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    Ein Riss geht durch die Schöpfung

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    Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VdK) und die Stadt Rottweil haben am Volkstrauertag die Bürgerinnen und Bürger zur jährlichen Gedenkfeier auf den Ruhe-Christi-Friedhof eingeladen, um der Opfer von Krieg, Gewaltherrschaft und Terrorismus zu gedenken.

    Rottweil – Die erste offizielle Feierstunde fand 1922 im Deutschen Reichstag in Berlin statt. Der damalige Reichstagspräsident und SPD-Abgeordnete Paul Löbe hielt eine im In- und Ausland viel beachtete Rede, denn er stellte einer Gegenwart voller Feindseligkeiten den Gedanken an Versöhnung und Verständigung gegenüber: „Leiden zu lindern, Wunden zu heilen, aber auch Tote zu ehren, Verlorene zu beklagen, bedeutet Abkehr vom Hass, bedeutet Hinkehr zur Liebe, und unsere Welt hat die Liebe not …“

    Der Tag soll eine Mahnung zur Versöhnung, zur Verständigung, zur Toleranz und zum Frieden sein. Die zentrale Gedenkstunde im Bundestag stand 2024 unter dem Motto: „Die Erinnerung an die nächste Generation weitergeben.“

    In seiner Ansprache sagte Dr. Gerhard Aden von der Reservistenkameradschaft Rottweil-Oberndorf, es sei eine würdige Veranstaltung, die uns am heutigen Tag zusammengeführt habe. Doch fragte er, ob die deutsche Gesellschaft, insbesondere die Jugend, mit einem solchen stillen Gedenktag noch etwas anfangen könne. Der Erste Weltkrieg sei bei den allermeisten Zeitgenossen gar nicht mehr präsent. Nur ein paar Jahre danach sei fast jede Familie in Deutschland noch betroffen gewesen. Das sei auch der Grund dafür, dass schon 1919 der Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge einen Gedenktag für die gefallenen Soldaten vorgeschlagen habe.

    Im Mittelpunkt hätten damals die gefallenen Soldaten gestanden. Die militärische Ausrichtung sei im Mittelpunkt gewesen. Im Laufe der Geschichte sei dann während der Naziherrschaft nicht mehr das Totengedenken, sondern Heldenverehrung im Mittelpunkt gestanden. In der DDR wurde der Volkstrauertag in einen Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors und Kampftag gegen den Faschismus und imperialistischen Krieg begangen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dann bewusst dieser Gedenktag von jeglicher politischen Gesinnung entkleidet, indem das Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt aus allen Lebensbereichen aufgenommen wurde

    Aden fragte dann, welche Botschaft hier vom Stadtfriedhof ausgehen könne, wo der Sinn dieser Veranstaltung liege? Jeder vernünftige, verantwortungsvolle Mensch sei für den Frieden, insbesondere gegen den Krieg. Er fragte, ob man im Angesicht des Elends, der Gewalt, der Ungerechtigkeit, der Brutalität und des Hasses den angegriffenen Parteien wirklich zumuten könne, die Waffen niederzulegen, sich zu unterwerfen, die weiße Fahne zu hissen? Er meinte provokant, dass ein Blick in die Natur lehre, dass wer leben will auch töten können müsse. Ein Riss gehe durch die Schöpfung.

    Befreiung Deutschlands von der Naziherrschaft sei nur mit Blut und Eisen möglich gewesen. Die EU sei auf den Schlachtfeldern Europas geschmiedet, Freiheit und Selbstbestimmung nur im blutigen Kampf errungen worden. Die Tatsache, dass die Teilnehmer einer solchen Gedenkveranstaltung immer weniger würden zeige, dass die Bürgerinnen und Bürger mit diesem Tag immer weniger anzufangen wüssten. Und das in diesen unruhigen und gefährlichen Zeiten.

