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    „Diskussion wird rauer“ – Rottweils Landrat und OB zur Coronazeit und zum (eher düsteren) Ausblick

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    ROTTWEIL. Am Anfang war der Protest gegen die Coronamaßnahmen. Dann der Protest gegen den Protest. Als die Lage zu eskalieren drohte, folgte die Einladung zu einer Online-Debatte an die „Spaziergänger“. Statt diese in größerer Zahl wahrzunehmen, demonstrierten diese lieber. Dennoch bleibt etwas von der Debatte: eine Zusammenfassung und zwei Stellungnahmen von Rottweils Landrat Michel und Oberbürgermeister Broß. In diesen äußern sie Lob für den bisherigen Zusammenhalt und die Leistung Einzelner. Aber auch Befürchtungen im Hinblick auf die Zukunft.

    Der Montag ist der Tag der Spaziergänger in Rottweil. Seit Dezember 2021 treffen sie sich immer montags um 18 Uhr in der historischen Innenstadt und protestieren gegen die Coronapolitik. Unter anderem, denn mittlerweile, da die Maßnahmen weitgehend zurückgefahren sind, stellen sie sich nach eigenen Angaben „gegen Impfzwang, gegen Machtmissbrauch, für Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung.“ Inzwischen als ein angemeldeter Demonstrationszug. Wobei: Da war doch noch was. Gegenprotest. Dieser mündete in eine Online-Debatte und diese nun in ausführliche Stellungnahmen von Landrat und Oberbürgermeister.

    Aufflammen der Proteste und Widerstand dagegen

    Im Dezember und Januar erreichte die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesen Protesten mit rund 1400 Menschen einen Höchststand. Zu viel für Peter Bruker und Elke Reichenbach, die sich spontan zusammentaten und mit Unterstützung des Stadtjugendrings und weiteren Engagierten aus unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen am Montag, 17. Januar, um 18 Uhr erstmals eine öffentliche Mahnwache vor dem Alten Rathaus veranstalteten. Sie hätten damit gezeigt, „Rottweil darf nicht den Spaziergängern überlassen werden“, formulieren sie ihre Beweggründe. Unter dem Slogan „Wir zeigen Gesicht, aber mit Maske“ luden sie in den folgenden drei Wochen zur angemeldeten Menschenkette in der Oberen Hauptstraße ein, um ihr Ja zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und zu einem solidarischen Miteinander im Kampf gegen Corona deutlich zu machen. Der Einladung folgten mehrere Hundert Bürgerinnen und Bürger.

    Bild von der Menschenkette. Archiv-Foto: gg

    „Wir wollten Präsenz zeigen und die Demokratie stärken“

    „Wichtig war es dabei, Präsenz zu zeigen, deutlich zu machen, dass Rottweil nicht nur von Gegnern der Corononamaßnahmen dominiert wird, sondern viele Bürger die nicht immer leicht verständliche Coronapolitik von Bund und Ländern mittragen und damit die Demokratie stärken“, so Reichenbach und Bruker nun, im Mai 2022, in einer gemeinsamen Erklärung. Die Menschenketten hätten dafür ein wichtiges Signal gebildet, auf der anderen Seite aber Reibungsfläche geboten für scharfe Auseinandersetzungen. „Sie führten leider nicht zu einem fruchtbaren Dialog“, lautet das Fazit der Initiatoren. „Ein Austausch von Argumenten zwischen den beiden Gruppen fand nur sehr marginal statt.“

    Um die Situation zu entschärfen, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen, entschlossen sich die Veranstalter der Menschenkette dann nach eigenen Angaben, einen neuen Weg zu gehen. Statt erneut zu einer Menschenkette luden sie am Montag, 14. Februar, unter dem Slogan „Ja, wir sollten miteinander reden“ erstmals zu einem moderierten Onlineaustausch ein. Dem rund zweistündigen Gedanken. Und Meinungsaustausch folgten rund 80 Bürgerinnen und Bürger.

    Zahlreiche unter ihnen forderten die Zusammenfassung der moderierten Runde an. In Briefen an  Landrat Dr. Wolf-Rüdiger Michel und Oberbürgermeister Ralf Broß fassten die Veranstalter nach eigenen Angaben die Ergebnisse des Online-Austausches zusammen. Sie baten zugleich um eine Stellungnahme zu konkreten Fragen, Bedenken und Wünschen, die die Bürgerinnen und Bürger während des Onlineaustausches geäußert hatten.

    Bitte um Stellungnahme

    Diese Stellungnahmen von Michel und Broß liegen nun vor. Sie sind umfangreich, die NRWZ gibt sie im vollen Wortlaut wieder. Zur Verfügung gestellt haben sie die Initiatoren des Protests gegen die Spaziergänge, Reichenbach und Bruker.

    Diese hatten zunächst ein Schreiben an Michel und Broß gesandt. Darin heißt es:

    Ein Ziel der Veranstaltung war auch, die Aussagen der Teilnehmer*innen zu sammeln und an Verantwortliche in Politik und Verwaltung auf Stadt-, Kreis-, Landes- und Bundesebene zu schicken, um dort den Anliegen der Bürger*innen Nachdruck zu verleihen. Wir haben die in drei Gesprächsrunden und mehreren Kleingruppen anonym gesammelten Aussagen zusammengestellt und leiten sie Ihnen mit der Bitte zu, dazu zeitnah Stellung zu nehmen.

    Uns ist durchaus bewusst, dass die meisten Wünsche und Forderungen nicht auf städtischer oder Landreisebene erfüllt werden können, da die Stadt selbst Corona-Anordnungen von Land und Bund erfüllen muss. Zudem sind geäußerte Erwartungen häufig abstrakt und nur durch gesamtgesellschaftliche Anstrengungen unterschiedlicher Art mittel- und langfristig zu ändern. Wir denken dabei an Äußerungen wie: „strukturelle Probleme angehen, die durch die Pandemie sichtbar wurden“ oder „vorurteilsfreier Umgang anderen gegenüber“. 

    Dennoch haben wir am Montag erneut wahrgenommen, dass die Bürger*innen als ersten Ansprechpartner die Stadt und als dessen wichtigsten Vertreter den Oberbürgermeister sehen und sich auch von ihm wertgeschätzt und ernst genommen sehen wollen.

    Das auch, weil konkrete Forderungen zur Umsetzung vor Ort genannt wurden, etwa der Wunsch nach Beratungsmöglichkeiten für Long-Covid-Patienten,  erhöhten PCR-Testangeboten im Landkreis oder einer moderierten Online-Austauschplattform.

    Schreiben von Peter Bruker und Elke Reichenbach an Landrat Dr. Wolf-Rüdiger Michel und Oberbürgermeister Ralf Broß

    Online-Austausch – die Ergebnisse

    Dem Landrat und dem Oberbürgermeister haben je eine Zusammenfassung vorgelegen der Online-Diskussion, die Reichenbach und Bruker initiiert haben. Darin wurden als zentral formuliert:

    Frage 1: „Was ganz konkret stört mich an der jetzigen Situation am meisten?“

    Sehr oft genannt wurde gemäß der Zusammenfassung durch Reichenbach und Bruker, dass der Gesundheitsschutz aktuell über alles gestellt werde. Dadurch würden andere Rechte in den Hintergrund treten. Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen wird hinterfragt. Kritisiert wurde auch, dass eine konfrontative Verhärtung beider Seiten stattgefunden habe. Ein konstruktiver Diskurs sei deshalb nicht mehr möglich. Dadurch fehle auch eine Gesprächsgrundlage. Auch lasse sich so kein gesellschaftlicher Konsens finden, um die Pandemie zu beenden. Es herrsche die Sorge um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Einhaltung der Regeln und Gesetze. Dies führe zur Angst, dass sich die Spaltung weiter vertieft.

    Konkret stört manche Teilnehmer auch die Einführung einer generellen Impfpflicht. Die körperliche Unversehrtheit sei ein hohes Gut und werde dadurch verletzt. Die Impfpflicht sei unverhältnismäßig.

