Chemieunfall weitet sich offenbar auf Neckar aus
Erneuter Feuerwehreinsatz in Rottweil, der nach Ansicht von Experten vom Landratsamt mit dem Chemieunfall in Bühlingen vom Vormittag (wir berichten hier) zusammenhängen könnte: Am Neckar in der Altstadt mussten Ölsperren eingerichtet werden. Die Feuerwehr war wiederum mit mehreren Kräften vor Ort.
Am Morgen war aus einem Silo eines Kunststoff verarbeitenden Betriebs in Rottweil-Bühlingen eine zähe, transparente Flüssigkeit ausgelaufen. Die etwa 300 bis 500 Liter bedeckten eine Fläche von rund 150 Quadratmetern auf dem Hof. Und tun dies mit Stand vom Montagabend noch, sind allerdings von Einsatzkräften der Feuerwehr mittlerweile gebunden. Am Dienstag soll das Gebinde entsorgt werden, hieß es. Am Vormittag schien mit dem Abschluss der Einsatzarbeiten der Feuerwehr auch alles rund um diesen Chemieunfall erledigt – bis Vertreter der Unteren Wasserschutzbehörde des Landratsamts doch, entgegen erster Annahmen, auf eine Verschmutzung des Neckars stießen, der unmittelbar an dem Kunststoffbetrieb vorbeifließt. In der Altstadt, ein paar Kilometer weiter, zeigten ihre Messstreifen eine ölhaltige Substanz. Die Feuerwehr wurde erneut alarmiert.
Messungen der Rottweiler Wehr bestätigten eine mineralölhaltige Flüssigkeit auf der Neckaroberfläche. Auf Höhe der Brücke errichteten die Einsatzkräfte einerseits im Neckar selbst, zudem im Triebwerkskanal entlang der Tuttlinger Straße. Wie Einsatzleiter Frank Müller informierte, besteht die Sperre aus zwei Komponenten, die auf den Fließgewässern aufliegen: dicken, saugfähigen Schläuchen, einst produziert in der Rhodia in Rottweil, die die Flüssigkeit aufnehmen sollen. Und dahinter eine 25 Meter lange Ölsperre in Form ebenfalls eines Schlauchs, der auftretende dickere Flüssigkeiten wie Öl aufzustauen imstande ist. Dieser Schlauch ist mit Pressluft gefüllt – und muss nun alle zwei bis drei Stunden nachgefüllt werden, auch über Nacht, auch von Kräften der Rottweiler Feuerwehr, weil er allmählich an Druck verliert.
Den Stoff, der nun offenbar doch in den Neckar gelangt ist, ordnen die Verantwortlichen ihn die Wassergefährdungsklasse 1 ein, also als schwach wassergefährdend. Ungefährlicher als etwa Heiz- oder Altöl. Es handelt sich um einen Weichmacher, informierte die Feuerwehr. Dennoch hat das Auftauchen des Stoffes im Neckar, das am Morgen noch ausgeschlossen worden war, Nachwirkungen. So wolle das Landratsamt darauf drängen, dass die Stadtverwaltung Rottweil Kanäle im Bereich der Unfallstelle vom Vormittag – also in Bühlingen – kontrolliert. Auch könnte der Vorfall Nachforschungen im Bereich des Unternehmens selbst nach sich ziehen. Gibt es Undichtigkeiten im Asphalt? Wie sieht das Kanalnetz aus? Wie konnte der eigentlich gebundene Stoff doch noch in den Neckar gelangen? Fragen, denen die Behörde nun nachgehen will, wie es an der Einsatzstelle vonseiten der Landratsamtsvertreter gegenüber der NRWZ hieß. Denn erklären habe man sich den Vorgang nicht können.
Allerdings habe das Unternehmen, auf dessen Gelände sich der Unfall am Morgen ereignet hat (und dem man den Ölfilm auf dem Neckar „ganz definitiv, eindeutig zuordnen“ können will) selbst bereits direkt nach dem Auslaufen des Weichmachers Maßnahmen ergriffen und etwa Ablaufkanäle geschlossen, so das Landratsamt. Nun allerdings kommen auch erhebliche Kosten auf den Kabelhersteller zu, kündigte der Einsatzleiter, Stadtbrandmeister Frank Müller an. Er habe einem Unternehmensvertreter geraten, sich bald mit der Frage zu ebschäftigen, welche Versicherung hier greife.
Glücklicherweise aber gebe es aktuell keine Niederschläge, so dass der in den Neckar gelangte Teil der Flüssigkeit gering ist. Wäre die Einsatzstelle dagegen vom Regen gewaschen worden, wäre viel mehr des Stoffes in den Fluss gelangt, so Müller.
Auch Beamte der Polizei haben Ermittlungen auf dem Gelände des Bühlinger Betriebs aufgenommen. Über die Ausweitung des Unfalls auf den Neckar, die die zuständigen Vertreter des Landratsamts als nachgewiesen sehen, werde man die Beamten der Umweltpolizei nun informieren, hieß es.
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