    „Ich stehe hier in Uniform vor Ihnen“, sagte Aden. „Ich vertrete somit in den Augen vieler den Teil der Gesellschaft, der für das Blutvergießen verantwortlich ist… Ja: Soldaten werden zum Töten und zum Überleben ausgebildet.“ Die derzeitigen Entwicklungen in Nahost und Osteuropa, die Diskussionen über Waffenlieferungen und Aufrüstung, die Änderung der politischen Einstellung mancher Parteien zur Verteidigung und die Eskalation der Auseinandersetzungen zeigten, dass da etwas ins Rutschen gekommen sei. Umso mehr sei jeder angesprochen, daran mitzuwirken, dass aus dem Rutschen keine Lawine werde. Jeder einzelne sei gefordert, unabhängig von seiner politischen Einstellung, daran mitzuwirken, dass sich solche Katastrophen nicht wiederholten

    „Dazu gehört auch, dass man sich die Liste der Gefallenen, die hier hinter mir in Stein auf dem Stadtfriedhof eingemeißelt sind, bildlich vor Augen führt. Erst dann kann man nachvollziehen, was eine solche Auseinandersetzung für entsetzliche Opfer in fast jeder Familie gefordert hat.“ Wenn ein Mensch zu Tode komme, seien mittelbar 100 weitere betroffen: Die engere und weitere Familie, Freunde, Bekannte. Kriege seien eben keine Videospiele, sondern verursachten einen großen Blutzoll. Deshalb seien solche Veranstaltungen wichtig für die neue Politikergeneration, die den Krieg nur vom Hörensagen oder aus den Geschichtsbüchern kennengelernt hat, selbst einen Krieg aber nie erlebt habe.

    Pfarrer Alexander Köhrer von der Evangelischen Kirchengemeinde sprach ein Gebet für die vielen Opfer, deren hier gedacht wurde. Die Feier wurde musikalisch umrahmt von der Stadtkapelle Rottweil und dem Männergesangverein Germania Rottweil-Altstadt 1872. Am Ende der Feierstunde legten Oberbürgermeister Dr. Christian Ruf und Bürgermeisterin Ines Gaehn für die Stadt Rottweil, Vertreter der Ortsgruppe Rottweil des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, des VdK Ortsverbands Rottweil sowie der Reservistenkameradschaft Rottweil-Oberndorf Kränze am Ehrenmal nieder. Susanne Birkenmaier vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge bedankte sich bei allen die gekommen sind und die zum Gelingen dieser Gedenkfeier beigetragen haben.

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    Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VdK) und die Stadt Rottweil haben am Volkstrauertag die Bürgerinnen und Bürger zur jährlichen Gedenkfeier auf den Ruhe-Christi-Friedhof eingeladen, um der Opfer von Krieg, Gewaltherrschaft und Terrorismus zu gedenken.

    Rottweil – Die erste offizielle Feierstunde fand 1922 im Deutschen Reichstag in Berlin statt. Der damalige Reichstagspräsident und SPD-Abgeordnete Paul Löbe hielt eine im In- und Ausland viel beachtete Rede, denn er stellte einer Gegenwart voller Feindseligkeiten den Gedanken an Versöhnung und Verständigung gegenüber: „Leiden zu lindern, Wunden zu heilen, aber auch Tote zu ehren, Verlorene zu beklagen, bedeutet Abkehr vom Hass, bedeutet Hinkehr zur Liebe, und unsere Welt hat die Liebe not …“

    Der Tag soll eine Mahnung zur Versöhnung, zur Verständigung, zur Toleranz und zum Frieden sein. Die zentrale Gedenkstunde im Bundestag stand 2024 unter dem Motto: „Die Erinnerung an die nächste Generation weitergeben.“

    In seiner Ansprache sagte Dr. Gerhard Aden von der Reservistenkameradschaft Rottweil-Oberndorf, es sei eine würdige Veranstaltung, die uns am heutigen Tag zusammengeführt habe. Doch fragte er, ob die deutsche Gesellschaft, insbesondere die Jugend, mit einem solchen stillen Gedenktag noch etwas anfangen könne. Der Erste Weltkrieg sei bei den allermeisten Zeitgenossen gar nicht mehr präsent. Nur ein paar Jahre danach sei fast jede Familie in Deutschland noch betroffen gewesen. Das sei auch der Grund dafür, dass schon 1919 der Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge einen Gedenktag für die gefallenen Soldaten vorgeschlagen habe.