    Kritisiert wird die Kommunikation der Spaziergänger. Dies fange schon damit an, dass diese Demonstrationen als „Spaziergänge“ bezeichnet werden. Zudem würden diese Spaziergänge die Bürger der Stadt nerven. Das Demonstrationsrecht werde hier pervertiert. Ihr Protest sei ein Protest ohne Gesprächsbereitschaft und Argumente.

    Mehrere Teilnehmer störten sich aber auch am Umgang mit den Spaziergängern. Eine Differenzierung finde nicht statt. Große Teile der Bevölkerung, Medien und Teile der Politik würden diese stigmatisieren, indem sie sie in eine Schublade steckten (Querdenker, Coronaleugner, Verschwörungstheoretiker, Covidiot, Nazi…).

    Ebenfalls mehrfach genannt wurde der Kurs der Politik in der Pandemie. Die auf Bundesebene beschlossenen Maßnahmen seien oftmals auf Länderebene nicht vollzogen worden. Zudem seien die Maßnahmen schlecht kommuniziert worden. Dadurch sei die Wahrnehmung eines völligen Durcheinanders entstanden. Die Regeln seien zudem schwierig zu verstehen und auch umzusetzen. Auch bei der Frage der Impfpflicht werde ein klarer politischer Kurs vermisst.

    Frage 2: „Wovor habe ich Angst? Was verunsichert mich?“

    Von sehr vielen Teilnehmern genannt, wurde die Angst davor, dass die Demokratie in Gefahr ist. Es wird befürchtet, dass es eine Vermischung gibt aus Demokratiefeinden und Menschen, die ihren Protest kundtun wollen. Dadurch könnte es gelingen, dass radikale Botschaften zur Normalität werden und im Land ein Rechtsruck entsteht. Viele besorgte Menschen könnten in radikale Strömungen abwandern. Rechte Parteien und Gruppierungen würden dies ausnützen und eine Unzufriedenheit mit der Demokratie schüren.

    Mehrfach genannt wurde auch die Angst davor, dass aufgerissene Gräben nicht wieder zugeschüttet werden und es dauerhaft zu gesellschaftlichen Beschädigungen kommen könne. Dies gilt auch für kleinere soziale Gruppen, wie Vereine, Freundeskreis oder die Familie. Der Umgang miteinander und die dabei verwendete Wortwahl, sowie die oft fehlende Akzeptanz anderer Meinungen könnten zu langanhaltenden gesellschaftlichen Verwerfungen führen.

    Frage 3: „Was ganz konkret würde ich mir wünschen, damit die Situation für mich besser wird?“

    Der am häufigsten geäußerte Wunsch richtet sich an die Politik. Hier wird eine klarere Kommunikation der getroffenen Maßnahmen eingefordert, die auch begründet werden müsse. Kategorische Aussagen, wie beispielsweise „nicht vor Ostern“ werden als schwierig bezeichnet, zumal, wenn das subjektive Gefühl vorherrsche, dass Fakten ignoriert würden. Die Nachvollziehbarkeit der Maßnahmen leide darunter. Auch fehle oft das Verständnis für die Plausibilität der Maßnahmen, beispielsweise bei den Verordnungen für den Einzelhandel. Zudem würden von Seiten der Landesregierung sich selbst auferlegte Regelungen nicht eingehalten (Verlassen der Alarmstufe II). Die Regelungen seien auch in ihrer Sprache oft schwer verständlich. Und es fehle an der Einheitlichkeit der Regelungen in verschiedenen Bundesländern. Gesetze und Verordnungen sollten zudem klar formuliert sein. Dabei soll auch ein längerer zeitlicher Vorlauf bis zum Inkrafttreten berücksichtigt werden.

    Gewünscht wird ebenfalls vielfach, dass es wieder zu einem Aufeinanderzugehen kommt.

    Mehrere Wünsche gab es auch zum Thema Gesundheitsversorgung. Die Pandemie habe deutlich gemacht, dass das Gesundheitssystem insgesamt krankt. Die dort vorherrschenden strukturellen Probleme müssten angegangen werden. Konkret werden Landkreisverwaltung und Gesundheitsamt aufgefordert, ein Konzept zu erarbeiten, wie die PCR-Testkapazitäten im Landkreis erhöht werden können. Auch müssten attraktivere Bedingungen für die Mitarbeiter im Gesundheitswesen geschaffen werden. Das Gesundheitssystem soll insgesamt wieder in die öffentliche Hand zurückgeführt werden. Keine privatwirtschaftlich geführten Krankenhäuser mehr.

    Klare Standpunkte werden gefordert, wenn es um jegliche Radikalität und menschenverachtende Äußerungen geht. Es sei mehr Auseinandersetzung damit erforderlich, was Demokratie bedeute und wie man als Gesellschaft leben kann – zusammen mit der Idee von Freiheit.

    An die Stadt Rottweil richtet sich der Wunsch, mehr Informationen auf der städtischen Webseite zu veröffentlichen. Beispielsweise dazu, wo es Sozialhilfestellen für eine Kostenbeantragung gibt, und wo es Einrichtungen gibt, welche Long-Covid-Patienten in verschiedenen Fragen betreuen.

    Info: Die vollständige Zusammenfassung ist hier abrufbar.

    „Alle zusammen haben bewirkt, dass die Krise gut bewältigt wurde“ – die Stellungnahme von Landrat Michel

    Sehr geehrte Frau Reichenbach, sehr geehrter Herr Bruker,

    vielen Dank für die zusammenfassenden Informationen über das Online-Forum. Sehr gerne gehe ich darauf ein, auch wenn der Landkreis nicht jede Hoffnung erfüllen kann. Bei Ihnen und allen, die „Miteinander reden“ ins Leben gerufen haben, bedanke ich mich sehr für diesen Diskussionsneustart, der unserer Demokratie gut tut! Es ist wichtig, so wie Sie das unterstreichen, dass gesehen wird „… dass auf der anderen Seite ein Mensch sitzt“.

    Bitte entschuldigen Sie, wenn die Rückmeldung etwas gedauert hat, aber aufgrund der aktuellen Entwicklungen war eine schnellere Beantwortung schlichtweg nicht möglich.

    Zu Frage 1 – „Was ganz konkret stört mich an der jetzigen Situation am meisten?“:

    Bei der Pandemiebekämpfung stehen sich verschiedene Grundrechte gegenüber. In einem demokratischen Rechtsstaat gilt nicht das Recht des Stärkeren, d.h. nicht der jeweils Stärkere, Einflussreichere oder Durchsetzungsfähigere hat mit seinen Grundrechten Vorrang. Vielmehr bedarf es einer demokratisch legitimierten Entscheidung, welches Grundrecht bei einer Grundrechtskonkurrenz zurücktreten muss. Deshalb haben sich die Regierungen und Parlamente in Bund und Land oft mit dem ständig wechselnden Rechtsrahmen befasst.

    Jedes Grundrecht hat da Grenzen, wo das Grundrecht eines anderen tangiert wird (z.B. persönliche Freiheit vs. Recht auf körperliche Unversehrtheit, d.h. pandemiebedinge Kontaktbeschränkungen vs. das Recht der vulnerablen Gruppen, gesund zu bleiben). Diese Abwägung ist nicht immer einfach und da wo entsprechende Entscheidungen staatlicher Stellen vorliegen, können in einem Rechtsstaat wie bei uns die Gerichte angerufen werden.

    Diese haben in den letzten Monaten – unabhängig wie sie sind – nicht immer für die staatlichen Begrenzungen entschieden. Insbesondere ist dabei stets die Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme gestellt worden. Diese Gewaltenteilung und die Endentscheidung vor Gericht gegenüber staatlichen Entscheidungen machen eine Demokratie und einen Rechtsstaat aus. Deshalb gibt es in Deutschland keine „Corona-Diktatur“ und somit auch kein Widerstandrecht gegen staatliche oder gerichtliche Entscheidungen. Selbstverständlich kann in rechtlich korrekter Weise natürlich demonstriert werden!

