In der Nacht zu Dienstag ist im Alter von 83 Jahren der langjährige Leiter des Rottweiler Stadtarchivs Dr. Winfried Hecht verstorben – ein brillanter, streitbarer Historiker und Museumsleiter, Kämpfer für den Denkmalschutz und Impulsgeber für das kulturelle Leben in Rottweil. Mit immenser Kenntnis hat er unermüdlich das Geschichts- und Heimatbewusstsein in der Region, die ihm in besonderer Weise am Herzen lag, gefördert und geprägt. Der NRWZ war er von Beginn an eng verbunden.
Es hätte auch die auswärtige Kulturarbeit oder die Byzantinistik werden können: Als Winfried Hecht 1967, gerade 26 Jahre alt, seinen Doktor der Philosophie in der Tasche hatte, standen ihm viele Wege offen. Er hatte in Tübingen Geschichte, Romanistik und politische Wissenschaften studiert, war also in mehreren Fächern beschlagen.
An der Universität Würzburg war er mit einer Arbeit über die byzantinische Außenpolitik zur Zeit der letzten Komnenenkaiser (1180-1185) promoviert worden. Nahtlos schloss sich ein Einstieg beim Goethe-Institut an, wenngleich auch die universitäre Forschung und Lehre den jungen Wissenschaftler gereizt hätte und als Option lange offenblieb.
Dann jedoch war in Rottweil die Stelle Stadtarchivars ausgeschrieben, der Geschichts- und Altertumsverein trat an Hecht heran – und der warf ohne Zögern seinen Hut in den Ring. „Rottweil und seine Geschichte haben mich seit meiner Kindheit fasziniert“, erinnerte sich Hecht in einem Gespräch mit der NRWZ. Obwohl 1941 in Stuttgart geboren, war er hier, in der Heimatstadt seiner Mutter aufgewachsen, zur Schule gegangen und hatte am Albertus Magnus-Gymnasium das Abitur gemacht.
Am 2. Januar 1968 trat Winfried Hecht seinen Dienst im Rottweiler Stadtarchiv an. Und steckte von Beginn an seine ganze Tatkraft in diese Aufgabe. 1969 etwa initiierte er zum 450. Jubiläum des „ewigen Bundes“ zwischen Rottweil mit der Eidgenossenschaft das „Schweizerfest“: ein mehrtägiges Programm, das historische Tiefe lebendig machte, aber auch viel freundschaftliche Begegnung ermöglichte – bis hin zu einer denkwürdigen Partie zwischen dem VFB Stuttgart und den Young Boys Bern.
Historische Jubiläen waren freilich nur ein Aspekt seines vielfältigen Wirkens im Stadtarchiv, an dessen Spitze Winfried Hecht bis 2007 stand – stolze 38 Jahre. Zumal er zugleich die städtischen Museen leitete. Unter seiner Ägide zog das Stadtarchiv 1981 vom beengt gewordenen Alten Gymnasium in die Engelgasse. Die Sanierung der Lorenzkapelle und der Bau des Dominikaner-Museums, mit dem Rottweil viele seiner Kunstschätze endlich angemessen präsentieren und auch in der Infrastruktur zu den bedeutenden Denkmalstädten im Land aufschließen konnte, fallen in seine Amtszeit.
Zusammen mit seinem späteren Nachfolger Gerald Mager hat er hervorragende Ausstellungen erarbeitet, etwa zur Revolution 1848/49, die zu den besten Geschichts-Präsentationen im Land zu diesem Thema zählte. Ein Herzensanliegen war für Hecht stets die Denkmalpflege, für die er sich konsequent ins Zeug legte – in seiner Position gestärkt durch den Vorsitz des Geschichts- und Altertumsvereins, den er von 1971 bis zum Jahr 2001 innehatte.
Dass Rottweil als „Stadt der Brunnen“ firmieren kann, dass etwa der Apostel- und der Georgs-Brunnen wieder zum Stadtbild gehören, ist nicht zuletzt seinem beharrlichen Argumentieren zu verdanken. Ähnlich beim Kapellenturm: Ohne die Hartnäckigkeit Winfried Hechts wäre es kaum gelungen, Gelder des Bundes für das „Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung“ loszueisen und damit den bedeutenden Figurenschmuck rekonstruieren zu lassen.
Wie unmittelbar sich solche Anliegen auf das Ansehen der Stadt und insbesondere die Lebensqualität auswirken, liegt auf der Hand. Mit Denkmalschutz und Geschichtsbewusstsein ist es eine eigentümliche Sache: Beides hat ungleich mehr mit dem Kommenden als dem Vergangenen zu tun. Wer historische Substanz umsichtig bewahrt, der arbeitet auch an der Identität einer Stadtgesellschaft. Der ermöglicht Heimat – im besten Sinne und mit weitem Horizont.
Anstöße zu Neuem schließt dies ausdrücklich ein: So war es Winfried Hecht wichtig, an der Brücke der Nordumgehung eine Nepomuk-Plastik aufzustellen und damit an alte Bräuche anzuknüpfen. „Wir sollten die Traditionen unserer Kulturlandschaft nicht einfach aufgeben“, bekräftigte Hecht dazu.
Dass Winfried Hecht bei all dem noch den Elan fand, wissenschaftlich zu arbeiten, muss erstaunen: Mehrere Hundert Bücher, Aufsätze und Artikel hat er verfasst – einen großen Teil davon sogar im Ruhestand, in dem er eine beachtliche Schaffenskraft an den Tag legte.
Herausragend ist insbesondere seine fünfbändige Geschichte Rottweils – eine quellengesättigte Darstellung über die Jahrhunderte, die, wie alle andere Publikationen Hechts, von einem beeindruckenden Wissen zeugt. Hinzu kommen etliche weitere Veröffentlichungen, mit denen er auf Themen aufmerksam machte, die aus seiner Sicht Aufmerksamkeit verdient hatten – indem er etwa den Rottweiler Zünften nach und nach eine Chronik schenkte. Und damit versuchte, das historisch-kulturelle Bewusstsein zu stärken, das ihm so wichtig war und seiner Überzeugung nach ein unverzichtbares Fundament für Identität und gesellschaftliche Verbundenheit bildet.
Aus diesem Wertehorizont heraus unterstützte Winfried Hecht auch das Projekt, in Rottweil nach dem Aus für die Lokalausgabe der „Schwäbischen Zeitung“ 2004 durch die Gründung der Neuen Rottweiler Zeitung die Presse- und Meinungsvielfalt vital zu halten. Eine zweite Zeitung entsprach in Hechts Augen schlicht Rottweils historischem Rang. Deshalb war er von Beginn an Mitglied des NRWZ-Vereins und der NRWZ, die er als Teil der Rottweiler Identität schätzte, herzlich verbunden – was kritische Nachfragen dezidiert einschloss.
Die schwere Krankheit, der er nun erlag, trug Winfried Hecht mit bemerkenswerter Haltung und Würde. Es schien, als ob er aus den Projekten, die er mit zähem Fleiß weiter bearbeitete, Kraft ziehen konnte.
Zahlreiche Auszeichnungen bis zum Bundesverdienstkreuz und der Staufer-Medaille untermauerten im Lauf der Jahre, dass Winfried Hecht, der sich in verschiedensten Initiativen und Anliegen einbrachte, eine wichtige Instanz des öffentlichen Diskurses und eine herausragende, prägende Persönlichkeit war.
Rottweil und die Region haben ihm viel zu verdanken.