Rottweil hat nicht nur schöne alte Gebäude, sondern darin auch digitale Hidden Champions zu bieten. Und die schaute sich Tobias Bacherle, Bundestagsabgeordneter der Grünen und Fachmann für Digitales, am Donnerstag an.
Rottweil. Zunächst die Firma Minova in der Lindenstraße, die unter anderem Bezahlsysteme für E-Ladesäulen entwickelt, die weltweit gefragt sind. Hasan Hosoglu und Musa Sancar verkaufen sie mit ihrem Team bis nach Neuseeland und Indien. Zudem entstehen hier in Handarbeit und mittels 3D-Druckern auch digitale Systeme zur Zeiterfassung, die auch von Transportunternehmen genutzt werden und den Firmen jede Menge Papierkram ersparen. Tobias Bacherle erfuhr aber auch, dass gerade große Firmen sich von den Minova-Machern gerne erklären lassen, wie man ein Problem lösen kann, und das dann selbst machen – Ideenklau, sozusagen. Deshalb arbeitet man hier lieber mit kleineren Firmen zusammen. Thema des Gesprächs war auch der Rohstoffmangel im Chip-Bereich, „wir sind hier krass abhängig“, betonte der Abgeordnete. Zudem sei die Entwicklung im Bereich Wasserstoff in den letzten Jahrzehnten massiv vernachlässigt worden, obwohl die Autoindustrie schon früh an entsprechenden Antrieben geforscht hatte. Allerdings zeigte sich Bacherle zuversichtlich, dass Deutschland zumindest in der Batterietechnik den großen Sprung schaffen kann, weshalb in diese auch viel Fördergeld fließt.
Um digitale Bildung kümmert man sich bei Spreadmind, einer jungen Firma, die in einem Fachwerkgebäude aus dem Jahr 1652 residiert. Mario Schneider und sein Team entwickeln E-Learning-Systeme unter anderem für den Dumont-Verlag und den Leadership-Experten Boris Grundl, haben allerdings mit dem in der EU überaus komplexen Steuersystem und der DSGVO zu kämpfen. Viele Regulierungen seien für kleine Firmen einfach nicht umsetzbar. Wobei letztere, das betonte Tobias Bacherle, sogar von Kalifornien übernommen worden sei. „Wer hier auf den Markt will, muss sich ja auch daran halten.“ Natürlich wäre zumindest eine EU-einheitliche Mehrwertsteuer mehr als hilfreich, so Bacherle. „Aber da sind wir noch weit entfernt.“
Mario Schneider startete bereits als 17-Jähriger in sein Metier: Mit einem Babyratgeber als E-Book, um zu testen, ob Online-Business so funktionieren kann – und das tat es. Seine anfängliche Befürchtung, mit einem Firmensitz in Rottweil keine Fachleute zu bekommen, zerschlug sich schnell, wie er Tobias Bacherle erzählte. Was auch am Online-Business lag: „Home-Office hatten wir schon lange vor Corona.“
Beeindruckt von so viel Tüftlergeist und auch dem Blick in die Obere Hauptstraße und auf den schiefen Turm des Münsters nahm Tobias Bacherle viele Anregungen und einige Kritik aus Rottweil mit nach Berlin.