Es hätte eine schöne, große Feier mit vielen Gästen werden können. Die hat dem amtierenden und im vergangenen Jahr wiedergewählten Oberbürgermeister von Rottweil, Ralf Broß, aber ein Neukircher Bürger vermiest. Alle kennen ihn: Wolfgang Baur, der streitbare Fliesenlegermeister. Der hatte ein Wahlanfechtungsverfahren angestrengt und bis kurz vor Klagerhebung vor dem Verwaltungsgericht durchgezogen – und damit die Amtsverpflichtung von Broß um ein Jahr verzögert. Am Mittwoch nun hat sie im bescheidenen, dennoch aber feierlichen Rahmen stattgefunden.
Nicht die Blumen, nicht die Jackets und Krawatten, die manche unter den Stadträten gestern ausnahmsweise trugen, machten eigentlich den feierlichen Rahmen aus. Sondern besondere Gäste: die Familie des Oberbürgermeisters samt Ehefrau Friederike und Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer, die für eine kleine Rede und fürs Beiwohnen bei der kurzen Verpflichtungszeremonie nach eigenen Worten gerne nach Rottweil gekommen war (und deren Fahrer das Problem mit den knappen öffentlichen Parkplätzen in der historischen Innenstadt ganz einfach löste – indem er seinen Audi A8 auf dem völlig freien Münsterplatz abstellte).
Es war übrigens eine Verpflichtung, keine Vereidigung, wie schon zu lesen stand. Den Amtseid hat Broß vor neun Jahren schon geleistet. Auf den bezog sich die Verpflichtung nun.
Broß selbst wollte seine leichte Enttäuschung darüber nicht verhehlen, dass dieser Fliesenleger mit wilden und wirren Pamphleten – die in einem ordentlichen Rechtsstaat dennoch aber gesichtet und gewichtet werden müssen – und eben mit der Wahlanfechtung beim Regierungspräsidium die eigentliche Feier verhagelt und die Amtseinsetzung bis arg weit nach Wiederaufnahme des Alltagsgeschäfts verschoben hatte. Vor schon einem Jahr habe die Wahl stattgefunden, aufgrund derer er, Broß, nun verpflichtet werde, weshalb längst der Arbeitsalltag zurück gekehrt sei, sagte er. Die Verpflichtung sei daher „eher eine deklaratorische Notwendigkeit als ein zeitnaher Abschluss eines Wahlkampfes.“
Der Grund, weshalb er einen eher schlichten Rahmen gewählt habe. Fliesenleger Baur war nicht zugegen.
Die Regierungspräsidentin versuchte, die Stimmung zu heben. Sie zeichnete ein Bild eines Rottweiler Oberbürgermeisters, der mit fast 100 Prozent Stimmen bei der Wahl ein sehr gutes Ergebnis eingefahren habe. Bei dem sich die Bürger dachten: „Der macht das schon.“ Der alleine auf dem Wahlzettel gestanden habe, was man nicht kleinreden dürfe. Bürgermeister Dr. Christian Ruf nannte das „einen Ritterschlag an sich.“
Schäfer sagte auch, Broß habe den „Brückenschlag zwischen Transparenz, Bürgernähe und Glaubwürdigkeit“ geschafft. Habe viele, auch schwierige Projekte angestoßen, sei immer einen „partnerschaftlichen Weg“ gegangen. Er, mit der Stadtverwaltung Träger der „Demokratierose“, stehe für eine „Politik, die hinhört, die die Bürger ernst nimmt, die den Austausch sucht.“ Es sei aber auch immer die „Balance gelungen zwischen dem Zuhören und dem Mitnehmen“ einerseits und den Entscheidungen des Gemeinderats gemäß den Vorgaben der repräsentativen Demokratie andererseits.Es sei ja nicht „per se schlecht, was ein Gemeinderat entscheidet, und per se gut, was die Bürger in einem Bürgerentscheid“ bestimmten.
Wörtlich sagte Schäfer an Broß gewandt: „Sie haben nicht nur ein gutes Händchen, Sie haben auch ein gutes Team.“ Das unterstrich Bürgermeister Ruf in seiner Laudatio. Er nannte Broß einen „Kapitän, der als Takt- und Impulsgeber fungiert“, der das Ziel, „den Hafen, kennt“ und der zu motivieren verstehe. „Wir freuen uns auf sieben weitere Jahre.“
Aus Broß‘ Rede:
Wir nehmen in Rottweil einen Spitzenplatz in der wirtschaftlichen Entwicklung ein, weisen ein positives Wachstumssaldo auf und haben eine der niedrigsten Arbeitslosenquote in ganz
Deutschland.Wir erfinden uns als Tourismusdestination neu, bauen den Schul- und Bildungsstandort kontinuierlich weiter aus, stärken den Wirtschaftsstandort durch interkommunale Allianzen und Ausweisung neuer Gewerbegebiete, schaffen Bauplätze für Bauwillige, verbessern unsere kulturellen Angebote und streben eine generationengerechte und nachhaltige Kommunalpolitik an.
Und bei all dem verlieren wir nicht das finanzpolitische Ziel eines ausgeglichenen Haushalts aus den Augen, so dass wir auch in der Zukunft den notwendigen Freiraum uns bewahren, um Zukunftsprojekte wie beispielsweise die bereits erwähnte Landesgartenschau umzusetzen.
Und:
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung waren und sind ein zentraler Erfolgsfaktor der vergangenen Jahre. Ohne sie hätten wir diese vielen Projekte nie Stemmen können. Der Erfolg hat immer mehrere Mütter und Väter. Auch hier gilt meine Maxime: nur gemeinsam können wir das hinbekommen.
Das wird eine der Hauptaufgaben sein, die vor uns liegt, nämlich die Stadtverwaltung zukunftsfähig zu machen und so aufzustellen, dass wir die Herausforderungen der Zukunft wie die Digitalisierung unserer Umwelt, den Wissenstransfer innerhalb der Organisation, die Beteiligung engagierter Bürger, neue Formen der Mobilität und vieles mehr meistern können und wir als „progressive Stadt“ handlungsfähig bleiben, so wie dies der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx letzte Woche in seinem Vortrag in der Stadthalle formuliert hat.
An CDU-Stadtrat Günter Posselt war es, die eigentliche Amtsverpflichtung vorzunehmen. Sie ging schnell vonstatten. Inzwischen ist die Runde samt Stadträten und Fachbereichsleitern mutmaßlich in einem Rottweiler Restaurant angekommen.