back to top
...
    NRWZ.deRottweil„Es lebe Rottweil! Es lebe Hyères!“

    „Es lebe Rottweil! Es lebe Hyères!“

    Artikel
    Kommentare
    Autor / Quelle
    Weitere Artikel
    Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

    Das Stadtfest-Wochenende steht im Zeichen des Jubiläums der Städtepartnerschaft und Freundschaft zwischen Rottweil und Hyères. Deshalb rufen wir hier deren Anfänge in Erinnerung.

    Ein zentrales Motiv für viele Städtepartnerschaften der Nachkriegsahrzehnte – zwischen Deutschland und Frankreich gibt es aktuell rund 2200 – war die Aussöhnung mit einem früheren Kriegsgegner. So auch im Fall des Tandems Rottweil-Hyères. Die förmliche Beurkundung der Partnerschaft war dabei ein Schritt, dem andere vorausgingen. Die Anfänge reichen bereits in die Zeit kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs zurück.

    Es waren in vielen Ländern häufig Kriegsheimkehrer, die Weg der Versöhnung zu vormaligen Gegnern einschlugen. Sie hatten hautnah erfahren müssen, zu welchem Grauen jahrhundertealte Feindschaften geführt hatten. So trat etwa der „Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschlands e.V.“ (VdH), eine Interessenvertretung von Kriegsgefangenen aus dem Zweiten Weltkrieg, für Frieden und Freiheit ein. Im September 1950 wurde in Rottweil ein Ortsverband des VdH gegründet.

    Keiner der Männer im VdH-Ortsverband Rottweil hatte durch Kriegsbedingungen Bezug zur Stadt Hyères. Einzige Ausnahme: der frühere Stadtrat Martin Tschirdewahn. Dieser hatte einen Teil seiner Kriegsgefangenschaft im Kriegsgefangenlager Palyvestre in Hyères verbracht.

    In Frankreich wurden nach 1945 über 100 Kriegsgefangenenlager eingerichtet, in denen ein Teil ehemaliger Wehrmachtssoldaten unterkam. Andere wurden zur Arbeit in Bergwerken, zur Minenräumung und häufig in der Landwirtschaft eingesetzt.

    Der Ortsverband Rottweil des VdH wurde im Mai 1967 aufgrund privater Kontakte zum Kongress der ehemaligen Kriegsgefangenen in Draguignan eingeladen und vom Ortsverband Hyères und Vertretern der Stadtverwaltung herzlich empfangen. Drei Mitglieder des VdH waren bei diesem Kongress die einzigen ausländischen Gäste.

    Die beiden Verbände organisierten vom 6. bis 8. Juli 1968 ein Treffen in Rottweil unter dem Titel „Begegnung und Partnerschaft “. Das Programm umfasste unter anderem Fahnenweihe, Gottesdienst, Gedenkfeier mit Kranzniederlegungen sowie das Einpflanzen eines „Baumes der Freundschaft “. Am 7. Juli wurde in einer Feierstunde im Landratsamt zudem die Partnerschaftsurkunde der Verbände unterzeichnet. Hierin versprachen sie sich die gegenseitige Freundschaft, um damit einen Beitrag zu einem in Freiheit und Frieden geeinten Europa zu leisten.

    Der „Baum der Freundschaft “, eine österreichische Schwarzkiefer, ist mittlerweile zu einem stattlichen Baum herangewachsen. Er steht auf dem Stadtfriedhof im Feld der Rottweiler Kriegsgefallenen und wird diesen Samstag gegen 12.30 Uhr von der Jubiläumsdelegation aus Hyères zusammen mit den Rottweiler Gastgebern aufgesucht. An seinem Fuß erinnert eine Gedenktafel an die Partnerschaft der Verbände.

