Nach und nach hatten sie sich aus ihrem Projekt, dem Kapuziner in Rottweil, zurückgezogen, richteten nur noch Veranstaltungen aus. Jetzt soll die Bürgerinitiative Kapuziner ganz rausfliegen, erfuhr die NRWZ. So hat die Bruderhaus Diakonie der Bürgerinitiative auf Jahresende gekündigt. Der Grund: Man habe sich auseinander gelebt.
Für Henry Rauner ist das eine emotionale Sache. Der Vorsitzende der Bürgerinitiative Kapuziner hatte vor Jahren und über Jahre hinweg mit seinen Mitstreitern im Dreck und Schutt des heruntergekommenen Gebäudes gestanden. Gemeinsam haben sie es gerettet. Heute ist der Kapuziner eines der Wahrzeichen der Stadt. Und dieses soll die Bürgerinitiative nun endgültig verlassen.
Das Gebäude Kapuziner ist im Eigentum der Stadt Rottweil. Bis 2015 war die Bürgerinitiative Mieter eines Teils dieses Gebäudes – Sonnensaal, Refektorium, Kutschenhaus – und betrieb das Ganze hauptsächlich ehrenamtlich, wie Henry Rauner berichtet.
Die Bruderhaus Diakonie hatte das Haus schrittweise übernommen, nachdem der Betrieb in ehrenamtlicher Arbeit für die Initiative nicht mehr zu schaffen gewesen war. Zunächst betrieb das Bruderhaus das Café und richtete das Solifer ein, eine Offene Hilfe für Menschen mit Behinderung. Dann ist der inzwischen zum Mehrgenerationenhaus gewordene Kapuziner komplett an das Bruderhaus gegangen, inklusive der Vermietung der Säle. Allerdings hatte die Bürgerinitiative, die ihre Aufgabe einst im Erhalt und der Sanierung des Gebäudes gesehen hatte und nun in der Erfüllung mit Leben, sah noch Zugriff beispielsweise auf den Sonnensaal. Etwa an der Fasnet und für die Musiknacht „Jazz in Town“.
Fristgemäß gekündigt
Dieses letzte Standbein, diese letzte Aufgabe soll sie nun verlieren. Vorsitzender Rauner informierte vergangene Woche die Mitglieder. Am 29. September habe die Diakonie vertragsgemäß zum 31. Dezember gekündigt
„Mit der Bruderhaus Diakonie haben wir eine Institution gefunden, die mithilfe von hauptamtlichen Kräften hervorragend für die Betreibung dieses Objekts geeignet ist“, so Rauner rückblickend in seiner Mitgliederinformation, die der NRWZ vorliegt. So habe sich der Kapuziner als Mehrgenerationenhaus, für die Inklusion von Behinderten, als beliebte Veranstaltungsstätte für Vereine und Privatpersonen etabliert „und ist aus Rottweil nicht mehr wegzudenken“, so Rauner. „Mit unserer Zustimmung hat die Stadt die Verpachtung des Kapuziners an die Bruderhaus Diakonie zu gleichen Bedingungen wie bei uns, also zur kostenlosen Nutzung, vorgenommen“, berichtet er weiter. Gleichzeitig habe die Initiative mit der Bruderhaus Diakonie eine separate Vereinbarung geschlossen, „in der wir alle von uns angeschafften Gegenstände – etwa die Kühlzelle, Einbauten im Kutschenhaus, diverse Ausstattungsgegenstände – zur kostenlosen Nutzung übergeben haben und als Gegenleistung diverse Veranstaltungen (Fasnet, Jazz in Town, Tag des Denkmals, eigene Mitgliederversammlung) kostenlos abhalten können, wobei das erwirtschaftete Geld ja wieder in den Kapuziner fließt.“
Der NRWZ sagte Rauner, dass es schon ein bisschen so sei, als fliege man aus seinen eigenen Räumen. „Jedenfalls gefühlt“, erklärte er. Wenngleich die Bürgerinitiative längst den wirtschaftlichen Betrieb abgegeben hatte, so sei sie doch eng mit dem Haus verbunden, das sie jahrelang wiederaufgebaut hatte und 2011 dann endlich eröffnen konnte.