    Zu Frage 2 und 3 – „Wovor habe ich Angst? Was verunsichert mich?“ und „Was ganz konkret würde ich mir wünschen, damit die Situation für mich besser wird?“

    Für alle Bürgerinnen und Bürger ist die Lage in der Pandemie nicht einfach. Je nach Lage, d.h. je nach Inzidenz oder Virusvariante, kommen und gehen Einschränkungen oder werden verschärft bzw. aufgehoben. Die rauer werdende Diskussion, insbesondere in den sogenannten „Sozialen Netzwerken“ sehe ich und spüre sie auch persönlich.

    Es ist wichtig, dass sich jeder und jede, die sich an den Diskussionen beteiligen, sich bewusst sind, dass auf der anderen Seite ein Mensch sitzt, kein „Feind“ oder „Böswilliger“.

    Eine Patentlösung für eine nachhaltige Befriedung habe ich freilich nicht.

    Die Pandemie ist über uns alle hereingebrochen und hat ständig neue und unvorhersehbare Volten geschlagen. Deshalb hat es auch keinen „Fahrplan“ geben können im Sinne des „wenn, dann … „. Niemand hat wissen können, was wenige Wochen später brandaktuell sein würde. Deshalb haben sich viele Situationen neu ergeben und manche Maßnahmen wären – rückblickend betrachtet – sicher anders getroffen worden – verschärft oder abgeschwächt.

    Dies hat sicher der Glaubwürdigkeit manch politischer Entscheidung geschadet. Aber es war eine völlig neue Herausforderung und auf keiner politischer Stufe war es in den letzten zwei Jahren möglich alles auf den Punkt scharf vorherzusehen.

    Konkret an die Kreisverwaltung haben Sie die Frage nach einem Konzept zur Erhöhung der PCR-Testkapazitäten gerichtet. Derzeit gibt es im Landkreis Rottweil noch 129 vom Gesundheitsamt Rottweil beauftragte Testzentren und Apotheken, an welchen sich gemäß Coronavirus-Testverordnung asymptomatische Bürgerinnen und Bürger mittels Schnelltest und teilweise auch mittels PCR testen können. Daneben haben alle Arztpraxen die Möglichkeit auch symptomatische Personen mittels PCR zu testen. Durch die Coronavirus-Testverordnung ist geklärt, welche Personen einen kostenfreien Anspruch auf eine PCR-Testung haben, wie lange dieser Anspruch besteht und welche Kosten vom Leistungserbringer hierfür abgerechnet werden können.

    Aktuell hat beispielsweise jeder Bürger und jede Bürgerin die Möglichkeit ein positives Schnelltestergebnis durch einen PCR-Test bestätigen zu lassen. Dieser Anspruch besteht derzeit für den Zeitraum von 14 Tagen. Gemäß der noch geltenden Coronaverordnung Absonderung genügt hier jedoch zunächst ein Schnelltest eines Leistungserbringers sowohl als Nachweis einer Infektion als auch zur vorzeitigen Beendigung (frühestens nach 7 Tagen) der Absonderung.

    Das Gesundheitsamt Rottweil unterstützt alle interessierten Leistungserbringer, welche PCR-Testungen anbieten möchten um ein flächendeckendes Angebot im Landkreis zu ermöglichen. Eine Etablierung kreiseigener Testzentren in Verbindung mit PCR-Testangeboten ist nicht Aufgabe des Landratsamtes und würde dieses insbesondere auch personell überfordern. Auch aus diesem Grund wurde von der Bundes-/Landesregierung die Möglichkeit der PCR-Testung für beauftragte Testzentren geschaffen, um die Landkreise flächendeckend zu unterstützen und die niedergelassenen Ärzte zu entlasten. Dass es hierbei dann zu teilweise längeren Wartezeiten kommen kann, ist in erster Linie der Auslastung der privaten Labore sowie der stark ansteigenden Inzidenz geschuldet.

    Wie sich die Testsituation ab dem 03.04. darstellen wird, ist bisher noch nicht absehbar. Dies hängt maßgeblich von den künftigen Regelungen des Landes zu Testpflichten ab. Zum Wunsch nach Long COVID-Beratungsmöglichkeiten folgendes: Long COVID ist eine Gesundheitsstörung, die in den nächsten Jahren zunehmend in den Fokus rücken wird; sowohl bei Kindern, als auch bei Erwachsenen. Die Handlungsstrategien bei Long COVID gehen durch nahezu alle Fachrichtungen (Schmerztherapeuten, Pulmologen, Angiologen, Neurologen, Psychologen, Kardiologen etc.).

    Eine Beratungsstelle, die diese Bandbreite personell und fachlich abdeckt, ist schlichtweg nicht leistbar. Hier wäre daher an die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zu verweisen, die sowohl die Person als auch deren Krankengeschichte kennen und somit bereits eine mögliche Therapie einleiten bzw. an die notwendige Fachabteilung der niedergelassenen Ärzteschaft überweisen können.

    Entsprechendes gilt für den Wunsch nach einer moderierten Online-Austauschplattform. Hierfür müsste notwendigerweise ein breites Spektrum an Expertise (medizinisch, rechtlich, infektiologisch etc.) eingebunden werden, was beim Landratsamt ebenfalls aus personellen Gründen nicht leistbar ist.

    Die Forderung nach attraktiveren Bedingungen für Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegewesen unterstützen wir ebenfalls. Beide Bereiche sind die Basis einer soliden Grundversorgung mit dem Gut Gesundheit und Pflege. Hier sind Bund und Land gefragt, entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen. Alle Kliniken, egal ob in privater, öffentlicher oder freigemeinnütziger Trägerschaft, haben in der Pandemie großartig für die Menschen gearbeitet. Mit Blick auf die Pandemie bin ich allen Kliniken und ihren Beschäftigten sowie allen im Gesundheitswesen Tätigen sehr dankbar für deren außerordentlichen Einsatz, der weit über das eigentlich Leistbare hinausgegangen ist.

    Alle zusammen haben bewirkt, dass die Corona-Krise bis dato so gut bewältigt wurde.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Wolf-Rüdiger Michel

    „Die Stadt Rottweil rückte in düsterer Zeit zusammen“ – die Stellungnahme von OB Broß

    Sehr geehrte Frau Reichenbach, sehr geehrter Herr Bruker,

    vielen Dank für die Zusammenstellung der Ergebnisse des Online-Forums zum Thema Corona. Hiermit haben Sie eine Gesprächsplattform für Bürgerinnen und Bürger geschaffen, bei der sich jeder die Sorgen bzw. Nöte, Bedenken und Kritikpunkte, sowie auch Wünschen für die Zukunft vortragen konnte. Das Ziel der Veranstaltung war es, einen neuen Weg der schrittweisen Annäherung von Befürwortern und Gegnern der Corona-Politik einzuschlagen, indem man die Aussagen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Verantwortlichen in der Politik und Verwaltung auf Stadt-, Kreis-, Landes- und Bundesebene zukommen lässt. 

    Die Schwierigkeit der Angelegenheit haben Sie selbst erkannt. Denn die meisten Wünsche und Forderungen liegen nicht im Zuständigkeitsbereich einer Stadtverwaltung. 

    Das Infektionsschutzgesetz ist ein Bundesgesetz und durch den Föderalismus hat jedes Bundesland eine eigene Corona-Verordnung dann auf der Landesebene verfassen dürfen bzw. für sich anpassen müssen. Die Stadtverwaltung war immer nur ein Organ der Exekutive – was wir auch getan haben.  Sofort haben wir reagiert und versucht einen Mittelweg zu finden, in den man die strengen Vorgaben des Lockdowns zwar umgesetzt hat, jedoch nichts unversucht gelassen hat, die Struktur, die Sicherheit und die Aufrechterhaltung in jedem Bereich und für jede Gruppe zu gewährleisten. Dabei waren sowohl alle Personengruppen und jedes Alter berücksichtigt worden, aber auch die Wirtschaft und jeder Betrieb sollten aufgefangen werden. Auch wenn der persönliche Kontakt eingeschränkt werden musste, so wurden dann die Ausweitung und Verstärkung der anderen Kanäle praktiziert. Angefangen beim Schichtbetrieb im Rathaus für sämtliche Belange der Bürger bis hin zur Neugründung einer weiteren digitalen Präsenz der Stadt. 

