelm Kimmich.
In tiefere historische Schichten dringt Epfendorf vor, das den über 2000 Jahre alten Silbernen Trichtinger Keltenring zeigt – leider nur als Replik, aber man kann sich die zierlichen Stierköpfe hier besser anschauen als beim Original im Landesmuseum Stuttgart, obwohl es dort in der Schausammlung „LegendäreMeisterWerke“ platziert ist.
Wellendingen lässt einen preußischen Adler die Schwingen ausbreiten – als Symbol dafür, dass Wilflingen einst zu Hohenzollern und damit zur preußische Krone gehörte. Zimmern legt eine Uniform samt breitem Ordenspanier in den Schaukasten: Sie erinnern an den Feuerwehrpräsidenten Albert Bürger (1913-1996), der einst an der Spitze der westdeutschen Floriansjünger stand.
Eine gute Erdung bietet Alltagsnahes, etwa eine Fahne des Radfahrer-Vereins Mariazell, Junghans-Uhren oder einst massenhaft im Schwarzwald geflochtene Strohhüte. Bösinger Speck und Flözlinger Hirsch-Bräu verweisen zudem auf die keinesfalls zu unterschätzende Dimension des leiblichen Wohls.
Als Verbindendes wird aus gutem Grund die Fasnet in den Blick gerückt: Gleich fünf Städte und Gemeinden haben etwas aus diesem Feld beigesteuert. Was belegt, wie gewichtig dieser Identitätsanker ist – und nebenbei Dinge zusammenbringt, die sonst gefühlt weit voneinander entfernt sind: Die Schramberger Bach-na-Fahrt und der Rottweiler Narrensprung etwa.
Jedes einzelne Schaustück eröffnet eigene Themenhorizonte, ganz eigene Geschichten und Bezüge, in die man – je nach Neigung oder Anknüpfungspunkt – eintauchen kann. Da ist es schade, dass es zur von Kreisarchivar Bernhard Rüth kuratierten, insgesamt großartigen Ausstellung lediglich einen Hochglanz-Flyer mit Fotos ausgewählter Objekte gibt. Einen kleinen Katalog, der wenigstens die kurzen Erklärtexte festhält, sucht man vergebens.
So wird dieses „Mosaik von Identitäten“, als das die Ausstellung im Glatter Wasserschloss beworben wird, leider bald wieder in seine Einzelteile aufgelöst. Wer es gesehen hat, dem prägt es sich dennoch dauerhaft ein – als Beleg eines staunenswert reichen, vielfältige Erbes. Und einer Vielfalt, über die man sich nur freuen kann.
Info: Die Ausstellung ist noch bis 30. April 2023 zu sehen. Geöffnet hat das Kultur- und Museumszentrum Schloss Glatt bis Ende März freitags- bis sonntags sowie an Feiertagen von 14 bis 17 Uhr. Ab April ist es dienstags bis freitags von 14 bis 17 Uhr geöffnet, sowie samstags, sonntags und an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr.