ROTTWEIL. Ein „Sturmgeschütz“ zu Gast in der Pulverfabrik: Zum Neujahrsempfang der FDP im Rotweiler Neckartal kamen gut über 200 Gäste – so viele wie noch nie. Ehrengast und Hauptrednerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zog offensichtlich.
Angriff darf sich nicht lohnen
Klar: Der Krieg in der Ukraine war das Thema, das Rednerin und Publikum umtrieb (wie sicher auch den einen oder anderen der Demonstranten jenseits des Neckars, wir berichteten). Wobei sie Koalitionsdisziplin bewies und nicht direkt die Lieferung von Kampfflugzeugen forderte. Doch eines zog sich durch ihren Vortrag: Die Freiheit ist zu schützen, auch mit Waffen. Und: Ein „mörderischer Angriff“ darf sich nicht lohnen.
Sie erinnerte daran, dass der erste Angriff auf die Ukraine bereits 2014 erfolgte, auf den Donbass. In Georgien, Tschetschenien und Syrien habe sich Russland unter Putin militärisch engagiert, ohne dass die Welt groß Notiz davon genommen habe. Und nun sei der russische Präsident Wladimir Putin überrascht, dass plötzlich Europa zusammensteht und die Ukraine auch mit Waffen unterstützt. Putins Ziel sei es, sich die „Kornkammer Europas“, die Ukraine, einzuverleiben – wie das schon Hitler und Stalin taten. Von den Getreidelieferungen seien viele Länder abhängig, „Putin will 190 Millionen Menschen aushungern“, damit sie sich auf den Weg nach Europa machten und so die EU-Staaten schwächen, sagte Strack-Zimmermann.
20 Millionen gesammelt
Vor dem Angriff auf die Ukraine habe sich Putin bei der chinesischen Führung rückversichert, sonst hätte er das Abenteuer nicht gewagt, folgerte die Rednerin. Und in Fernost sei das auch gleich so verstanden worden, vor allem in Taiwan: Dort sei gleich nach dem ersten Angriff für die Ukraine gesammelt worden, 20 Millionen seien zusammengekommen. Von Bürgern. Wenn Putin mit seinem Angriffskrieg durchkomme, sei Moldawien das nächste Ziel, und dann stünde Russland auch bald vor den Balten-Staaten, prophezeite die Rednerin.
Die Möglichkeiten, den Krieg mit Diplomatie zu beenden, sieht Strack-Zimmermann verschwindend gering: „Wenn Sie jemand gegenüberstehen, der Sie umbringen will – was bieten Sie dem an?“ Wenn es überhaupt Gespräche mit Russland geben könne, dann aus einer Position der Stärke heraus. Unterstützung finde Russland nur von „Schurkenstaaten“ wie dem Iran, der tödliche Drohnen liefere, und Nordkorea.
Naivität ablegen
Kurz: „Es wird Zeit, dass Deutschland endlich die Naivität ablegt“, was Putins Absichten betrifft. Damit meinte sie auch die Bundeswehr, bei der die Wehrfähigkeit übers Wochenende nicht gewährleistet sei. „Wenn ich Deutschland militärisch angreifen würde, dann würde ich das an einem Freitag um 15.30 machen“, wenn es früh dunkel wird. Strom- und Wasserversorgung stören und die Kommunikationswege blockieren, dann sei Deutschland bis Montagmorgen wehrlos. Folgerung: „Die Bundeswehr sollte auch am Wochenende präsent sein“, fand die Wehrexpertin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag. „Verteidigungs-, nicht Angriffsausschuss“, betonte sie. Aber, so zitierte sie eine alte Weisheit: „Wenn du den Krieg verhindern willst, bereite dich auf einen Krieg vor.“
Die Mehrheit im Volk forderte sie auf, wieder laut zu werden – sicher auch im Hinblick auf die Demonstranten: Es könne nicht sein, dass eine Minderheit die öffentliche Diskussion beherrsche.
Das Engagement der Jungen Liberalen sei „mir eine Mega-Inspiration“. Sie zeigte sich vom Redebeitrag der Juli-Vertreterin Pauline Manigk beeindruckt.
Am Ende der Rede gab es langanhaltenden Applaus.
Personen des öffentlichen Lebens
Zu Beginn hatte der FDP-Kreisvorsitzende Daniel Karrais die Gäste begrüßt, darunter Landrat Dr. Wolf Rüdiger Michel, Rottweils OB Dr. Christian Ruf, Hauptgeschäftsführer Thomas Albiez von der IHK, den Handwerkskammer-Präsidenten Werner Rottler und die Ex-Abgeordneten Ernst Burgbacher und Dieter Kleinmann. Zu der Demonstration auf dem anderen Neckar-Ufer (wir berichteten), die im Hintergrund zu hören war, merkte er an: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden, auch wenn es manchmal nervt.“
Ein weiterer Redebeitrag kam vom Vorsitzenden der Kreistagsfraktion, Dr. Gerhard Aden, der auch von einem Besuch der deutschen Einheiten in Afghanistan berichtete: „Kabul ertrinkt im Müll. Aber in der deutschen Station wird der Müll getrennt. Und Fahrzeuge werden stillgelegt, weil sie nicht den deutschen Abgasvorschriften entsprechen.“ Von ihm stammt auch der eingangs zitierte Begriff „Sturmgeschütz“, der ihm besser gefiel als „Panzer-Agnes“.
Am Ende des offiziellen Teils erhielt Strack-Zimmermann Geschenke, darunter vom FDP-Ortsvorsitzenden das Buch zum 500-jährigen Bestehen des „Ewigen Bundes“ mit der Schweiz. „Wenn wir wirklich angegriffen werden, steht uns nicht nur die NATO zur Seite, sondern auch die Schweiz“, scherzte er.