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Brecht. Weill. Eisler. Karl. Klink. Mehl. Ganz. Ganz. Groß.

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Kein Freitag, kein Refektorium – zum Sonderkonzert lädt Hansjörg Mehl mit der Reihe „Jazz im Refektorium“ ausnahmsweise ins Alte Gymnasium in Rottweil. Der Grund: Die Vokalsolisten Natalie Karl und Matthias Klink kredenzen mit dem Magnus Mehl Quartett einen zweistündigen Liederabend der Extraklasse. Als Premiere, versteht sich. Und der passende Flügel steht im passend großen Raum.

Der Saal ist gesteckt voll, ausverkauft, im Bühnenteil drängen sich die Preisträger. Stuttgart goes Rottweil, hätte der Abend auch heißen können, kommt doch das Sängerehepaar direkt von der dortigen Oper, die Brüder Mehl wohnen ebenfalls in der Landeshauptstadt. Stuttgart goes Rottweil – und Rottweil geht ab, feiert die Darbietungen mit frenetischem Applaus und erklatscht sich zu den zwei Sets gleich noch zwei Zugaben. Das Publikum dieses Mal deutlich verändert, zu Jazzliebhaber und -liebhaberinnen gesellen sich noch etliche Theater- und Gesangsbegeisterte, der Sitznachbar ist sogar extra aus der Metropolregion angereist. Stuttgart goes Rottweil eben.

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Führte ins Programm ein: Hansjörg Mehl (links). Foto: Elke Reichenbach
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Am Saxophon: Magnus Mehl. Foto: Elke Reichenbach

Verständlich, gibt es doch den Liederabend mit gekonnt verjazzt umarrangierten Stücken von Weill, Brecht, Eisler und anderen in dieser Form erst wieder im Folgejahr, an Ostern gar in der Stuttgarter Oper selbst. Da bleibt dann auch mehr Bühnenplatz für szenische Darbietungen, verrät Regie-„Outside Eye“ Stefan Grießhaber in der Pause. Gleichwohl schmücken Matthias Klink und Natalie Karl auch in Rottweil ihre Auftritte spielerisch aus, Klink greift bei einem Stück sogar zur eigenen E-Gitarre.

Überhaupt dieser gelungene „Crossover“ der Musikstile, zu dem Hansjörg Mehl in der Anmoderation spitzbübisch einlädt – das passt, sitzt und funktioniert blendend, manch ein Stück gewinnt im Arrangement ganz neue Facetten hinzu. Da rührt Ferenc Mehl mächtigen Donner passend zum Kanonensong an, bläst und quietscht und zerrt Bruder Magnus gewohnt vielseitig auf Saxofonen und der Bassklarinette, für die er eigens noch ein paar Töne einstudiert hat. Frank Eberle am Flügel unterlegt Gesang und Stücke gewohnt abwechslungsreich, Yaron Stavi bringt den Bass nicht nur in mehreren Soli zum Singen, als ob er es den Volkalstimmen gleichtun will.

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Foto: Elke Reichenbach

Die freilich setzen dem Ganzen das Sahnehäubchen auf. Man hört, dass Karl und Klink seit Jahrzehnten auf den Bühnen der Welt zugange sind, neben der Oper auch der Operette zu neuem Glanz verholfen haben und selbst Pop und Rock nicht abgeneigt sind. Mal blitzt ein wenig Opera buffa auf, mal ein Hauch von Nick Cave und Tom Waits – wer solche Abwechslung liebt und nicht dabei war, sollte rasch den Kalender fürs nächste Jahr zücken.

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