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    Ehemann im Rausch getötet: Urteil ist gesprochen

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    Zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren wegen Totschlags ist eine 54-jährige heute vom Landgericht Rottweil verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Frau ihren Mann mit sechs Messerstichen tötete. Zum Tatzeitpunkt stand sie unter starkem Alkoholeinfluss. Und Gewalt war in der Ehe an der Tagesordnung. Am Tatabend eskalierten die gegenseitigen Provokationen.

    (Rottweil/Schramberg). Es passierte am 12. Februar 2022 in einer Wohnung in Schramberg-Sulgen. Ein Sonntagabend gegen 20 Uhr: Ihr 54-jähriger Mann hält ihr ihren Alkoholkonsum vor, sie ihm, dass er sie schlage. Gegen 21.30 Uhr spitzt sich der Streit massiv zu. Sie greift nach einem Küchenmesser, sticht auf ihren Mann ein. Er flüchtet vor der Angreiferin noch aus der Küche und bricht am Sofa im Wohnzimmer zusammen. Und stirbt. Sie wird später versuchen, die Tat als Suizid darzustellen. Polizisten kamen ihr auf die Schliche – indem sie jeden Stein umdrehten, sorgfältig und ergebnisoffen ermittelten, wie das Gericht urteilte -, schickten sie ab März in Untersuchungshaft. Diese dauert nun fort, beschloss das Gericht.

     

    Die Verurteilte mit ihrem Verteidiger. Foto: gg

    Ruhig und gefasst, sie bereut die Tat

    Bewacht von zwei Polizeibeamten, an der Seite ihres Anwalts, ruhig und gefasst nahm die Frau, eine gebürtige Russin, am Montagnachmittag das Urteil auf. Eine gute Handvoll Menschen lauschen dem Spruch der Strafkammer vom Zuschauerraum aus.

    Sie bereut. Es sei für sie „schmerzhaft, wie eine glühende Gräte in mir“, sagte sie in ihrem letzten Wort vor der Urteilsverkündung. Es sei „etwas Schreckliches passiert“, sie erinnere sich nicht mehr an die Tat. Zum Tatzeitpunkt stand sie unter erheblichem Alkoholeinfluss, 3,64 Promille wurden in der Tatnacht gegen Mitternacht gemessen. Was aber immer in diesem Rausch vorgefallen sein mag, ihr Mann habe den Tod nicht verdient, sagte sie. Und redete sich ein, dass sie das nicht getan haben könne. „Doch, durch Ihre Hand“ sei ihr Mann ums Leben gekommen, so das Gericht.

    Toxische Beziehung

    Auch der Mann, der Getötete, hatte eine Vergangenheit. Die Tochter und seine erste Ehefrau hatten bereits ein Kontaktverbot gegen ihn erwirkt. Er war bereits in seiner ersten Ehe gewalttätig geworden. „Diesen ganzen Ärger“ habe er in die neue Beziehung hineingetragen, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung. Unter Alkoholeinfluss wurde er unberechenbar, eine toxische Beziehung sei das gewesen. Er war höhnisch, beleidigend, aggressiv, gewalttätig, wenn er getrunken hatte. Das habe sie lange Zeit ausgehalten, Gewalt sei an der Tagesordnung gewesen. Manchmal habe sie sich gewehrt, was dann allerdings zu einer Eskalation des Streits geführt habe.

    Nie aber sei er suizidgefährdet gewesen. Und die Ermittlungen hätten ergeben: „Wie die Tat begangen wurde, wie die Stichkanäle verlaufen sind, ist ein Suizid auszuschließen“, so das Gericht.

    Wie das Strafmaß zustande kam

    Die „höhergradige Alkoholisierung“ der Frau sei bei der Strafzumessung zu berücksichtigen gewesen, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung. Auch, dass der Streit an jenem Abend ein für sie unerträgliches Ausmaß angenommen hatte, der ebenfalls betrunkene Ehemann habe sie provoziert und aufs Schlimmste beleidigt, wurde übergriffig, schlug sie, davon ist das Gericht überzeugt. Er filmt sie, der Streit ist damit digital festgehalten worden. Es fallen schlimme Beleidigungen, er demütigt sie. Ihre Wut steigert sich, sie gibt zurück, es eskaliert. Er schreibt ihr noch eine Nachricht, dass sie doch verschwinden solle. Dass er lieber allein leben würde. Nun beginnt sie, ihn zu provozieren. Er nennt sie eine Schlampe, eine Hure, sagt, sie solle abhauen. „Du gehst und ich bleibe.“ Er holt noch ein letztes Mal zu einem leichteren Schlag aus. Sie greift zum Messer, sticht sechsmal wuchtig zu, einer der Stiche trifft das Herz. Minutenlang röchelnd stirbt er gegen 21.40 Uhr. Anschließend habe es ihr leidgetan, auch heute noch bereue sie die Tat. Sie benötigte aber Stunden, um sich an eine Freundin zu wenden, die dann die Rettungskräfte alarmierte. Der Notarzt wird feststellen, dass der Mann schon etwa zwei Stunden tot war, als er eintraf.