    Unter der Schirmherrschaft des Bürgermeisters Jacques Pillement und des Oberbürgermeisters Dr. Ulrich Regelmann wurde der Heimkehrerverband Rottweil erneut von der „Association des Combattants Prisonniers de Guerre Section D’Hyères“ vom 6. bis 9. Juni 1969 nach Hyères eingeladen. Sie wurden von vielen Politikern und militärischen Vertretern begrüßt.

    Nach gemeinsamen Paraden wurden die Freundschaftsurkunden unterzeichnet und auch in Hyères wurde ein Freundschaftsbaum gepflanzt – eine Schwarzwälder Tanne. Die Bürgermeister beider Städte drückten ihre Freude über die gewonnene Verbundenheit zwischen den Städten aus, ebenso wie die Hoffnung, dass die Freundschaft zwischen den Heimkehrerverbänden sich auf die Ebene der beiden Städte ausdehnen werde. Der Wunsch bündelte sich im Ausruf: „Es lebe Rottweil! Es lebe Hyères!“

    Durch die freundschaftlichen Verbindungen der Kriegsheimkehrer-Verbände waren die Tore für eine offizielle Verpartnerung in beiden Städten nun weit geöffnet. Die Proklamation der formellen Partnerschaft Rottweils mit der Palmenstadt Hyères wurde daher bereits für den 21. November 1970 im Théâtre Municipal in Hyères vorbereitet.

    Zu diesem Anlass war die ganze Stadt Hyères beflaggt mit dem neuen Allianzwappen, das die beiden Stadtwappen vereint. Dieses Symbol der Partnerschaft war überall anzutreffen – als Fahne, Plakat, Vignette an Schaufenstern und Windschutzscheiben und als Abzeichen an den Jacken. Seither wird dieses Wappen bei Veranstaltungen und Treffen beider Städte eingesetzt.

    Auf die „Bibel der internationalen Verständigung“ schworen Jacques Pillement und sein Rottweiler Kollege stellvertretend für Franzosen und Deutsche. Dieses gemeinsame Ja-Wort erweckte den Eindruck einer standesamtlichen Trauung und so wurden die Festtage in Hyères verschiedentlich als „Flitterwochen“ bezeichnet. Dass Liebe auch durch den Magen geht, verstanden die Gastgeber hervorragend zu nutzen, denn sie tischten die ganze Pracht französischer Gastronomie auf.

    Näher kommen konnten sich die Partner anschließend beim Jumelage-Tanz und der Feier mit Geschenkübergaben, Folkloredarbietungen und gemeinsamen Paraden. Aufgrund der emotionalen Reden flossen bei manchen Anwesenden die Tränen.

    Der Festakt am 14. Mai 1971 in Rottweil wurde dann als große „Hochzeitsfeier“ begangen. Zur Feier reisten rund hundert Gäste aus Hyères an. Sie wurden ab der Grenze bei Mülhausen von einem Konvoi des Rottweiler Automobilclubs (AMC) abgeholt und mit mehreren Kästen Bier willkommen geheißen. Chef der französischen Abordnung war der neu gewählte Bürgermeister Mario Benard. Doch auch mit dem vorherigen Bürgermeister Jacques Pillement gab es ein Wiedersehen, da er als Privatperson anreiste.

    Am Samstag wurde im Aufbaugymnasium der bereits in Hyères unterzeichnete Freundschaftsvertrag in seiner deutschen Fassung durch Mario Benard und Dr. Regelmann besiegelt. Neben den unterzeichnenden Bürgermeistern waren Oberhäupter aus der Umgebung, Hedwig Meermann, Bürgermeister a.D. Arnulf Gutknecht und viele mehr anwesend. Bundeskanzler a.D. Kurt Georg Kiesinger hielt den Festvortrag.

    Info: Diese Ausführungen beruhen auf einem Beitrag in der Festschrift zum 1250-Jahr-Jubiläum von Margot Groß: 2020: 50 Jahre Freundschaft: Hyères et Rottweil, in: Schlaglichter der Rottweiler Geschichte, hrsg. v.d. Stadt Rottweil, Ubstadt-Weiher u.a. 2021, S. 120-126.