     Wir gründeten eine Initiative „Rottweil hilft“. Hier sind viele Hilfsangebote geschaffen worden bzw. sind auch durch Freiwillige bei der Stadtverwaltung eingegangen. Wir sahen in der Krise die Chance zu zeigen, welchen Wert Verantwortung und Solidarität haben. Nach nur wenigen Tagen gab es bereits mehr als 70 Hilfsangebote in den Bereichen Einkaufs- und Telefondienste. Alles das wurde von uns koordiniert. Ziel der Aktion war auch, alleinstehenden und älteren Menschen zu helfen, die durch den Aufruf, Sozialkontakte einzuschränken, besonders betroffen waren. Die Hilfsangebote galten für Rottweil und alle Teilorte. Es konnten sich Freiwillige melden, die Zeit und Lust hatten, andere Menschen zu unterstützen. Die Aushänge zu „Rottweil hilft“ waren in den Arztpraxen oder Bäckereien. Die Aktion fand auch in Zusammenarbeit mit einigen Rottweiler Vereinen und Organisationen und auch ortsansässigen Unternehmen statt. Dabei richteten wir auch eine Hotline ein, die den älteren Menschen, die die Priorisierung zu einer Impfung erhielten, half einen Impftermin zu bekommen. 

    In den Schulen und Kindergärten haben wir, soweit es die Verordnung zugelassen hat, den Betrieb aufrechterhalten. Der Digitalisierung der Schule wurde noch mehr Beachtung geschenkt. Die Unternehmen (Gaststätten, sowie Einzelhändler) wurden kontaktiert und in enger Zusammenarbeit unterstützt. 

     Außerhalb der Schulzeit haben wir auch versucht, den Kontakt zu den Kindern aufrechtzuerhalten. 

    Selbst Jugendarbeit, die bis dato nur in Präsenz ablief, wurde der Zeit angepasst. Die Begegnungsmöglichkeiten wurden auf Kleinstgruppengespräche und Einzelgespräche runtergebrochen und ins Freie verlagert. Weitere Kontaktpflege erfolgte auch über soziale Medien (WhatsApp und Instagram). Außerdem unterstützte unser KiJu das Ordnungsamt und suchte im Innenstadtbereich Cliquen auf, um diese auf die Corona-Bestimmungen hinzuweisen.

    Wir gründeten Lockdown-Lerngruppe für Jugendliche. Hier wurden für die Schülerinnen und Schüler der Realschule, im Jugendtreff des Kapuziners und im Jugendtreff Hegneberg vormittags betreute Lernplätze eingerichtet. Diese Lerngruppe entstand aus einer Anfrage der Schulsozialarbeit, die lernschwache Schülerinnen und Schüler benannten, die Zuhause das Lernen aus technischen und oder familiären Problemen nicht umsetzen konnten.

    Neue Projekte, wie die Kinderwaldwoche wurde ins Leben gerufen. Hier wurde mit einem neuen Konzept für 80 Kinder ein Natur-Großspielprojekt im Freien angeboten. 

    Ab Ende Juni 2021 konnten die Jugendtreffs Kapuziner und am Hegneberg wieder loslegen. Im Sommer und im Herbst konnten wir für beide Jugendtreffs Fördermittel ( 10.000 € reine Zuschüsse, keine Eigenbeteiligung) aus einem Bundesförderprogramm einwerben, mit denen zusätzliche Aktionen für die Besucherinnen und Besucher, Verschönerungen in den Jugendtreffs, Ausflüge, Medienprojekte, eine technische Ausstattung für Rap-Gruppe und noch mehr bewerkstelligt wurden.

    Die Jugendtreffs waren schon im Juli und besonders im Herbst/Winter sehr gut besucht, deutlich mehr als in den Vor-Corona Jahren!

    Sämtliche Veranstaltungen haben wir mit sehr großem arbeitsintensivem Zeitaufwand der gültigen Corona-Verordnung angepasst oder in die digitale Welt umgesetzt. Angefangen bei den Arbeitsgruppentreffen der Kinder- und Jugendbeteiligung, über eine große Jugendinfoveranstaltung am 25.02. 2021 zur Landtagswahl mit den zur Landtagswahl Kandidierenden mit rund 80 jungen Menschen, bis hin zu unserem Jugendhearing, das rund 100 Teilnehmende verbuchen konnte. 

    Dem Vorwurf „man habe Maßnahmen schlecht kommuniziert“ können wir die Neugründung der digitalen Plattform „unserrottweil“ gegenhalten. Hier wurde mittels Videobotschaften Ansprachen verfasst und alle wichtigen Corona-Infos hinterlegt. Natürlich sind diese Infos – wie jedes Gesetz – in einer abstrakten und allgemeinen Formulierung zusammengepresst, jedoch müssen sie auch nicht jeden Einzelfall, sondern die Masse regeln. 

    Und natürlich erstreckte sich die Pandemie über einen zwei Jahre Zeitraum und jeder, vor allem die Politik war gezwungen worden sich mit vielen Schwierigkeiten gleichzeitig auseinander zu setzen, über einen sehr langen Zeitraum. Hier sollten zunächst das Problem erst erforscht werden und dann bei der Bekämpfung ständig nachjustiert werden. Dieses betrifft Ihre Argumente, wie z. B. zu viele Tests, die sich im Nachhinein als unzuverlässig erwiesen haben. Auch der Kurs der Politik endete manchmal als Sackgasse in einem Labyrinth voller Gänge. 

     Wir und damit ist jeder in Deutschland gemeint – hat seinen Anteil dazu beigetragen, dass alle Horrorszenarien abgewandt werden konnten und das Gesundheitssystem und das Leben nicht zusammengebrochen ist. 

     Da die Krankheit noch nicht lange bekannt ist, sind die Ursachen der Langzeitfolgen, die unterschiedlichen Symptome und mögliche Krankheitsverläufe noch nicht vollständig untersucht. Es ist aktuell noch nicht möglich sicher abzuschätzen, wie lange Auswirkungen von COVID-19 andauern können und wie gut sie behandelbar sind. Ungewiss ist auch, wie groß der Anteil der Betroffenen ist, der längerfristige gesundheitliche Beschwerden durch die Krankheit haben wird. Die Langzeitfolgen werden jedoch in nationalen und internationalen Studien fortlaufend untersucht, so dass das Wissen in diesem Bereich stetig erweitert wird.

    Für die Veröffentlichung entsprechender Leitfäden sind die Bereiche selbst, wie der Gesundheitsbereich zuständig, doch sehr gerne werden wir zur gegebenen Zeit entsprechende Informationen auch auf unseren Kanälen verlinken. Auch Ihre anderen Impulse nehmen wir in unsere Arbeit mit auf. 

    Auch wenn die aktuelle Lage zur Corona sich entspannt, so ist unsere Welt mehr denn je im Wandel – leider nicht immer zum Besseren. Der Corona Verlauf im Herbst, die Langzeitfolgen der Krankheit, die Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben und die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind nicht gewiss. Aber auch der Klimawandel und der Krieg in der Ukraine führt uns drastisch vor Augen, welche Schwierigkeiten vor uns liegen. 

    Jedoch rückte genaue in dieser düsteren Zeit die Stadt Rottweil, unser Land, sogar ganz Europa solidarisch zusammen und gibt uns einen Grund zuversichtlich zu bleiben. Wir sitzen alle in einem Boot und es gilt den Sturm zu bezwingen. 

    Mit freundlichen Grüßen

    Ralf Broß
    Oberbürgermeister

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    Stefan Weidle
    Stefan Weidle
    2 Jahre her

    Wo bin ich denn da nur hineingeraten?
    Offensichtlich in einen besonders schweren Schlagabtausch, von zur Verdeutlichung des Sachverhalts und Befriedung der Situation geeigneter und professionell vorgefertigter Textbausteine.
    Damit dürfte im gegebenen Rechtsrahmen, derselbige Friede wiederhergestellt und somit auch alles wieder gut sein.

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    NRWZ-Redaktion
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    ROTTWEIL. Am Anfang war der Protest gegen die Coronamaßnahmen. Dann der Protest gegen den Protest. Als die Lage zu eskalieren drohte, folgte die Einladung zu einer Online-Debatte an die „Spaziergänger“. Statt diese in größerer Zahl wahrzunehmen, demonstrierten diese lieber. Dennoch bleibt etwas von der Debatte: eine Zusammenfassung und zwei Stellungnahmen von Rottweils Landrat Michel und Oberbürgermeister Broß. In diesen äußern sie Lob für den bisherigen Zusammenhalt und die Leistung Einzelner. Aber auch Befürchtungen im Hinblick auf die Zukunft.

    Der Montag ist der Tag der Spaziergänger in Rottweil. Seit Dezember 2021 treffen sie sich immer montags um 18 Uhr in der historischen Innenstadt und protestieren gegen die Coronapolitik. Unter anderem, denn mittlerweile, da die Maßnahmen weitgehend zurückgefahren sind, stellen sie sich nach eigenen Angaben „gegen Impfzwang, gegen Machtmissbrauch, für Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung.“ Inzwischen als ein angemeldeter Demonstrationszug. Wobei: Da war doch noch was. Gegenprotest. Dieser mündete in eine Online-Debatte und diese nun in ausführliche Stellungnahmen von Landrat und Oberbürgermeister.

    Aufflammen der Proteste und Widerstand dagegen

    Im Dezember und Januar erreichte die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesen Protesten mit rund 1400 Menschen einen Höchststand. Zu viel für Peter Bruker und Elke Reichenbach, die sich spontan zusammentaten und mit Unterstützung des Stadtjugendrings und weiteren Engagierten aus unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen am Montag, 17. Januar, um 18 Uhr erstmals eine öffentliche Mahnwache vor dem Alten Rathaus veranstalteten. Sie hätten damit gezeigt, „Rottweil darf nicht den Spaziergängern überlassen werden“, formulieren sie ihre Beweggründe. Unter dem Slogan „Wir zeigen Gesicht, aber mit Maske“ luden sie in den folgenden drei Wochen zur angemeldeten Menschenkette in der Oberen Hauptstraße ein, um ihr Ja zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und zu einem solidarischen Miteinander im Kampf gegen Corona deutlich zu machen. Der Einladung folgten mehrere Hundert Bürgerinnen und Bürger.

    Bild von der Menschenkette. Archiv-Foto: gg

    „Wir wollten Präsenz zeigen und die Demokratie stärken“

    „Wichtig war es dabei, Präsenz zu zeigen, deutlich zu machen, dass Rottweil nicht nur von Gegnern der Corononamaßnahmen dominiert wird, sondern viele Bürger die nicht immer leicht verständliche Coronapolitik von Bund und Ländern mittragen und damit die Demokratie stärken“, so Reichenbach und Bruker nun, im Mai 2022, in einer gemeinsamen Erklärung. Die Menschenketten hätten dafür ein wichtiges Signal gebildet, auf der anderen Seite aber Reibungsfläche geboten für scharfe Auseinandersetzungen. „Sie führten leider nicht zu einem fruchtbaren Dialog“, lautet das Fazit der Initiatoren. „Ein Austausch von Argumenten zwischen den beiden Gruppen fand nur sehr marginal statt.“

    Um die Situation zu entschärfen, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen, entschlossen sich die Veranstalter der Menschenkette dann nach eigenen Angaben, einen neuen Weg zu gehen. Statt erneut zu einer Menschenkette luden sie am Montag, 14. Februar, unter dem Slogan „Ja, wir sollten miteinander reden“ erstmals zu einem moderierten Onlineaustausch ein. Dem rund zweistündigen Gedanken. Und Meinungsaustausch folgten rund 80 Bürgerinnen und Bürger.

    Zahlreiche unter ihnen forderten die Zusammenfassung der moderierten Runde an. In Briefen an  Landrat Dr. Wolf-Rüdiger Michel und Oberbürgermeister Ralf Broß fassten die Veranstalter nach eigenen Angaben die Ergebnisse des Online-Austausches zusammen. Sie baten zugleich um eine Stellungnahme zu konkreten Fragen, Bedenken und Wünschen, die die Bürgerinnen und Bürger während des Onlineaustausches geäußert hatten.

    Bitte um Stellungnahme

    Diese Stellungnahmen von Michel und Broß liegen nun vor. Sie sind umfangreich, die NRWZ gibt sie im vollen Wortlaut wieder. Zur Verfügung gestellt haben sie die Initiatoren des Protests gegen die Spaziergänge, Reichenbach und Bruker.

    Diese hatten zunächst ein Schreiben an Michel und Broß gesandt. Darin heißt es:

    Ein Ziel der Veranstaltung war auch, die Aussagen der Teilnehmer*innen zu sammeln und an Verantwortliche in Politik und Verwaltung auf Stadt-, Kreis-, Landes- und Bundesebene zu schicken, um dort den Anliegen der Bürger*innen Nachdruck zu verleihen. Wir haben die in drei Gesprächsrunden und mehreren Kleingruppen anonym gesammelten Aussagen zusammengestellt und leiten sie Ihnen mit der Bitte zu, dazu zeitnah Stellung zu nehmen.

    Uns ist durchaus bewusst, dass die meisten Wünsche und Forderungen nicht auf städtischer oder Landreisebene erfüllt werden können, da die Stadt selbst Corona-Anordnungen von Land und Bund erfüllen muss. Zudem sind geäußerte Erwartungen häufig abstrakt und nur durch gesamtgesellschaftliche Anstrengungen unterschiedlicher Art mittel- und langfristig zu ändern. Wir denken dabei an Äußerungen wie: „strukturelle Probleme angehen, die durch die Pandemie sichtbar wurden“ oder „vorurteilsfreier Umgang anderen gegenüber“. 

    Dennoch haben wir am Montag erneut wahrgenommen, dass die Bürger*innen als ersten Ansprechpartner die Stadt und als dessen wichtigsten Vertreter den Oberbürgermeister sehen und sich auch von ihm wertgeschätzt und ernst genommen sehen wollen.

    Das auch, weil konkrete Forderungen zur Umsetzung vor Ort genannt wurden, etwa der Wunsch nach Beratungsmöglichkeiten für Long-Covid-Patienten,  erhöhten PCR-Testangeboten im Landkreis oder einer moderierten Online-Austauschplattform.

    Schreiben von Peter Bruker und Elke Reichenbach an Landrat Dr. Wolf-Rüdiger Michel und Oberbürgermeister Ralf Broß

    Online-Austausch – die Ergebnisse

    Dem Landrat und dem Oberbürgermeister haben je eine Zusammenfassung vorgelegen der Online-Diskussion, die Reichenbach und Bruker initiiert haben. Darin wurden als zentral formuliert:

    Frage 1: „Was ganz konkret stört mich an der jetzigen Situation am meisten?“

    Sehr oft genannt wurde gemäß der Zusammenfassung durch Reichenbach und Bruker, dass der Gesundheitsschutz aktuell über alles gestellt werde. Dadurch würden andere Rechte in den Hintergrund treten. Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen wird hinterfragt. Kritisiert wurde auch, dass eine konfrontative Verhärtung beider Seiten stattgefunden habe. Ein konstruktiver Diskurs sei deshalb nicht mehr möglich. Dadurch fehle auch eine Gesprächsgrundlage. Auch lasse sich so kein gesellschaftlicher Konsens finden, um die Pandemie zu beenden. Es herrsche die Sorge um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Einhaltung der Regeln und Gesetze. Dies führe zur Angst, dass sich die Spaltung weiter vertieft.

