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    „Es braucht in Museen Anregungen, Interaktion“

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    Diesen Sonntag findet der erste Internationale Museumstag seit Beginn der Corona-Pandemie statt, der nicht von massiven Einschränkungen belastet ist. Was bieten die Rottweiler Museen – und was hat sich durch die Pandemie verändert? Dies und mehr wollten wir von Sophia Miller wissen. Die gebürtige Rottweilerin (Jahrgang 1981) ist seit 2020 als Museumspädagogin an den Städtischen Museen tätig hat und jüngst das große Pfingstferien-Projekt „Heldenhaft!“ konzipiert.

    NRWZ: Frau Miller, können Sie sich wieder unbeschwert auf den Museumstag freuen?

    Sophia Miller: Ja, total! Unsere Räume im Dominikanermuseum sind groß, die Ängste sind weg. Wir freuen uns, dass wir die Türen wieder weit öffnen dürfen.

    NRWZ: Wie wollen Sie beim Publikum nach dieser schwierigen Zeit der Schließungen und der Distanz wieder Lust auf das Museumserlebnis wecken?

    Sophia Miller: Der Museumstag hat schon den Vorteil, dass der Eintritt frei ist. Allein das Fehlen dieser Hürde ist eine Einladung, auch mal kurz zu vorbeizukommen und zu schauen. Das Stadtmuseum wird länger öffnen, von 10 bis 16 Uhr, auch das wunderschöne Museumsgärtchen kann man wieder genießen. In der Kunstsammlung Lorenzkapelle haben wir am Sonntag Saisoneröffnung: Cornelia Votteler bietet um 14 Uhr eine Führung an zum Thema „Von der Friedhofskapelle zum Museum“.

    Im Dominikanermuseum bieten wir unabhängig von der Ausstellungspräsentation Aktionen zum Thema „Riechen, Schmecken, Fühlen wie die Römer“. Es gibt die Möglichkeit, Dinge anzufassen, auch zu kosten – wir wollen nach den Corona-Beschränkungen die Sinne ansprechen! Und um 15 Uhr wird im Kunstraum Rottweil eine Führung zur Sonderausstellung mit der Künstlerin Christa Schmidt und Kreisarchivar Bernhard Rüth stattfinden – ein rundes, vielseitiges Programm, wie wir hoffen.

    NRWZ: So herausfordernd die Corona-Zeit war: Konnten Sie für die Museumsarbeit auch weiterführende Erkenntnisse herausziehen?

    Sophia Miller: Ich hatte das Gefühl, dass einige Entwicklungen schon begonnen haben, bevor die Pandemie zur Schließung geführt hat: Dass Besucherzahlen in Kultureinrichtungen eher rückläufig waren und die Konzertsäle ergrauen.

    In Zeiten der kompletten Schließung haben wir gelernt, Besucher anders zu erreichen. Wir haben Videos gedreht und online gestellt, zum Beispiel zur Gößlinger Schutzmantelmadonna. Dabei gab es bei allen Abstrichen die Chance, Dinge anders zu machen als bei einer Führung: Wir konnten zum Beispiel ganz nah ran und im Lupenblick Dinge besonders zur Geltung kommen lassen. Das waren neue digitale Zugänge mit einem echten Mehrwert. Oder wir haben To-go-Pakete für Kinder und Familien gepackt und mit einem Tutorial verbunden.

    In den Phasen mit eingeschränktem Publikumsbesuch haben wir nach Möglichkeit gesucht, den Leuten individuell Vermittlung anzubieten. Zum Beispiel kann man sich während des Besuchs der beiden Dauerausstellungen mittlerweile von Audiotexten auf dem eigenen Smartphone begleiten lassen. Insofern gab es schon einige Erfahrungen, die auch weiterhin fruchtbar genutzt werden können.

    NRWZ: Viel hat sich in der Pandemie notgedrungen in den digitalen Raum verlagert, sofern die Museen ausreichend Geld dafür hatten – ist das aus Ihrer Sicht ein Trend, der weitergeht? Und welchen Stellenwert hat dann noch das Museumserlebnis vor Ort?

    Sophia Miller: Museum findet hier vor Ort statt, da sind wir uns auch im Team einig. Das Konkrete, echte Erleben, auch mit einer eigenen Zeiteinteilung, ist zentral und wird sehr positiv wahrgenommen. Derzeit führen wir Gespräche in Schulen, was Schülerinnen und Schüler sich im Museum wünschen. Und da kommt oft die Rückmeldung, dass „Hands-on-Stationen“ und Aktionsteile sehr viel Spaß machen. Das sehen wir auch bei Kinderaktionen und Geburtstagen. Auch handwerkliche Angebote stehen hoch im Kurs und sind gefragte Herausforderungen.