2014 hieß es noch, es gebe mit der Bruderhaus Diakonie ein gutes Zusammenwirken. Doch inzwischen heißt es, man habe sich auseinander gelebt. Dieser Grund sei ihm genannt worden, so Rauner. Die NRWZ hat bei der Bruderhaus Diakonie nachefragt, eine Sprecherin möchte sich kundig machen. Die Antwort werden wir nachreichen.
Vorstand und Ausschuss hätten bereits ausführlich über das überraschend aufgetretene Problem beraten, so Rauner, „da dies nun bedeutet, dass der Verein Bürgerinitiative Kapuziner keine Heimstatt mehr hat und uns damit der Bezugspunkt Kapuziner abhandengekommen ist.“ In der Folge werde die Bürgerinitiative ab 1. Januar 2021 auch keine Veranstaltungen mehr im Sonnensaal und Kutschenhaus durchführen. Er ergänzt: „Auf den Kapuziner bezogen sind wir zu dem Schluss gekommen: Alles hat seine Zeit.“
Der Vorsitzende der Bürgerinitiative gibt sich nicht ganz geschlagen. Er sagt zwar, dass sein Verein zwei Wege beschreiten könne – sich eine neue Aufgabe zu suchen oder sich selbst aufzulösen. Aber da bestehe zudem noch beträchtliches Sachvermögen, das die Initiative eingebracht habe. So ein Kühlhaus beim Nebengebäude „Kutschenhaus“ und eine erweiterte Soundanlage für größere Veranstaltungen und Bands im „Sonnensaal“.
Mögliche Rückforderung im Gespräch
Beides habe einen Wert von je an die 40.000 Euro, sodass mit dem übrigen Inventar eine sechsstellige Summe im Raum steht. Rauner: „Die Vereinbarung sagt …, dass bei Kündigung des Vertrags die von uns angeschafften Gegenstände zurückzugeben oder abzugelten sind.“ Die Ablösung dieser könnte das Bruderhaus nach Rauners Darstellung eine sechsstellige Summe kosten. „Ich weiß nicht, ob sie in den Vertrag geschaut haben“, sagt er augenzwinkernd.
Rauner gibt sich da selbstbewusst. Man kann auf eine einzigartige Leistung zurückschauen. Rauner: „Durch die Bürgerinitiative Kapuziner mit ihren vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern ist der Kapuziner heute als vorzeigbares, über 350 Jahre altes Denkmal in der ältesten Stadt Baden-Württembergs nicht mehr wegzudenken.“
Er fasst zusammen: „Wir hatten seit der Gründung im Jahr 2004 viele tolle Jahre mit einem großartigen Zusammenhalt und einer außergewöhnlichen Zusammenarbeit zur Wiederbegehbarmachung des Kapuziners, mit besonderen Festivitäten im morbiden Kleid des Kapuziners bis 2008, mit der Nutzungsherstellung des Kutschenhauses als Überbrückungsheimstatt während der Restaurierung, mit der fantastischen Wiedereröffnung des Kapuziners im Januar 2011 und mit der anstrengenden, doch auch sehr lohnenden Betreibung des Kapuziners bis in diesem Jahr 2020, wo wir noch die Fasnetsveranstaltungen mit viel positivem Feedback der Besucher und Helfer durchführen konnten.“
Rauner musste das alles schriftlich an die Vereinsmitglieder weiterreichen. Um niemanden entsprechenden Gefahren auszusetzen, wolle die Initiative die Mitgliederversammlung in diesem Jahr nicht mehr abhalten. Berichte, Aussprachen, Entlastungen und weiteres sind auf das Jahr 2021 verschoben worden, was gesetzlich Corona-bedingt auch zulässig ist.