    Konkret stört manche Teilnehmer auch die Einführung einer generellen Impfpflicht. Die körperliche Unversehrtheit sei ein hohes Gut und werde dadurch verletzt. Die Impfpflicht sei unverhältnismäßig.

    Kritisiert wird die Kommunikation der Spaziergänger. Dies fange schon damit an, dass diese Demonstrationen als „Spaziergänge“ bezeichnet werden. Zudem würden diese Spaziergänge die Bürger der Stadt nerven. Das Demonstrationsrecht werde hier pervertiert. Ihr Protest sei ein Protest ohne Gesprächsbereitschaft und Argumente.

    Mehrere Teilnehmer störten sich aber auch am Umgang mit den Spaziergängern. Eine Differenzierung finde nicht statt. Große Teile der Bevölkerung, Medien und Teile der Politik würden diese stigmatisieren, indem sie sie in eine Schublade steckten (Querdenker, Coronaleugner, Verschwörungstheoretiker, Covidiot, Nazi…).

    Ebenfalls mehrfach genannt wurde der Kurs der Politik in der Pandemie. Die auf Bundesebene beschlossenen Maßnahmen seien oftmals auf Länderebene nicht vollzogen worden. Zudem seien die Maßnahmen schlecht kommuniziert worden. Dadurch sei die Wahrnehmung eines völligen Durcheinanders entstanden. Die Regeln seien zudem schwierig zu verstehen und auch umzusetzen. Auch bei der Frage der Impfpflicht werde ein klarer politischer Kurs vermisst.

    Frage 2: „Wovor habe ich Angst? Was verunsichert mich?“

    Von sehr vielen Teilnehmern genannt, wurde die Angst davor, dass die Demokratie in Gefahr ist. Es wird befürchtet, dass es eine Vermischung gibt aus Demokratiefeinden und Menschen, die ihren Protest kundtun wollen. Dadurch könnte es gelingen, dass radikale Botschaften zur Normalität werden und im Land ein Rechtsruck entsteht. Viele besorgte Menschen könnten in radikale Strömungen abwandern. Rechte Parteien und Gruppierungen würden dies ausnützen und eine Unzufriedenheit mit der Demokratie schüren.

    Mehrfach genannt wurde auch die Angst davor, dass aufgerissene Gräben nicht wieder zugeschüttet werden und es dauerhaft zu gesellschaftlichen Beschädigungen kommen könne. Dies gilt auch für kleinere soziale Gruppen, wie Vereine, Freundeskreis oder die Familie. Der Umgang miteinander und die dabei verwendete Wortwahl, sowie die oft fehlende Akzeptanz anderer Meinungen könnten zu langanhaltenden gesellschaftlichen Verwerfungen führen.

    Frage 3: „Was ganz konkret würde ich mir wünschen, damit die Situation für mich besser wird?“

    Der am häufigsten geäußerte Wunsch richtet sich an die Politik. Hier wird eine klarere Kommunikation der getroffenen Maßnahmen eingefordert, die auch begründet werden müsse. Kategorische Aussagen, wie beispielsweise „nicht vor Ostern“ werden als schwierig bezeichnet, zumal, wenn das subjektive Gefühl vorherrsche, dass Fakten ignoriert würden. Die Nachvollziehbarkeit der Maßnahmen leide darunter. Auch fehle oft das Verständnis für die Plausibilität der Maßnahmen, beispielsweise bei den Verordnungen für den Einzelhandel. Zudem würden von Seiten der Landesregierung sich selbst auferlegte Regelungen nicht eingehalten (Verlassen der Alarmstufe II). Die Regelungen seien auch in ihrer Sprache oft schwer verständlich. Und es fehle an der Einheitlichkeit der Regelungen in verschiedenen Bundesländern. Gesetze und Verordnungen sollten zudem klar formuliert sein. Dabei soll auch ein längerer zeitlicher Vorlauf bis zum Inkrafttreten berücksichtigt werden.

    Gewünscht wird ebenfalls vielfach, dass es wieder zu einem Aufeinanderzugehen kommt.

    Mehrere Wünsche gab es auch zum Thema Gesundheitsversorgung. Die Pandemie habe deutlich gemacht, dass das Gesundheitssystem insgesamt krankt. Die dort vorherrschenden strukturellen Probleme müssten angegangen werden. Konkret werden Landkreisverwaltung und Gesundheitsamt aufgefordert, ein Konzept zu erarbeiten, wie die PCR-Testkapazitäten im Landkreis erhöht werden können. Auch müssten attraktivere Bedingungen für die Mitarbeiter im Gesundheitswesen geschaffen werden. Das Gesundheitssystem soll insgesamt wieder in die öffentliche Hand zurückgeführt werden. Keine privatwirtschaftlich geführten Krankenhäuser mehr.

    Klare Standpunkte werden gefordert, wenn es um jegliche Radikalität und menschenverachtende Äußerungen geht. Es sei mehr Auseinandersetzung damit erforderlich, was Demokratie bedeute und wie man als Gesellschaft leben kann – zusammen mit der Idee von Freiheit.

    An die Stadt Rottweil richtet sich der Wunsch, mehr Informationen auf der städtischen Webseite zu veröffentlichen. Beispielsweise dazu, wo es Sozialhilfestellen für eine Kostenbeantragung gibt, und wo es Einrichtungen gibt, welche Long-Covid-Patienten in verschiedenen Fragen betreuen.

    Info: Die vollständige Zusammenfassung ist hier abrufbar.

    „Alle zusammen haben bewirkt, dass die Krise gut bewältigt wurde“ – die Stellungnahme von Landrat Michel

    Sehr geehrte Frau Reichenbach, sehr geehrter Herr Bruker,

    vielen Dank für die zusammenfassenden Informationen über das Online-Forum. Sehr gerne gehe ich darauf ein, auch wenn der Landkreis nicht jede Hoffnung erfüllen kann. Bei Ihnen und allen, die „Miteinander reden“ ins Leben gerufen haben, bedanke ich mich sehr für diesen Diskussionsneustart, der unserer Demokratie gut tut! Es ist wichtig, so wie Sie das unterstreichen, dass gesehen wird „… dass auf der anderen Seite ein Mensch sitzt“.

    Bitte entschuldigen Sie, wenn die Rückmeldung etwas gedauert hat, aber aufgrund der aktuellen Entwicklungen war eine schnellere Beantwortung schlichtweg nicht möglich.

    Zu Frage 1 – „Was ganz konkret stört mich an der jetzigen Situation am meisten?“:

    Bei der Pandemiebekämpfung stehen sich verschiedene Grundrechte gegenüber. In einem demokratischen Rechtsstaat gilt nicht das Recht des Stärkeren, d.h. nicht der jeweils Stärkere, Einflussreichere oder Durchsetzungsfähigere hat mit seinen Grundrechten Vorrang. Vielmehr bedarf es einer demokratisch legitimierten Entscheidung, welches Grundrecht bei einer Grundrechtskonkurrenz zurücktreten muss. Deshalb haben sich die Regierungen und Parlamente in Bund und Land oft mit dem ständig wechselnden Rechtsrahmen befasst.

    Jedes Grundrecht hat da Grenzen, wo das Grundrecht eines anderen tangiert wird (z.B. persönliche Freiheit vs. Recht auf körperliche Unversehrtheit, d.h. pandemiebedinge Kontaktbeschränkungen vs. das Recht der vulnerablen Gruppen, gesund zu bleiben). Diese Abwägung ist nicht immer einfach und da wo entsprechende Entscheidungen staatlicher Stellen vorliegen, können in einem Rechtsstaat wie bei uns die Gerichte angerufen werden.

    Diese haben in den letzten Monaten – unabhängig wie sie sind – nicht immer für die staatlichen Begrenzungen entschieden. Insbesondere ist dabei stets die Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme gestellt worden. Diese Gewaltenteilung und die Endentscheidung vor Gericht gegenüber staatlichen Entscheidungen machen eine Demokratie und einen Rechtsstaat aus. Deshalb gibt es in Deutschland keine „Corona-Diktatur“ und somit auch kein Widerstandrecht gegen staatliche oder gerichtliche Entscheidungen. Selbstverständlich kann in rechtlich korrekter Weise natürlich demonstriert werden!