    NRWZ: Das große Pfingstferien-Projekt „Heldenhaft!“ setzt ja mit Entdeckungstouren und Kreativ-Workshops im Gegensatz zum Digitalen ganz auf das konkrete Erleben vor Ort – wie wollen Sie ein jüngeres TikTok-Publikum da für Ihre Themen und Objekte begeistern?

    Sophia Miller: Das stimmt nicht ganz, es gibt ein kleines Storytelling-Modul, in dem die Kinder digital dokumentieren, was sie Tag für Tage machen. Aber überwiegend geht es in der Tat um die handfeste Aktion vor Ort. Es ist vielleicht ein Missverständnis, zu denken, dass das Digitale immer als attraktiver wahrgenommen wird. Viele Neun- bis Zwölfjährige, die in dem Projekt angesprochen sind, merken selber, dass sie beim Digitalen etwas ermüdet sind, das hat sich ja zum Beispiel beim Homeschooling gezeigt. Die freuen sich, wenn sie mit richtiger Kreide auf der Straße etwas gestalten können – noch dazu gemeinschaftlich.

    Was Brücken zu den Themen betrifft: Ich denke, in der neu gestalteten Sammlung Dursch gibt es sehr viele Anknüpfungspunkte, mit denen man Kinder in ihrem alltäglichen Denken und Fühlen abholen kann. Die Figuren haben etwas zu erzählen, von Gefühlen und Schicksalen. Da kann man toll einsteigen und zum Entdecken und Nachfühlen einladen, etwa bei Körperhaltungen: Wie stehe ich zum Beispiel, wenn ich mich freue? Oder wenn ich jemanden beschützen will? Da ist der Abstand der Jahrhunderte schnell vergessen.

    NRWZ: Museen stehen in Wechselwirkung zu einer Gesellschaft, in der gerade viele Koordinaten infrage gestellt werden. Wirken sich die teils hitzig geführten Debatten zum Beispiel um Vielfalt, Nachhaltigkeit, Geschlechterrollen und Postkolonialismus auch in einem Museum im eher beschaulichen Rottweil aus?

    Sophia Miller: Das betrifft mich bei meiner Arbeit bisher nicht so stark, wobei wir diese Aspekte natürlich immer wieder im Team diskutieren. Und natürlich gibt es Fragen aus der Gesellschaft. Zum Beispiel kommt es immer mal wieder vor, dass Leute bedauern, dass die sakralen Objekte nicht mehr in Kirchen stehen. Oder vereinzelt gibt es die Frage, warum man die Römer so positiv darstellt, das seien doch Invasoren gewesen.

    NRWZ: Durch die Situation in der Ukraine ist ein Themenfeld, das Museen mindestens seit 2015 beschäftigt, erneut stark im Sichtfeld: Flucht und transkultureller Dialog. Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie da?

    Sophia Miller: Wir lernen immer dazu und versuchen sensibel zu sein. Das Projekt „Heldenhaft!“ bewerben wir zum Beispiel auch bei Geflüchteten, haben uns dazu aber beraten lassen. Dabei kam heraus: Wenn diese Geschichten, die ja auch mit Gewalt zu tun haben, von den Kindern losgelöst sind, dann kann man sie thematisieren. Allerdings muss man diese Dinge immer mitdenken.

    NRWZ: Was braucht aus Ihrer Sicht ein Museum, damit es in zehn, 15 Jahren als spannend und anregend wahrgenommen wird?

    Sophia Miller: Es braucht die spannenden, relevanten Objekte, die wir haben! Dann darf es aber nicht um bloßen Konsum gehen. Sondern es braucht in Museen Anregungen, Interaktion – das kann eine Mitmach-Station sein, oder auch nur eine Frage, die einen Anstoß gibt, die Objekte mit der eigenen Lebenswelt in Beziehung zu setzen, zu verknüpfen. Digitale Methoden haben da ihren Platz, stehen aus meiner Sicht aber nicht im Vordergrund. Und es sollte uns gelingen, das leicht erstarrte Image von Museen weiter aufzubrechen (lacht).

    Die Frage stellte unser Redakteur Andreas Linsenmann.

