Döner, schwarz, ohne Steuer
Weil sie schwarz Döner bezogen und bei Getränkeeinkäufen und weiteren Abrechnungen gegenüber dem Finanzamt getrickst haben sollen, müssen sich die Betreiber eines Rottweiler Dönerlokals aktuell vor dem Amtsgericht verantworten. Es ging um 105.000 Euro - eine Steuerschuld besteht aber aktuell nicht mehr: „Alle strafrechtlich relevanten Beträge sind bezahlt“, sagte ein Steuerfahnder am Mittwoch. Und dennoch wurde ein mehrtägiges Verfahren eröffnet. Denn es geht um eine Bestrafung.
Den Beginn der Geschichte markiert aus Behördensicht eine Razzia der zuständigen Steuerfahndung bei einem Lieferanten für Dönerspieße im Raum Karlsruhe. Durch Rechnungssplitting soll es der Lieferant seinen Kunden ermöglicht haben, Waren – Dönerspieße – schwarz einzukaufen. Unter den Kunden soll der Rottweiler Betrieb gewesen sein, das geht aus Tourenlisten hervor. 2017 ging diese Erkenntnis an die Fahndungsstelle im Finanzamt Rottweil. Dieses stellte dann fest, dass die eingereichten Steuerzahlen des Rottweiler Betriebs nicht stimmten.
Auch bei den Getränken und den Einnahmen an seinen Gewinnspielgeräten sollen die Betreiber gemauschelt habe. So hätten sie unrichtige beziehungsweise unvollständige Einkommens-, Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen eingereicht, und das in den Jahren 2013 bis 2017. Tausende Euro an Einkommenssteuer, Solidaritätszuschlag, Umsatz- und Gewerbesteuer sollen sie so hinterzogen haben. In Summe: 105.000 Euro, rechnete die Staatsanwaltschaft vor. Er habe die Geschäfte gemacht hat, die Frau des Imbissinhabers habe die Buchführung in jenen Jahren erledigt. Sie gilt der Anklage daher als mitverantwortlich, wird für dieselben Vorwürfe verantwortlich gemacht. Schon in den Jahren zuvor habe es Fehler in der Buchführung gegeben, worauf das Finanzamt sie damals hinwies. Das damals darauf folgende Verfahren wurde eingestellt.
Das Finanzamt ermittelte intensiv gegen die beiden. Und stellte am Ende eine Steuerschuld fest, die inzwischen beglichen wurde. Doch auch das hilft den beiden, einem Ehepaar, nicht aus der Patsche: Vor Gericht geht es um die strafrechtlichen Folgen, da ihnen Absicht unterstellt wird. Es wird ihnen allerdings bei der Strafzumessung zugutegehalten werden, dass gegenüber dem Finanzamt keine Steuerschulden mehr offen sind. Derweil wirken die beiden keinesfalls wie abgezockte Verbrecher, die hier das Finanzamt betrügen wollten, allenfalls wie Leute, die eine ziemlich miese Buchhaltung aufgestellt hatten. Und doch – ein Steuerfahnder vermutet Methode.
Nun das neuerliche Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Gegen die Strafbefehle haben beide Angeklagten Einspruch eingelegt. Es dauert ein paar Minuten, bis sich die beiden Angeklagten – ein freundlich wirkendes Paar im gesetzteren Alter – mit ihren beiden Anwälten und der Dolmetscherin auf eine Sitzordnung an der nur für vier Leute geschaffenen Anklagebank geeinigt haben. Anschließend aber wird es geschäftsmäßig still. Und erwartungsvoll. Ihnen frontal gegenüber sitzen zwei Mitarbeiter von der Steuerfahndung des Rottweiler Finanzamts. Beide Seiten scheinen sich ihrer Sache sicher, geringschätzige Blicke gehen hin und her durch den Gerichtssaal.
