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    Ein Blitzer, der nicht blitzt, und Raser, die gerne rasen

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    An der Steig in Rottweil steht derzeit der neue Blitzeranhänger der Stadt Rottweil. Dieses teure, hochmoderne Teil. Er hat einen Schönheitsfehler: Er blitzte vorübergehend, ein paar Tage lang, nicht mehr. Wobei – einige freut das. Sie nutzen das aus.

    Ein Taxifahrer, der die Rechts-vor-links-Regel nicht beachtet und den Einbiegenden fast rammt, mit überraschtem Gesichtsausdruck. Ein Sport-Kombi-Fahrer um die 30, der mit locker 50 vorbei düst – und der demjenigen, der ihn zum langsamer Fahren auffordert, den Stinkefinger aus dem offenen Seitenfenster zeigt. Ungezählte Autofahrer, die noch rasch an geparkten Wagen vorbeihuschen müssen, nach dem Motto: Ja nicht bremsen. Wer bremst, verliert. Und ein Blitzeranhänger, der nicht auslöst, wie schnell die Autos auch an ihm vorbeidonnern.

    Anwohner sind genervt

    Es ist Freitag gegen 12 Uhr, es herrscht großes Verkehrsaufkommen in der Steig, einer Verbindung zwischen Heer- und Tuttlinger Straße. Die Strecke ist zurzeit besonders beliebt, weil die Rottweiler Umgehungsstraße zwischen Bühlingen und Neufra gesperrt ist. Aber schon seit Jahren sind Anwohner vom Verkehr genervt.

    Einer hat jetzt reagiert. Hat der Stadtverwaltung sein Grundstück zur Verfügung gestellt, für den neuen Blitzeranhänger. „Am Sonntagabend ging das Zack-Zack-Zack“, sagt er vor Ort der NRWZ. Will sagen: Der Blitzer habe Schnellfahrer um Schnellfahrer erwischt. Einer nach dem anderen. Im Sekundentakt, fast. Kein Wunder: Er steht gut getarnt unter einem Baum.

    Tempo 30 gilt – das wird von einigen ignoriert

    Die Steig ist eine Straße, in der Tempo 30 gilt. Und da manche das ignorieren, kontrolliert die Stadtverwaltung nun eben mit ihrem neuen Blitzeranhänger. Die Anwohner freut’s, weil sie damit die Hoffnung auf eine gewisse Verkehrsberuhigung verbinden. Schlichte Gemüter werden zudem denken: Was kümmert’s mich, ich halte mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung, mir kann nichts passieren. Aber manche werden da ein bisschen stinkig: „Man merkt, dass die Stadt wieder Geld braucht“, heißt es dann. Immer wieder. „Raubritter“, so werden die Leute vom Ordnungsamt auch gerne genannt. Oft.

    Er blitzt gerade nicht

    Unter diesen Autofahrern – organisiert in Blitzer-Gruppen in WhatsApp oder Telegram oder auf Facebook – hat sich längst herumgesprochen: Der Rottweiler Blitzeranhänger in der Steig blitzt zurzeit nicht. Update: inzwischen ist er repariert.

    Das berichtet am Freitagmorgen auch ein Leser der NRWZ. Die macht den Test – ganz nach Gefühl und wissenschaftlich nicht belastbar. Und siehe da: Manche Autofahrer dengeln mit bis zu geschätzt 50 Kilometern pro Stunde vorbei und werden nicht geblitzt. Glück gehabt, mag man denken.

    „Stimmt, der Anhänger blitzt seit Dienstag nicht mehr“, bestätigt der Anwohner. Er habe einfach aufgehört. Mehrere Tage lang seien Mitarbeiter des Ordnungsamts und Techniker dran gewesen – aber bisher löst der Anhänger nicht aus. „Hochkomplexe Technik“, so die Einschätzung des Anwohners.

    Er gehört zu den Menschen in der Steig, die vom Verkehr sehr genervt sind. Seit zehn Jahren sei es richtig schlimm, berichtet er. „Vor zehn Jahren ist zum ersten Mal eine Katze von mir hier überfahren worden. Inzwischen hätten vier den Tod durch Autos gefunden. Mit seinen Fahrzeugen komme er kaum aus der Einfahrt raus, rückwärts schon gar nicht.

    „Eine Katastrophe, unerträglich“

    Navis wiesen die Verbindungsstraße als kürzeste Strecke aus – „wir hatten auch schon einen 40-Tonner hier.“ Und öfter mal einen SUV-Fahrer mit auswärtigem Kennzeichen, der richtig durchheizt. Seit die B 14 gesperrt ist, sei es „eine Katastrophe, unerträglich.“ Und am Wochenende würden jüngere Leute mit ihren lauten, getunten Wagen die Steig gerne nutzen.

    Der Anwohner steht nach eigenen Angaben daher schon lange im Kontakt mit der Stadtverwaltung (die die NRWZ um eine Stellungnahme zu der Sache mit dem kaputten Blitzer gebeten hat – siehe unten). Am liebsten hätte er eine Einbahnstraßenregelung gehabt, sagt er. Wollte die Stadt nicht, sagt er. Immerhin hat er nun kleine, seitliche Verkehrsinsel bekommen, die den fließenden Verkehr auch dann behindern, wenn gerade kein Auto dort parkt. „Ein Kompromiss“, so der Anwohner zur NRWZ. Er funktioniert in einem oberen Abschnitt der Steig ganz gut. Vor dem Telekom-Gebäude und hangabwärts dann wieder: freie Fahrt für freie Bürger. Tempo 30? Egal.

    Bürgermeister bestätigt

    „Ich kann Ihnen bestätigen, dass der Anhänger vorübergehend nicht geblitzt hat“, so Rottweils Bürgermeister Dr. Christian Ruf am Freitagabend auf Nachfrage der NRWZ. Das Ordnungsamt habe gerade einen Termin vor Ort mit der Herstellerfirma gehabt, um den Defekt zu beheben.

    „Wir gehen jedoch dennoch davon aus, dass die präventive Wirkung in Teilen besteht, da es viele Autofahrer wohl nicht darauf ankommen lassen dürften“, so Ruf weiter.

    Eine Auswertung der Fallzahlen vom aktuellen Standort an der Steig liegt der Stadt noch nicht vor. Der Anhänger stand jedoch bereits Ende Juni/Anfang Juli für etwa eine Woche an der Steig (Fahrtrichtung Tuttlinger Straße). „Die Anzahl der registrierten Verstöße war hier – auch im Vergleich zu anderen Standorten – nicht auffällig“, so der Bürgermeister. Das hatte der Anwohner anders geschildert.

    Seitdem der Blitzeranhänger seit Mitte Juni aktiv ist, habe es laut Ruf darüber hinaus lediglich einen Fall gegeben, in dem einem Autofahrer die Fahrerlaubnis entzogen werden musste. „Die ganz gravierenden Verstöße stellen daher bislang weit überwiegend die Ausnahme dar“, so Ruf.

    Er ergänzt: „Sollte ein Fahrer mit dem Handy am Ohr geblitzt werden, kann das beim Bußgeld berücksichtigt werden (mindestens 100 Euro und ein Punkt). Mit dem neuen Blitzeranhänger war das bislang aber nicht der Fall, wohl aber vereinzelt bei unseren sonstigen mobilen Messungen.“

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    Peter Arnegger (gg)
    Peter Arnegger (gg)
    … ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.