    Zu Frage 2 und 3 – „Wovor habe ich Angst? Was verunsichert mich?“ und „Was ganz konkret würde ich mir wünschen, damit die Situation für mich besser wird?“

    Für alle Bürgerinnen und Bürger ist die Lage in der Pandemie nicht einfach. Je nach Lage, d.h. je nach Inzidenz oder Virusvariante, kommen und gehen Einschränkungen oder werden verschärft bzw. aufgehoben. Die rauer werdende Diskussion, insbesondere in den sogenannten „Sozialen Netzwerken“ sehe ich und spüre sie auch persönlich.

    Es ist wichtig, dass sich jeder und jede, die sich an den Diskussionen beteiligen, sich bewusst sind, dass auf der anderen Seite ein Mensch sitzt, kein „Feind“ oder „Böswilliger“.

    Eine Patentlösung für eine nachhaltige Befriedung habe ich freilich nicht.

    Die Pandemie ist über uns alle hereingebrochen und hat ständig neue und unvorhersehbare Volten geschlagen. Deshalb hat es auch keinen „Fahrplan“ geben können im Sinne des „wenn, dann … „. Niemand hat wissen können, was wenige Wochen später brandaktuell sein würde. Deshalb haben sich viele Situationen neu ergeben und manche Maßnahmen wären – rückblickend betrachtet – sicher anders getroffen worden – verschärft oder abgeschwächt.

    Dies hat sicher der Glaubwürdigkeit manch politischer Entscheidung geschadet. Aber es war eine völlig neue Herausforderung und auf keiner politischer Stufe war es in den letzten zwei Jahren möglich alles auf den Punkt scharf vorherzusehen.

    Konkret an die Kreisverwaltung haben Sie die Frage nach einem Konzept zur Erhöhung der PCR-Testkapazitäten gerichtet. Derzeit gibt es im Landkreis Rottweil noch 129 vom Gesundheitsamt Rottweil beauftragte Testzentren und Apotheken, an welchen sich gemäß Coronavirus-Testverordnung asymptomatische Bürgerinnen und Bürger mittels Schnelltest und teilweise auch mittels PCR testen können. Daneben haben alle Arztpraxen die Möglichkeit auch symptomatische Personen mittels PCR zu testen. Durch die Coronavirus-Testverordnung ist geklärt, welche Personen einen kostenfreien Anspruch auf eine PCR-Testung haben, wie lange dieser Anspruch besteht und welche Kosten vom Leistungserbringer hierfür abgerechnet werden können.

    Aktuell hat beispielsweise jeder Bürger und jede Bürgerin die Möglichkeit ein positives Schnelltestergebnis durch einen PCR-Test bestätigen zu lassen. Dieser Anspruch besteht derzeit für den Zeitraum von 14 Tagen. Gemäß der noch geltenden Coronaverordnung Absonderung genügt hier jedoch zunächst ein Schnelltest eines Leistungserbringers sowohl als Nachweis einer Infektion als auch zur vorzeitigen Beendigung (frühestens nach 7 Tagen) der Absonderung.

    Das Gesundheitsamt Rottweil unterstützt alle interessierten Leistungserbringer, welche PCR-Testungen anbieten möchten um ein flächendeckendes Angebot im Landkreis zu ermöglichen. Eine Etablierung kreiseigener Testzentren in Verbindung mit PCR-Testangeboten ist nicht Aufgabe des Landratsamtes und würde dieses insbesondere auch personell überfordern. Auch aus diesem Grund wurde von der Bundes-/Landesregierung die Möglichkeit der PCR-Testung für beauftragte Testzentren geschaffen, um die Landkreise flächendeckend zu unterstützen und die niedergelassenen Ärzte zu entlasten. Dass es hierbei dann zu teilweise längeren Wartezeiten kommen kann, ist in erster Linie der Auslastung der privaten Labore sowie der stark ansteigenden Inzidenz geschuldet.

    Wie sich die Testsituation ab dem 03.04. darstellen wird, ist bisher noch nicht absehbar. Dies hängt maßgeblich von den künftigen Regelungen des Landes zu Testpflichten ab. Zum Wunsch nach Long COVID-Beratungsmöglichkeiten folgendes: Long COVID ist eine Gesundheitsstörung, die in den nächsten Jahren zunehmend in den Fokus rücken wird; sowohl bei Kindern, als auch bei Erwachsenen. Die Handlungsstrategien bei Long COVID gehen durch nahezu alle Fachrichtungen (Schmerztherapeuten, Pulmologen, Angiologen, Neurologen, Psychologen, Kardiologen etc.).

    Eine Beratungsstelle, die diese Bandbreite personell und fachlich abdeckt, ist schlichtweg nicht leistbar. Hier wäre daher an die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zu verweisen, die sowohl die Person als auch deren Krankengeschichte kennen und somit bereits eine mögliche Therapie einleiten bzw. an die notwendige Fachabteilung der niedergelassenen Ärzteschaft überweisen können.

    Entsprechendes gilt für den Wunsch nach einer moderierten Online-Austauschplattform. Hierfür müsste notwendigerweise ein breites Spektrum an Expertise (medizinisch, rechtlich, infektiologisch etc.) eingebunden werden, was beim Landratsamt ebenfalls aus personellen Gründen nicht leistbar ist.

    Die Forderung nach attraktiveren Bedingungen für Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegewesen unterstützen wir ebenfalls. Beide Bereiche sind die Basis einer soliden Grundversorgung mit dem Gut Gesundheit und Pflege. Hier sind Bund und Land gefragt, entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen. Alle Kliniken, egal ob in privater, öffentlicher oder freigemeinnütziger Trägerschaft, haben in der Pandemie großartig für die Menschen gearbeitet. Mit Blick auf die Pandemie bin ich allen Kliniken und ihren Beschäftigten sowie allen im Gesundheitswesen Tätigen sehr dankbar für deren außerordentlichen Einsatz, der weit über das eigentlich Leistbare hinausgegangen ist.

    Alle zusammen haben bewirkt, dass die Corona-Krise bis dato so gut bewältigt wurde.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Wolf-Rüdiger Michel

    „Die Stadt Rottweil rückte in düsterer Zeit zusammen“ – die Stellungnahme von OB Broß

    Sehr geehrte Frau Reichenbach, sehr geehrter Herr Bruker,

    vielen Dank für die Zusammenstellung der Ergebnisse des Online-Forums zum Thema Corona. Hiermit haben Sie eine Gesprächsplattform für Bürgerinnen und Bürger geschaffen, bei der sich jeder die Sorgen bzw. Nöte, Bedenken und Kritikpunkte, sowie auch Wünschen für die Zukunft vortragen konnte. Das Ziel der Veranstaltung war es, einen neuen Weg der schrittweisen Annäherung von Befürwortern und Gegnern der Corona-Politik einzuschlagen, indem man die Aussagen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Verantwortlichen in der Politik und Verwaltung auf Stadt-, Kreis-, Landes- und Bundesebene zukommen lässt. 

    Die Schwierigkeit der Angelegenheit haben Sie selbst erkannt. Denn die meisten Wünsche und Forderungen liegen nicht im Zuständigkeitsbereich einer Stadtverwaltung. 

    Das Infektionsschutzgesetz ist ein Bundesgesetz und durch den Föderalismus hat jedes Bundesland eine eigene Corona-Verordnung dann auf der Landesebene verfassen dürfen bzw. für sich anpassen müssen. Die Stadtverwaltung war immer nur ein Organ der Exekutive – was wir auch getan haben.  Sofort haben wir reagiert und versucht einen Mittelweg zu finden, in den man die strengen Vorgaben des Lockdowns zwar umgesetzt hat, jedoch nichts unversucht gelassen hat, die Struktur, die Sicherheit und die Aufrechterhaltung in jedem Bereich und für jede Gruppe zu gewährleisten. Dabei waren sowohl alle Personengruppen und jedes Alter berücksichtigt worden, aber auch die Wirtschaft und jeder Betrieb sollten aufgefangen werden. Auch wenn der persönliche Kontakt eingeschränkt werden musste, so wurden dann die Ausweitung und Verstärkung der anderen Kanäle praktiziert. Angefangen beim Schichtbetrieb im Rathaus für sämtliche Belange der Bürger bis hin zur Neugründung einer weiteren digitalen Präsenz der Stadt. 