    Info: Weitere Informationen unter: www.dominikanermuseum.de

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    Diesen Sonntag findet der erste Internationale Museumstag seit Beginn der Corona-Pandemie statt, der nicht von massiven Einschränkungen belastet ist. Was bieten die Rottweiler Museen – und was hat sich durch die Pandemie verändert? Dies und mehr wollten wir von Sophia Miller wissen. Die gebürtige Rottweilerin (Jahrgang 1981) ist seit 2020 als Museumspädagogin an den Städtischen Museen tätig hat und jüngst das große Pfingstferien-Projekt „Heldenhaft!“ konzipiert.

    NRWZ: Frau Miller, können Sie sich wieder unbeschwert auf den Museumstag freuen?

    Sophia Miller: Ja, total! Unsere Räume im Dominikanermuseum sind groß, die Ängste sind weg. Wir freuen uns, dass wir die Türen wieder weit öffnen dürfen.

    NRWZ: Wie wollen Sie beim Publikum nach dieser schwierigen Zeit der Schließungen und der Distanz wieder Lust auf das Museumserlebnis wecken?

    Sophia Miller: Der Museumstag hat schon den Vorteil, dass der Eintritt frei ist. Allein das Fehlen dieser Hürde ist eine Einladung, auch mal kurz zu vorbeizukommen und zu schauen. Das Stadtmuseum wird länger öffnen, von 10 bis 16 Uhr, auch das wunderschöne Museumsgärtchen kann man wieder genießen. In der Kunstsammlung Lorenzkapelle haben wir am Sonntag Saisoneröffnung: Cornelia Votteler bietet um 14 Uhr eine Führung an zum Thema „Von der Friedhofskapelle zum Museum“.

    Im Dominikanermuseum bieten wir unabhängig von der Ausstellungspräsentation Aktionen zum Thema „Riechen, Schmecken, Fühlen wie die Römer“. Es gibt die Möglichkeit, Dinge anzufassen, auch zu kosten – wir wollen nach den Corona-Beschränkungen die Sinne ansprechen! Und um 15 Uhr wird im Kunstraum Rottweil eine Führung zur Sonderausstellung mit der Künstlerin Christa Schmidt und Kreisarchivar Bernhard Rüth stattfinden – ein rundes, vielseitiges Programm, wie wir hoffen.

    NRWZ: So herausfordernd die Corona-Zeit war: Konnten Sie für die Museumsarbeit auch weiterführende Erkenntnisse herausziehen?

    Sophia Miller: Ich hatte das Gefühl, dass einige Entwicklungen schon begonnen haben, bevor die Pandemie zur Schließung geführt hat: Dass Besucherzahlen in Kultureinrichtungen eher rückläufig waren und die Konzertsäle ergrauen.

    In Zeiten der kompletten Schließung haben wir gelernt, Besucher anders zu erreichen. Wir haben Videos gedreht und online gestellt, zum Beispiel zur Gößlinger Schutzmantelmadonna. Dabei gab es bei allen Abstrichen die Chance, Dinge anders zu machen als bei einer Führung: Wir konnten zum Beispiel ganz nah ran und im Lupenblick Dinge besonders zur Geltung kommen lassen. Das waren neue digitale Zugänge mit einem echten Mehrwert. Oder wir haben To-go-Pakete für Kinder und Familien gepackt und mit einem Tutorial verbunden.

    In den Phasen mit eingeschränktem Publikumsbesuch haben wir nach Möglichkeit gesucht, den Leuten individuell Vermittlung anzubieten. Zum Beispiel kann man sich während des Besuchs der beiden Dauerausstellungen mittlerweile von Audiotexten auf dem eigenen Smartphone begleiten lassen. Insofern gab es schon einige Erfahrungen, die auch weiterhin fruchtbar genutzt werden können.

    NRWZ: Viel hat sich in der Pandemie notgedrungen in den digitalen Raum verlagert, sofern die Museen ausreichend Geld dafür hatten – ist das aus Ihrer Sicht ein Trend, der weitergeht? Und welchen Stellenwert hat dann noch das Museumserlebnis vor Ort?

    Sophia Miller: Museum findet hier vor Ort statt, da sind wir uns auch im Team einig. Das Konkrete, echte Erleben, auch mit einer eigenen Zeiteinteilung, ist zentral und wird sehr positiv wahrgenommen. Derzeit führen wir Gespräche in Schulen, was Schülerinnen und Schüler sich im Museum wünschen. Und da kommt oft die Rückmeldung, dass „Hands-on-Stationen“ und Aktionsteile sehr viel Spaß machen. Das sehen wir auch bei Kinderaktionen und Geburtstagen. Auch handwerkliche Angebote stehen hoch im Kurs und sind gefragte Herausforderungen.