    Diskutieren Sie mit!

    Hier können Sie einen Kommentar zu unserem Artikel hinterlassen.

    Beiträge

    Das interessiert diese Woche

    Das Stadtfest-Wochenende steht im Zeichen des Jubiläums der Städtepartnerschaft und Freundschaft zwischen Rottweil und Hyères. Deshalb rufen wir hier deren Anfänge in Erinnerung.

    Ein zentrales Motiv für viele Städtepartnerschaften der Nachkriegsahrzehnte – zwischen Deutschland und Frankreich gibt es aktuell rund 2200 – war die Aussöhnung mit einem früheren Kriegsgegner. So auch im Fall des Tandems Rottweil-Hyères. Die förmliche Beurkundung der Partnerschaft war dabei ein Schritt, dem andere vorausgingen. Die Anfänge reichen bereits in die Zeit kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs zurück.

    Es waren in vielen Ländern häufig Kriegsheimkehrer, die Weg der Versöhnung zu vormaligen Gegnern einschlugen. Sie hatten hautnah erfahren müssen, zu welchem Grauen jahrhundertealte Feindschaften geführt hatten. So trat etwa der „Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschlands e.V.“ (VdH), eine Interessenvertretung von Kriegsgefangenen aus dem Zweiten Weltkrieg, für Frieden und Freiheit ein. Im September 1950 wurde in Rottweil ein Ortsverband des VdH gegründet.

    Keiner der Männer im VdH-Ortsverband Rottweil hatte durch Kriegsbedingungen Bezug zur Stadt Hyères. Einzige Ausnahme: der frühere Stadtrat Martin Tschirdewahn. Dieser hatte einen Teil seiner Kriegsgefangenschaft im Kriegsgefangenlager Palyvestre in Hyères verbracht.

    In Frankreich wurden nach 1945 über 100 Kriegsgefangenenlager eingerichtet, in denen ein Teil ehemaliger Wehrmachtssoldaten unterkam. Andere wurden zur Arbeit in Bergwerken, zur Minenräumung und häufig in der Landwirtschaft eingesetzt.

    Der Ortsverband Rottweil des VdH wurde im Mai 1967 aufgrund privater Kontakte zum Kongress der ehemaligen Kriegsgefangenen in Draguignan eingeladen und vom Ortsverband Hyères und Vertretern der Stadtverwaltung herzlich empfangen. Drei Mitglieder des VdH waren bei diesem Kongress die einzigen ausländischen Gäste.

    Die beiden Verbände organisierten vom 6. bis 8. Juli 1968 ein Treffen in Rottweil unter dem Titel „Begegnung und Partnerschaft “. Das Programm umfasste unter anderem Fahnenweihe, Gottesdienst, Gedenkfeier mit Kranzniederlegungen sowie das Einpflanzen eines „Baumes der Freundschaft “. Am 7. Juli wurde in einer Feierstunde im Landratsamt zudem die Partnerschaftsurkunde der Verbände unterzeichnet. Hierin versprachen sie sich die gegenseitige Freundschaft, um damit einen Beitrag zu einem in Freiheit und Frieden geeinten Europa zu leisten.

    Der „Baum der Freundschaft “, eine österreichische Schwarzkiefer, ist mittlerweile zu einem stattlichen Baum herangewachsen. Er steht auf dem Stadtfriedhof im Feld der Rottweiler Kriegsgefallenen und wird diesen Samstag gegen 12.30 Uhr von der Jubiläumsdelegation aus Hyères zusammen mit den Rottweiler Gastgebern aufgesucht. An seinem Fuß erinnert eine Gedenktafel an die Partnerschaft der Verbände.

    Unter der Schirmherrschaft des Bürgermeisters Jacques Pillement und des Oberbürgermeisters Dr. Ulrich Regelmann wurde der Heimkehrerverband Rottweil erneut von der „Association des Combattants Prisonniers de Guerre Section D’Hyères“ vom 6. bis 9. Juni 1969 nach Hyères eingeladen. Sie wurden von vielen Politikern und militärischen Vertretern begrüßt.

