Für diplomatische Aufgaben braucht es freundliche, kluge Menschen mit viel Taktgefühl. Für die heikle Mission, für Kontakte zwischen den Kunst-Räumen Rottweil und Schramberg zu werben, ist Rémy Trevisan daher eine Idealbesetzung. Das Dominikaner-Museum zeigt nun das Werk des feinsinnigen Malers und Zeichners – eine wunderbare Chance, die Schramberger Kunst-Szene endlich wahrzunehmen.
Denn so recht auf dem Radar scheint man am Oberen Neckar bisher nicht zu haben, was sich gerade mal 25 Kilometer entfernt an der Schiltach kreativ tut. Klar, Erich Hauser bildet mit seinen Bezügen zu beiden Städten eine Verbindung. Aber die ist historisch und bringt kaum aktuelle Vitalität.
Der weitgehenden Nicht-Beziehung will man nun verknüpfende Impulse entgegensetzen. Dass die Wahl für den Start auf Rémy Trevisan fiel, darf als Glückgriff gelten. Denn schon biografisch bringt der Künstler, der dieses Jahr 65 wird, viel Verbindendes mit: Geboren 1959 in Chaumont in Frankreich, legte er, nachdem er einen Werdegang als Postbeamter abgebrochen hatte, einige Jahre in Südostasien, Afrika und Indien ein – eine prägende Zeit, wie er im Gespräch mit der NRWZ betont. Im Anschluss an seine Wander- und Lehrjahre wurde Trevisan im mittleren Schwarzwald heimisch – seit 1987 lebt er in Schramberg, sein Atelier befindet sich seit 2021 in Lauterbach.
Aber die Impulse, die er vor Jahrzehnten in Fernost aufgenommen hat, wirken bis heute nach. Etwa der Zen-Buddhismus, bei dem es um das bewusste Erleben von Leere und Stille geht – um die Abwesenheit von störender Irritation und das Erkennen des Wesentlichen.
In der Schau, die mit fast 50 Arbeiten einen Bogen über 37 Jahre kontinuierlicher Arbeit spannt, meint man das seinen Bildschöpfungen in vielen abstrakten, fluiden, nicht festgelegten Elementen ablesen zu können. In seinen vieldeutigen Kompositionen schafft er mit gestischer Linienführung organische, gewebeartige Strukturen – konzentrierte Bildwelten, die damit umso assoziationsreicher sind. Und Farben und Texturen strahlen lassen. Spürbar werden hier auch Einflüsse, etwa von Willi Baumeister und HAP Grieshaber.
Und doch bleibt Trevisan bei aller Abstraktion stets verbindend, ja integrativ. Denn auch Konkretes hat in seiner markanten Bildsprache, die sich gängigen Trends entzieht, Raum. Das zeigt sich etwa in der Serie „Hommage“ – einer Huldigung an Künstler und an die Kunst an sich, in deren Mittelpunkt gut beobachtete Portraits stehen.
Dabei zeigt sich etwas Charakteristisches: Nie tritt Trevisan einem Portraitierten zu nahe, wird hart oder entlarvend. Bei aller kreativer Kraft bleibt er taktvoll und zugewandt, ja höflich. Etwas Feines, Taktvolles liegt über allen seinen technisch stets sehr ausgereiften Arbeiten.
Neben der kreativen Energie, die sein Schaffen ausstrahlt, macht das die Schau als Ganzes zu einer noblen Einladung zur Kontaktaufnahme und einem gelungenen Auftakt intensiverer diplomatischer Beziehungen zwischen den Kunst-Räumen Schramberg und Rottweil. Die Chance, Trevisans Werk im Dominikanermuseum zu entdecken, sollte man sich nicht entgehen lassen.
Info: Die Ausstellung „Rémy Trevisan zum Fündfundsechzigsten – Im Fluss des Lebens“, im Dominikanermuseum Rottweil wird am 21. April um 11 Uhr eröffnet und ist bis 8. September zu sehen, geöffnet dienstags bis sonntags, 10 bis 17 Uhr
Die vom langjährigen Kreisarchivar Bernhard Rüth, dem neuen Kulturreferenten des Landkreises Rottweil Johannes Waldschütz und dem ersten Vorsitzenden des Podium Kunst Schramberg Lars Bornschein kuratierte Schau wird durch Referenzwerke von Trevisans Lehrer Rudolf Schoofs sowie zweier Künstler, denen Trevisan sich besonders verbunden fühlt, Willi Baumeister und HAP Grieshaber, ergänzt. Zur Ausstellung erscheint auch ein Katalog.