„Ich bin unschuldig, mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“ Der Imbissbetreiber lässt das über seine Dolmetscherin gegenüber der Amtsrichterin erklären. Er tut es dann dennoch: „Meine Frau hat mit den Einkäufen nichts zu tun“, ergänzt er. Sie habe einfach nur die Belege zum Steuerberater gebracht, die er ihr gegeben habe. Er habe die Lebensmittel bei der Dönerfirma, die Getränke bei einer Brauerei und einem Getränkelieferanten bestellt. „Außer mir hat das keiner gemacht, weil keiner gewusst hat, was gefehlt hat.“ Demnach seien die Belege für die Einkäufe zunächst an ihn gegangen. Er habe sie an seine Frau weitergegeben, die sie dem Steuerberater überstellt habe. Nur als Botin, sozusagen. Der Fleischeinkauf, der sei bar gelaufen. Er habe Quittungen dafür erhalten, die abschließend beim Steuerberater gelandet seien. Und die Geldspielautomaten? Die seien gar nicht gelaufen, die hätte er abbauen lassen, an denen habe er nichts verdient. Allerdings: Auch die Abrechnungen darüber seien an seinen Steuerberater gegangen, zudem an die Stadtverwaltung Rottweil für die Vergnügungssteuer. Ohne Manipulation.
Und seine Verkäufe über die Ladentheke: Die habe er alle in seine Kasse eingegeben, erklärte der Mann. Am Abend habe er die Abrechnung rausgelassen und den Bestand geprüft. An einem normalen Tag sei ein 20-Kilo-Dönerspieß so verkauft worden (bis auf den vertrockneten Rest von rund zwei Kilogramm, wie er, ganz der fürsorgliche Gastronom, anmerkte). Die Spieße gibt es offenbar mit unterschiedlichem Gewicht und Größe. So kann der Dönerlokalbetreiber je nach erwartetem Tagesgeschäft auflegen.
Die beiden sind derweil schon lange im Geschäft. Seit 30 Jahren besteht ihr Imbiss in Rottweil. Sie beschreibt sich gegenüber dem Gericht als für vieles zuständig: Zubereitungen, Kundenbestellungen, Saubermachen, nicht aber für Bestellungen und Lieferungen. Jedoch, „weil mein Mann das etwas unordentlich gemacht hatte“, für das Abheften der von ihr sortierten Belege. Nach dem Kassensturz am Abend habe sie die Summen abhängig von der Mehrwertsteuer außerdem in eine Excel-Tabelle eingetragen. Die so gesammelten Unterlagen seien einmal pro Monat von der Steuerberaterin – von der Frau als „schön pingelig“ beschrieben – abgeholt worden, die sich dann um die eigentliche Buchhaltung, die Steuererklärungen und die Abschlüsse gekümmert habe. Bestellungen habe sie nie getätigt, so die Mitinhaberin des Imbisses. Aber sie war für die Kinder zuständig. Vor Gericht kamen in diesem Zusammenhang auch private Schwierigkeiten zur Sprache.
Vor Gericht demonstriert die Frau, wie sie die Belege aus dem Betrieb in den fraglichen Jahren abgearbeitet haben will – ein aufs Einfachste miniminiertes System, bei dem sie nie die Belege inhaltlich geprüft, sondern einfach nach den beiden Oberbegriffen „Bank“ und „Kasse“ abgeheftet habe. Das habe sie nicht einmal täglich, sondern „vielleicht einmal pro Woche gemacht.“ Und „dienstags war bei uns Döner, freitags Brauerei. Und montags Gemüselieferant.“ Heute spielt sie die Daten online ein.
Bemerkenswert: Die vom Finanzamt vorgelegten Nachforderungen haben die beiden bereits bezahlt. Einer der Steuerfahnder erklärte, es bestehe zum heutigen Tag keine Steuerschuld mehr. Das aber schützt vor Strafe nicht, erklärte er im Gespräch mit der NRWZ weiter. Es gehe nun darum, ob den beiden Absicht unterstellt werden kann, ob sie deshalb strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen seien. Es könne sich allenfalls bei der Strafzumessung günstig für sie auswirken, dass sie ihre Schulden bereits beglichen haben.