    Immerhin habe sie vor Gericht nicht gelogen. Es sei zu honorieren, dass sie an ihrer ursprünglichen Version des Suizids nicht festgehalten habe. Dass sie nun vielmehr erklärt habe, sich nicht mehr erinnern zu können. Und die Beziehung mit dem Getöteten sei äußerst toxisch gewesen. Die Frau sei auch hier in Deutschland nun alleine, habe niemanden mehr.

    Die Kammer habe intensiv darüber diskutiert, ob „nur“ ein bedingter Tötungsvorsatz vorliege, dass sein Tod billigend in Kauf genommen, nicht aber von ihr absolut beabsichtigt war. Das wurde bejaht. Schon die hohe Alkoholisierung zur Tatzeit lasse auf einen bedingten Vorsatz schließen. Auch sei es nicht auszuschließen, dass ihre Steuerungsfähigkeit in ihrem „Dämmerzustand“, in dem sie sich teils befunden habe, eingeschränkt gewesen sei. Es habe auch keine Hinweise darauf gegeben, dass die Frau habe wissen können, dass sie betrunken zu Gewalt neigt, dass sie sich bewusst in den Zustand gebracht habe.

    Andererseits sei die Tat dem Mord sehr nahe. „Sie kann nur überraschend zugestochen haben.“ Also heimtückisch.

    Der Strafrahmen damit: zwei bis elf Jahre Haft. Die Kammer entschied sich ungefähr für die Mitte.

    Das Urteil ist bisher nicht rechtskräftig. Die Frau kann Revision einlegen. Sie wurde nach der rund einstündigen Urteilsbegründung abgeführt.

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    Peter Arnegger (gg)
    Peter Arnegger (gg)
    … ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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    Zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren wegen Totschlags ist eine 54-jährige heute vom Landgericht Rottweil verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Frau ihren Mann mit sechs Messerstichen tötete. Zum Tatzeitpunkt stand sie unter starkem Alkoholeinfluss. Und Gewalt war in der Ehe an der Tagesordnung. Am Tatabend eskalierten die gegenseitigen Provokationen.

    (Rottweil/Schramberg). Es passierte am 12. Februar 2022 in einer Wohnung in Schramberg-Sulgen. Ein Sonntagabend gegen 20 Uhr: Ihr 54-jähriger Mann hält ihr ihren Alkoholkonsum vor, sie ihm, dass er sie schlage. Gegen 21.30 Uhr spitzt sich der Streit massiv zu. Sie greift nach einem Küchenmesser, sticht auf ihren Mann ein. Er flüchtet vor der Angreiferin noch aus der Küche und bricht am Sofa im Wohnzimmer zusammen. Und stirbt. Sie wird später versuchen, die Tat als Suizid darzustellen. Polizisten kamen ihr auf die Schliche – indem sie jeden Stein umdrehten, sorgfältig und ergebnisoffen ermittelten, wie das Gericht urteilte -, schickten sie ab März in Untersuchungshaft. Diese dauert nun fort, beschloss das Gericht.

     

    Die Verurteilte mit ihrem Verteidiger. Foto: gg

    Ruhig und gefasst, sie bereut die Tat

    Bewacht von zwei Polizeibeamten, an der Seite ihres Anwalts, ruhig und gefasst nahm die Frau, eine gebürtige Russin, am Montagnachmittag das Urteil auf. Eine gute Handvoll Menschen lauschen dem Spruch der Strafkammer vom Zuschauerraum aus.

    Sie bereut. Es sei für sie „schmerzhaft, wie eine glühende Gräte in mir“, sagte sie in ihrem letzten Wort vor der Urteilsverkündung. Es sei „etwas Schreckliches passiert“, sie erinnere sich nicht mehr an die Tat. Zum Tatzeitpunkt stand sie unter erheblichem Alkoholeinfluss, 3,64 Promille wurden in der Tatnacht gegen Mitternacht gemessen. Was aber immer in diesem Rausch vorgefallen sein mag, ihr Mann habe den Tod nicht verdient, sagte sie. Und redete sich ein, dass sie das nicht getan haben könne. „Doch, durch Ihre Hand“ sei ihr Mann ums Leben gekommen, so das Gericht.

    Toxische Beziehung

    Auch der Mann, der Getötete, hatte eine Vergangenheit. Die Tochter und seine erste Ehefrau hatten bereits ein Kontaktverbot gegen ihn erwirkt. Er war bereits in seiner ersten Ehe gewalttätig geworden. „Diesen ganzen Ärger“ habe er in die neue Beziehung hineingetragen, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung. Unter Alkoholeinfluss wurde er unberechenbar, eine toxische Beziehung sei das gewesen. Er war höhnisch, beleidigend, aggressiv, gewalttätig, wenn er getrunken hatte. Das habe sie lange Zeit ausgehalten, Gewalt sei an der Tagesordnung gewesen. Manchmal habe sie sich gewehrt, was dann allerdings zu einer Eskalation des Streits geführt habe.

    Nie aber sei er suizidgefährdet gewesen. Und die Ermittlungen hätten ergeben: „Wie die Tat begangen wurde, wie die Stichkanäle verlaufen sind, ist ein Suizid auszuschließen“, so das Gericht.

    Wie das Strafmaß zustande kam

    Die „höhergradige Alkoholisierung“ der Frau sei bei der Strafzumessung zu berücksichtigen gewesen, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung. Auch, dass der Streit an jenem Abend ein für sie unerträgliches Ausmaß angenommen hatte, der ebenfalls betrunkene Ehemann habe sie provoziert und aufs Schlimmste beleidigt, wurde übergriffig, schlug sie, davon ist das Gericht überzeugt. Er filmt sie, der Streit ist damit digital festgehalten worden. Es fallen schlimme Beleidigungen, er demütigt sie. Ihre Wut steigert sich, sie gibt zurück, es eskaliert. Er schreibt ihr noch eine Nachricht, dass sie doch verschwinden solle. Dass er lieber allein leben würde. Nun beginnt sie, ihn zu provozieren. Er nennt sie eine Schlampe, eine Hure, sagt, sie solle abhauen. „Du gehst und ich bleibe.“ Er holt noch ein letztes Mal zu einem leichteren Schlag aus. Sie greift zum Messer, sticht sechsmal wuchtig zu, einer der Stiche trifft das Herz. Minutenlang röchelnd stirbt er gegen 21.40 Uhr. Anschließend habe es ihr leidgetan, auch heute noch bereue sie die Tat. Sie benötigte aber Stunden, um sich an eine Freundin zu wenden, die dann die Rettungskräfte alarmierte. Der Notarzt wird feststellen, dass der Mann schon etwa zwei Stunden tot war, als er eintraf.

    Immerhin habe sie vor Gericht nicht gelogen. Es sei zu honorieren, dass sie an ihrer ursprünglichen Version des Suizids nicht festgehalten habe. Dass sie nun vielmehr erklärt habe, sich nicht mehr erinnern zu können. Und die Beziehung mit dem Getöteten sei äußerst toxisch gewesen. Die Frau sei auch hier in Deutschland nun alleine, habe niemanden mehr.

    Die Kammer habe intensiv darüber diskutiert, ob „nur“ ein bedingter Tötungsvorsatz vorliege, dass sein Tod billigend in Kauf genommen, nicht aber von ihr absolut beabsichtigt war. Das wurde bejaht. Schon die hohe Alkoholisierung zur Tatzeit lasse auf einen bedingten Vorsatz schließen. Auch sei es nicht auszuschließen, dass ihre Steuerungsfähigkeit in ihrem „Dämmerzustand“, in dem sie sich teils befunden habe, eingeschränkt gewesen sei. Es habe auch keine Hinweise darauf gegeben, dass die Frau habe wissen können, dass sie betrunken zu Gewalt neigt, dass sie sich bewusst in den Zustand gebracht habe.

    Andererseits sei die Tat dem Mord sehr nahe. „Sie kann nur überraschend zugestochen haben.“ Also heimtückisch.

    Der Strafrahmen damit: zwei bis elf Jahre Haft. Die Kammer entschied sich ungefähr für die Mitte.

    Das Urteil ist bisher nicht rechtskräftig. Die Frau kann Revision einlegen. Sie wurde nach der rund einstündigen Urteilsbegründung abgeführt.

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