     Wir gründeten eine Initiative „Rottweil hilft“. Hier sind viele Hilfsangebote geschaffen worden bzw. sind auch durch Freiwillige bei der Stadtverwaltung eingegangen. Wir sahen in der Krise die Chance zu zeigen, welchen Wert Verantwortung und Solidarität haben. Nach nur wenigen Tagen gab es bereits mehr als 70 Hilfsangebote in den Bereichen Einkaufs- und Telefondienste. Alles das wurde von uns koordiniert. Ziel der Aktion war auch, alleinstehenden und älteren Menschen zu helfen, die durch den Aufruf, Sozialkontakte einzuschränken, besonders betroffen waren. Die Hilfsangebote galten für Rottweil und alle Teilorte. Es konnten sich Freiwillige melden, die Zeit und Lust hatten, andere Menschen zu unterstützen. Die Aushänge zu „Rottweil hilft“ waren in den Arztpraxen oder Bäckereien. Die Aktion fand auch in Zusammenarbeit mit einigen Rottweiler Vereinen und Organisationen und auch ortsansässigen Unternehmen statt. Dabei richteten wir auch eine Hotline ein, die den älteren Menschen, die die Priorisierung zu einer Impfung erhielten, half einen Impftermin zu bekommen. 

    In den Schulen und Kindergärten haben wir, soweit es die Verordnung zugelassen hat, den Betrieb aufrechterhalten. Der Digitalisierung der Schule wurde noch mehr Beachtung geschenkt. Die Unternehmen (Gaststätten, sowie Einzelhändler) wurden kontaktiert und in enger Zusammenarbeit unterstützt. 

     Außerhalb der Schulzeit haben wir auch versucht, den Kontakt zu den Kindern aufrechtzuerhalten. 

    Selbst Jugendarbeit, die bis dato nur in Präsenz ablief, wurde der Zeit angepasst. Die Begegnungsmöglichkeiten wurden auf Kleinstgruppengespräche und Einzelgespräche runtergebrochen und ins Freie verlagert. Weitere Kontaktpflege erfolgte auch über soziale Medien (WhatsApp und Instagram). Außerdem unterstützte unser KiJu das Ordnungsamt und suchte im Innenstadtbereich Cliquen auf, um diese auf die Corona-Bestimmungen hinzuweisen.

    Wir gründeten Lockdown-Lerngruppe für Jugendliche. Hier wurden für die Schülerinnen und Schüler der Realschule, im Jugendtreff des Kapuziners und im Jugendtreff Hegneberg vormittags betreute Lernplätze eingerichtet. Diese Lerngruppe entstand aus einer Anfrage der Schulsozialarbeit, die lernschwache Schülerinnen und Schüler benannten, die Zuhause das Lernen aus technischen und oder familiären Problemen nicht umsetzen konnten.

    Neue Projekte, wie die Kinderwaldwoche wurde ins Leben gerufen. Hier wurde mit einem neuen Konzept für 80 Kinder ein Natur-Großspielprojekt im Freien angeboten. 

    Ab Ende Juni 2021 konnten die Jugendtreffs Kapuziner und am Hegneberg wieder loslegen. Im Sommer und im Herbst konnten wir für beide Jugendtreffs Fördermittel ( 10.000 € reine Zuschüsse, keine Eigenbeteiligung) aus einem Bundesförderprogramm einwerben, mit denen zusätzliche Aktionen für die Besucherinnen und Besucher, Verschönerungen in den Jugendtreffs, Ausflüge, Medienprojekte, eine technische Ausstattung für Rap-Gruppe und noch mehr bewerkstelligt wurden.

    Die Jugendtreffs waren schon im Juli und besonders im Herbst/Winter sehr gut besucht, deutlich mehr als in den Vor-Corona Jahren!

    Sämtliche Veranstaltungen haben wir mit sehr großem arbeitsintensivem Zeitaufwand der gültigen Corona-Verordnung angepasst oder in die digitale Welt umgesetzt. Angefangen bei den Arbeitsgruppentreffen der Kinder- und Jugendbeteiligung, über eine große Jugendinfoveranstaltung am 25.02. 2021 zur Landtagswahl mit den zur Landtagswahl Kandidierenden mit rund 80 jungen Menschen, bis hin zu unserem Jugendhearing, das rund 100 Teilnehmende verbuchen konnte. 

    Dem Vorwurf „man habe Maßnahmen schlecht kommuniziert“ können wir die Neugründung der digitalen Plattform „unserrottweil“ gegenhalten. Hier wurde mittels Videobotschaften Ansprachen verfasst und alle wichtigen Corona-Infos hinterlegt. Natürlich sind diese Infos – wie jedes Gesetz – in einer abstrakten und allgemeinen Formulierung zusammengepresst, jedoch müssen sie auch nicht jeden Einzelfall, sondern die Masse regeln. 

    Und natürlich erstreckte sich die Pandemie über einen zwei Jahre Zeitraum und jeder, vor allem die Politik war gezwungen worden sich mit vielen Schwierigkeiten gleichzeitig auseinander zu setzen, über einen sehr langen Zeitraum. Hier sollten zunächst das Problem erst erforscht werden und dann bei der Bekämpfung ständig nachjustiert werden. Dieses betrifft Ihre Argumente, wie z. B. zu viele Tests, die sich im Nachhinein als unzuverlässig erwiesen haben. Auch der Kurs der Politik endete manchmal als Sackgasse in einem Labyrinth voller Gänge. 

     Wir und damit ist jeder in Deutschland gemeint – hat seinen Anteil dazu beigetragen, dass alle Horrorszenarien abgewandt werden konnten und das Gesundheitssystem und das Leben nicht zusammengebrochen ist. 

     Da die Krankheit noch nicht lange bekannt ist, sind die Ursachen der Langzeitfolgen, die unterschiedlichen Symptome und mögliche Krankheitsverläufe noch nicht vollständig untersucht. Es ist aktuell noch nicht möglich sicher abzuschätzen, wie lange Auswirkungen von COVID-19 andauern können und wie gut sie behandelbar sind. Ungewiss ist auch, wie groß der Anteil der Betroffenen ist, der längerfristige gesundheitliche Beschwerden durch die Krankheit haben wird. Die Langzeitfolgen werden jedoch in nationalen und internationalen Studien fortlaufend untersucht, so dass das Wissen in diesem Bereich stetig erweitert wird.

    Für die Veröffentlichung entsprechender Leitfäden sind die Bereiche selbst, wie der Gesundheitsbereich zuständig, doch sehr gerne werden wir zur gegebenen Zeit entsprechende Informationen auch auf unseren Kanälen verlinken. Auch Ihre anderen Impulse nehmen wir in unsere Arbeit mit auf. 

    Auch wenn die aktuelle Lage zur Corona sich entspannt, so ist unsere Welt mehr denn je im Wandel – leider nicht immer zum Besseren. Der Corona Verlauf im Herbst, die Langzeitfolgen der Krankheit, die Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben und die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind nicht gewiss. Aber auch der Klimawandel und der Krieg in der Ukraine führt uns drastisch vor Augen, welche Schwierigkeiten vor uns liegen. 

    Jedoch rückte genaue in dieser düsteren Zeit die Stadt Rottweil, unser Land, sogar ganz Europa solidarisch zusammen und gibt uns einen Grund zuversichtlich zu bleiben. Wir sitzen alle in einem Boot und es gilt den Sturm zu bezwingen. 

    Mit freundlichen Grüßen

    Ralf Broß
    Oberbürgermeister

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