Dagegen steht das schiere Ausmaß, das die Steuerhinterziehung wohl hatte. Der Karlsruher Lieferant für Dönerspieße soll methodisch schwarz Waren an seine Kunden geliefert haben, an eine Vielzahl von Kunden. Allein nach Rottweil soll Dönerfleisch im Wert von 75.000 Euro am Finanzamt vorbei geliefert worden sein. „Schwarz eingekaufte Dönerspieße“, wie es der Rottweiler Steuerfahnder nannte, der damals mit dem Fall befasst, heute in Pension ist. Er kalkulierte den Einkauf des Betriebs nach, Fleisch, Getränke, Gemüse. Die Brauerei übermittelte dem Steuerfahnder etwa auf Anforderung die Lieferlisten für Fässer und Flaschenbier. Abzüglich sogenanntem Schankverlust von drei Prozent. Und weiteren zehn Prozent als „Unsicherheitsabschlag“ für mögliche Verkaufspreise.
Der Fahnder stellte einige Unstimmigkeiten fest. Beispielsweise: kiloweise Würfelzucker, aber nur ein Kilogramm Kaffee eingekauft. „Das passte nicht, die Buchhaltung stimmte nicht.“ Es wurden auch keine Erlöse aus Geldgewinnen an den Spielgeräten angegeben. „Diese Beträge standen nirgendwo.“ Auch habe er in manchen Jahren keinen Beleg über den Einkauf von Hefe gefunden. Mehl schon. Im Jahr 2017 sei der Kauf von 6916 Kilogramm Mehl belegt worden, aber nur zehn Kilogramm Hefe. „So funktioniert das nicht“, so könne man keine Pizza, keinen Döner herstellen. Und dann gab es Anschaffungen in Höhe von tausenden Euro, etwa für neue Fenster und eine Küchenzeile, bei denen
So ein Dönerimbiss sei ein Bargeldintensivbetrieb. Da brauche es detaillierte Aufzeichnungen der Einnahmen und Ausgaben, der „Geschäftsvorfälle“, mahnte der pensionierte Steuerfahnder an. Dem sei der Imbiss nicht gefolgt. Beispiel: Eine 2010 angeschaffte Registrierkasse sei erst 2015 in Betrieb genommen worden. Bis dahin soll der Wirt seine Einnahmen auf Kellnerzetteln notiert haben – von denen dann aber kein einziger in der Buchhaltung aufgetaucht sei. Grob mangelhaft sei das gewesen, die gesamte Buchhaltung deshalb zu verwerfen, wie das unter Finanzbeamten heißt.
So sei ein Mehrerlös allein bei Getränken von mindestens 155.000 Euro entstanden, der dem Finanzamt gegenüber nicht angegeben worden sei. Und beim Döner 75.000 Euro, ungefähr die doppelte Menge des Angegebenen. „Es kann nicht weniger gewesen sein“, und er habe zurückhaltend gerechnet, sagte der Steuerfahnder. Man habe angesichts der Mängel die Einnahmen schätzen müssen und die Steuerschuld berechnen. Vorher hatten die beiden Imbissbetreiber im Rahmen einer Durchsuchung das Finanzamt im Haus, bei der sogar Pizzaschachteln gezählt wurden. Auch bei der Steuerberaterin wurde durchsucht. Die Imbissbetreiber stehen zudem im Verdacht, Geld auf Auslandskonten, auf Sparbüchern untergebracht zu haben, die sie bislang nicht offengelegt haben. In einem von ihnen gemieteten Schließfach bei der Kreissparkasse fand man 20.000 Euro in bar, deren Herkunft ebenfalls ungeklärt sei (und das für die Hochzeit des Sohnes angespart worden sei und nicht vom Finanzamt beschlagnahmt wurde).
Der Prozess wird mit weiteren Zeugenvernehmungen fortgesetzt. Den beiden droht eine Geldstrafe, hieß es.
Ob es übrigens weitere Empfänger möglicherweise schwarz angelieferter Karlsruher Dönerspieße im Raum Rottweil gibt, wurde vor Gericht nicht deutlich. Eine entsprechende Nachfrage der Verteidigerin des Imbissbetreibers wiesen die Finanzamtsvertreter zurück: „Steuergeheimnis.“