    NRWZ: Das große Pfingstferien-Projekt „Heldenhaft!“ setzt ja mit Entdeckungstouren und Kreativ-Workshops im Gegensatz zum Digitalen ganz auf das konkrete Erleben vor Ort – wie wollen Sie ein jüngeres TikTok-Publikum da für Ihre Themen und Objekte begeistern?

    Sophia Miller: Das stimmt nicht ganz, es gibt ein kleines Storytelling-Modul, in dem die Kinder digital dokumentieren, was sie Tag für Tage machen. Aber überwiegend geht es in der Tat um die handfeste Aktion vor Ort. Es ist vielleicht ein Missverständnis, zu denken, dass das Digitale immer als attraktiver wahrgenommen wird. Viele Neun- bis Zwölfjährige, die in dem Projekt angesprochen sind, merken selber, dass sie beim Digitalen etwas ermüdet sind, das hat sich ja zum Beispiel beim Homeschooling gezeigt. Die freuen sich, wenn sie mit richtiger Kreide auf der Straße etwas gestalten können – noch dazu gemeinschaftlich.

    Was Brücken zu den Themen betrifft: Ich denke, in der neu gestalteten Sammlung Dursch gibt es sehr viele Anknüpfungspunkte, mit denen man Kinder in ihrem alltäglichen Denken und Fühlen abholen kann. Die Figuren haben etwas zu erzählen, von Gefühlen und Schicksalen. Da kann man toll einsteigen und zum Entdecken und Nachfühlen einladen, etwa bei Körperhaltungen: Wie stehe ich zum Beispiel, wenn ich mich freue? Oder wenn ich jemanden beschützen will? Da ist der Abstand der Jahrhunderte schnell vergessen.

    NRWZ: Museen stehen in Wechselwirkung zu einer Gesellschaft, in der gerade viele Koordinaten infrage gestellt werden. Wirken sich die teils hitzig geführten Debatten zum Beispiel um Vielfalt, Nachhaltigkeit, Geschlechterrollen und Postkolonialismus auch in einem Museum im eher beschaulichen Rottweil aus?

    Sophia Miller: Das betrifft mich bei meiner Arbeit bisher nicht so stark, wobei wir diese Aspekte natürlich immer wieder im Team diskutieren. Und natürlich gibt es Fragen aus der Gesellschaft. Zum Beispiel kommt es immer mal wieder vor, dass Leute bedauern, dass die sakralen Objekte nicht mehr in Kirchen stehen. Oder vereinzelt gibt es die Frage, warum man die Römer so positiv darstellt, das seien doch Invasoren gewesen.

    NRWZ: Durch die Situation in der Ukraine ist ein Themenfeld, das Museen mindestens seit 2015 beschäftigt, erneut stark im Sichtfeld: Flucht und transkultureller Dialog. Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie da?

    Sophia Miller: Wir lernen immer dazu und versuchen sensibel zu sein. Das Projekt „Heldenhaft!“ bewerben wir zum Beispiel auch bei Geflüchteten, haben uns dazu aber beraten lassen. Dabei kam heraus: Wenn diese Geschichten, die ja auch mit Gewalt zu tun haben, von den Kindern losgelöst sind, dann kann man sie thematisieren. Allerdings muss man diese Dinge immer mitdenken.

    NRWZ: Was braucht aus Ihrer Sicht ein Museum, damit es in zehn, 15 Jahren als spannend und anregend wahrgenommen wird?

    Sophia Miller: Es braucht die spannenden, relevanten Objekte, die wir haben! Dann darf es aber nicht um bloßen Konsum gehen. Sondern es braucht in Museen Anregungen, Interaktion – das kann eine Mitmach-Station sein, oder auch nur eine Frage, die einen Anstoß gibt, die Objekte mit der eigenen Lebenswelt in Beziehung zu setzen, zu verknüpfen. Digitale Methoden haben da ihren Platz, stehen aus meiner Sicht aber nicht im Vordergrund. Und es sollte uns gelingen, das leicht erstarrte Image von Museen weiter aufzubrechen (lacht).

    Die Frage stellte unser Redakteur Andreas Linsenmann.

    Info: Weitere Informationen unter: www.dominikanermuseum.de

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