    Im Mittelpunkt hätten damals die gefallenen Soldaten gestanden. Die militärische Ausrichtung sei im Mittelpunkt gewesen. Im Laufe der Geschichte sei dann während der Naziherrschaft nicht mehr das Totengedenken, sondern Heldenverehrung im Mittelpunkt gestanden. In der DDR wurde der Volkstrauertag in einen Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors und Kampftag gegen den Faschismus und imperialistischen Krieg begangen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dann bewusst dieser Gedenktag von jeglicher politischen Gesinnung entkleidet, indem das Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt aus allen Lebensbereichen aufgenommen wurde

    Aden fragte dann, welche Botschaft hier vom Stadtfriedhof ausgehen könne, wo der Sinn dieser Veranstaltung liege? Jeder vernünftige, verantwortungsvolle Mensch sei für den Frieden, insbesondere gegen den Krieg. Er fragte, ob man im Angesicht des Elends, der Gewalt, der Ungerechtigkeit, der Brutalität und des Hasses den angegriffenen Parteien wirklich zumuten könne, die Waffen niederzulegen, sich zu unterwerfen, die weiße Fahne zu hissen? Er meinte provokant, dass ein Blick in die Natur lehre, dass wer leben will auch töten können müsse. Ein Riss gehe durch die Schöpfung.

    Befreiung Deutschlands von der Naziherrschaft sei nur mit Blut und Eisen möglich gewesen. Die EU sei auf den Schlachtfeldern Europas geschmiedet, Freiheit und Selbstbestimmung nur im blutigen Kampf errungen worden. Die Tatsache, dass die Teilnehmer einer solchen Gedenkveranstaltung immer weniger würden zeige, dass die Bürgerinnen und Bürger mit diesem Tag immer weniger anzufangen wüssten. Und das in diesen unruhigen und gefährlichen Zeiten.

    „Ich stehe hier in Uniform vor Ihnen“, sagte Aden. „Ich vertrete somit in den Augen vieler den Teil der Gesellschaft, der für das Blutvergießen verantwortlich ist… Ja: Soldaten werden zum Töten und zum Überleben ausgebildet.“ Die derzeitigen Entwicklungen in Nahost und Osteuropa, die Diskussionen über Waffenlieferungen und Aufrüstung, die Änderung der politischen Einstellung mancher Parteien zur Verteidigung und die Eskalation der Auseinandersetzungen zeigten, dass da etwas ins Rutschen gekommen sei. Umso mehr sei jeder angesprochen, daran mitzuwirken, dass aus dem Rutschen keine Lawine werde. Jeder einzelne sei gefordert, unabhängig von seiner politischen Einstellung, daran mitzuwirken, dass sich solche Katastrophen nicht wiederholten

    „Dazu gehört auch, dass man sich die Liste der Gefallenen, die hier hinter mir in Stein auf dem Stadtfriedhof eingemeißelt sind, bildlich vor Augen führt. Erst dann kann man nachvollziehen, was eine solche Auseinandersetzung für entsetzliche Opfer in fast jeder Familie gefordert hat.“ Wenn ein Mensch zu Tode komme, seien mittelbar 100 weitere betroffen: Die engere und weitere Familie, Freunde, Bekannte. Kriege seien eben keine Videospiele, sondern verursachten einen großen Blutzoll. Deshalb seien solche Veranstaltungen wichtig für die neue Politikergeneration, die den Krieg nur vom Hörensagen oder aus den Geschichtsbüchern kennengelernt hat, selbst einen Krieg aber nie erlebt habe.

    Pfarrer Alexander Köhrer von der Evangelischen Kirchengemeinde sprach ein Gebet für die vielen Opfer, deren hier gedacht wurde. Die Feier wurde musikalisch umrahmt von der Stadtkapelle Rottweil und dem Männergesangverein Germania Rottweil-Altstadt 1872. Am Ende der Feierstunde legten Oberbürgermeister Dr. Christian Ruf und Bürgermeisterin Ines Gaehn für die Stadt Rottweil, Vertreter der Ortsgruppe Rottweil des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, des VdK Ortsverbands Rottweil sowie der Reservistenkameradschaft Rottweil-Oberndorf Kränze am Ehrenmal nieder. Susanne Birkenmaier vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge bedankte sich bei allen die gekommen sind und die zum Gelingen dieser Gedenkfeier beigetragen haben.

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