    Nach gemeinsamen Paraden wurden die Freundschaftsurkunden unterzeichnet und auch in Hyères wurde ein Freundschaftsbaum gepflanzt – eine Schwarzwälder Tanne. Die Bürgermeister beider Städte drückten ihre Freude über die gewonnene Verbundenheit zwischen den Städten aus, ebenso wie die Hoffnung, dass die Freundschaft zwischen den Heimkehrerverbänden sich auf die Ebene der beiden Städte ausdehnen werde. Der Wunsch bündelte sich im Ausruf: „Es lebe Rottweil! Es lebe Hyères!“

    Durch die freundschaftlichen Verbindungen der Kriegsheimkehrer-Verbände waren die Tore für eine offizielle Verpartnerung in beiden Städten nun weit geöffnet. Die Proklamation der formellen Partnerschaft Rottweils mit der Palmenstadt Hyères wurde daher bereits für den 21. November 1970 im Théâtre Municipal in Hyères vorbereitet.

    Zu diesem Anlass war die ganze Stadt Hyères beflaggt mit dem neuen Allianzwappen, das die beiden Stadtwappen vereint. Dieses Symbol der Partnerschaft war überall anzutreffen – als Fahne, Plakat, Vignette an Schaufenstern und Windschutzscheiben und als Abzeichen an den Jacken. Seither wird dieses Wappen bei Veranstaltungen und Treffen beider Städte eingesetzt.

    Auf die „Bibel der internationalen Verständigung“ schworen Jacques Pillement und sein Rottweiler Kollege stellvertretend für Franzosen und Deutsche. Dieses gemeinsame Ja-Wort erweckte den Eindruck einer standesamtlichen Trauung und so wurden die Festtage in Hyères verschiedentlich als „Flitterwochen“ bezeichnet. Dass Liebe auch durch den Magen geht, verstanden die Gastgeber hervorragend zu nutzen, denn sie tischten die ganze Pracht französischer Gastronomie auf.

    Näher kommen konnten sich die Partner anschließend beim Jumelage-Tanz und der Feier mit Geschenkübergaben, Folkloredarbietungen und gemeinsamen Paraden. Aufgrund der emotionalen Reden flossen bei manchen Anwesenden die Tränen.

    Der Festakt am 14. Mai 1971 in Rottweil wurde dann als große „Hochzeitsfeier“ begangen. Zur Feier reisten rund hundert Gäste aus Hyères an. Sie wurden ab der Grenze bei Mülhausen von einem Konvoi des Rottweiler Automobilclubs (AMC) abgeholt und mit mehreren Kästen Bier willkommen geheißen. Chef der französischen Abordnung war der neu gewählte Bürgermeister Mario Benard. Doch auch mit dem vorherigen Bürgermeister Jacques Pillement gab es ein Wiedersehen, da er als Privatperson anreiste.

    Am Samstag wurde im Aufbaugymnasium der bereits in Hyères unterzeichnete Freundschaftsvertrag in seiner deutschen Fassung durch Mario Benard und Dr. Regelmann besiegelt. Neben den unterzeichnenden Bürgermeistern waren Oberhäupter aus der Umgebung, Hedwig Meermann, Bürgermeister a.D. Arnulf Gutknecht und viele mehr anwesend. Bundeskanzler a.D. Kurt Georg Kiesinger hielt den Festvortrag.

    Info: Diese Ausführungen beruhen auf einem Beitrag in der Festschrift zum 1250-Jahr-Jubiläum von Margot Groß: 2020: 50 Jahre Freundschaft: Hyères et Rottweil, in: Schlaglichter der Rottweiler Geschichte, hrsg. v.d. Stadt Rottweil, Ubstadt-Weiher u.a. 2021, S. 120-126.

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]

    Das interessiert diese Woche

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]