Rottweil. Dass es einen Puppenspieler gibt in (New) Mexiko, das wusste Roberto Blanco schon 1972. Dass es dort auch Nachwuchs-Kräfte zu gewinnen gibt, das glaubt man bei der Helios-Klinik in Rottweil. Die ärztliche Direktorin und die Integrationsmanagerin der Klinik waren im März vor Ort in Mexiko.
In Deutschland fehlen zehntausende Kranken- und Altenpfleger in den Kliniken und Heimen. Manch eine Schätzung nennt bereits eine sechsstellige Zahl an fehlenden Pflegekräften. Und die Zahl würde steigen. Klar ist: In den kommenden Jahren werden viele Pflegerinnen und Pfleger in Rente gehen. Zugleich werden in unserer alternden Gesellschaft mehr Menschen auf Pflege angewiesen sein. Die Lage verschlimmert sich also.
Um dem entgegenzusteuern, ergreifen Kliniken schon recht drastische Maßnahmen – und schicken Mitarbeiter um die halbe Welt, um junge Menschen nach Deutschland zu locken. „Aus den Philippinen, aus Brasilien, Indien oder eben Mexiko“, wie die Süddeutsche Zeitung beobachtet hat. Die Nachwuchskräfte aus den fernen Ländern sollen helfen, „das Land der Grauhaarigen vor dem Gesundheitskollaps zu bewahren“, meldet das Blatt. Es tut dies übrigens unter dem Titel „Hasta luego in Rottweil!“, was so viel heißt wie „Bis später in Rottweil“. Denn auch aus Rottweil sind zwei Mitarbeiterinnen ins ferne Mexiko gereist, um dort für ihr Krankenhaus zu werben.
„Wie für alle Kliniken in Deutschland stellt die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt im Pflegebereich auch für uns eine Herausforderung dar“, erklärt dazu Tatsiana Zelenjuk, Referentin Marketing, Kommunikation und Technologien bei Helios in Rottweil. „Wir gehen deshalb mehrere Wege und setzen auf eine Reihe von Maßnahmen, die wir parallel umsetzen“, erklärt die Kliniksprecherin. Neben der fortlaufenden Akquise der Pflegekräfte bilde auch die Ausbildung zur Pflegefachfrau und zum Pflegefachmann in der Berufsfachschule für Pflege einen wichtigen Baustein. „Die meisten Auszubildenden halten unserer Klinik die Treue und verstärken nach ihrem Examen die Teams in unterschiedlichen Bereichen“, sagt Zelenjuk.
Doch das reicht nicht. Vielmehr hat die Klinik in Zusammenarbeit mit der der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit eine sogenannte Recruiting-Kampagne gestartet, also eine für die Anwerbung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In Mexiko. „Die ZAV ist ein zuverlässiger Kooperationspartner und bundesweit für die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland verantwortlich“, erklärt Klinik-Sprecherin Zelenjuk. Dieses Projekt füge sich gut ins Gesamtkonzept der Maßnahmen an der Rottweiler Klinik ein. In dessen Rahmen waren die ärztliche Direktorin Dr. Miriam Stengel und die Integrationsmanagerin Rahel Kopietz im März direkt vor Ort, um das Rottweiler Krankenhaus vorzustellen und die Bewerbungsgespräche mit den Pflegekräften zu führen.
„Die Helios Klinik unterstützt nun 15 Bewerberinnen und Bewerber ein Jahr lang mit einem Sprachstipendium“, berichtet Zelenjuk weiter. Die ZAV begleite und betreue diese Pflegekräfte. Anschließend sollen sie nach Rottweil kommen, um die Teams in der Klinik zu verstärken. „Parallel arbeiten wir daran, ein Netzwerk in und um Rottweil aufzubauen, welches die Fachkräfte nach ihrer Ankunft in Deutschland unterstützen wird“, sagt die Kliniksprecherin.
Die Süddeutsche Zeitung berichtet über die Anwerbeaktion in Mexiko. „Teams der Helios-Kliniken aus Rottweil, Überlingen und Bonn sind zusammen mit Mitarbeitenden der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Arbeitsagentur nach Mexiko gereist“, heißt es in dem kostenpflichtigen Beitrag. Für die drei Kliniken sei es das erste Mal, dass sie selbst im Ausland Pflegekräfte anwerben. Miriam Stengel, die ärztliche Direktorin und leitende Oberärztin der inneren Medizin in Rottweil, habe den Helios-Konzern in einer Powerpoint-Präsentation vorgestellt. Das Interesse vor Ort sei sehr groß gewesen, hat die SZ beobachtet.
„Die gezielte Zuwanderung junger Menschen aus dem Ausland stellt neben der besseren Erschließung aller inländischen Potenziale einen Lösungsansatz dar, um Fachkräfteengpässen entgegenzuwirken“, berichtet die ZAV dazu. Deswegen nehme bei Gesundheitsfachkräften neben der Gewinnung bereits ausgebildeter Fachkräfte auch die Rekrutierung von Auszubildenden an Bedeutung zu.
Das sogenannte Projekt „Ausbildungspatenschaften mit Lateinamerika“ (APAL) startete der Arbeitsagentur zufolge 2019 in El Salvador und wurde 2021 auf Mexiko ausgeweitet. Wie im Fall von El Salvador werden auch aus Mexiko jährlich mindestens 20 Absolventinnen und Absolventen von weiterführenden Schulen in eine Ausbildung nach Deutschland vermittelt. Zielberufe seien Pflegefachmann/-frau sowie medizinisch-technische Ausbildungsberufe.
Nahezu 70.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten bei Helios, davon 22.000 in der Pflege. In den vergangenen Jahren habe der Wettbewerb zwischen den Kliniken um Pflegekräfte zugenommen. „Daher ist es wichtiger denn je, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an unser Unternehmen zu binden, indem wir ihnen gute Arbeitsbedingungen und Perspektiven für die Zukunft aufzeigen“, sagt Helios-Personalchefin Corinna Glenz.
Ihr zufolge baue Helios auf drei Säulen, um den Personalbedarf zu decken: Als Erstes die Ausbildung: „Jedes Jahr beginnen bei uns über 3500 Schülerinnen und Schüler ihre Ausbildung zur Pflegefachfrau und zum Pflegefachmann“, so die Geschäftsführerin Personal im Helios-Konzern. Im Anschluss blieben viele im Unternehmen. Die zweite wichtige Säule sei die Rekrutierung im Inland – mit Kampagnen wie „Der wichtigste Job der Welt“ sei es gelungen, mehr als 1000 neue Pflegekräfte einzustellen. Und der dritte Aspekt ist schließlich die Suche nach Fachkräften im Ausland.
Nicht nur für Kliniken in Metropolregionen sei der Fachkräftemangel in der Pflege eines der zentralen Themen, heißt es in einem Helios-Papier dazu. Auch viele ländliche Regionen hätten zum Teil erhebliche Schwierigkeiten, freie Stellen zu besetzen. Ein zunehmend wichtiger Baustein in der Gewinnung von Pflegenden sei daher die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland.
„Die damit verbundenen Herausforderungen sind groß und nicht zu unterschätzen“, heißt es in dem Papier weiter. Auf dem Weg zur Einstellung gelte es, vielfältige Hürden zu überwinden – angefangen von der Personalsuche über rechtliche Rahmenbedingungen bis zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse. „Ein besonderer Fokus sollte zudem auf der Bindung ausländischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegen. Denn allein mit der erfolgreichen Rekrutierung haben wir neue Kolleginnen und Kollegen noch nicht für uns, für unsere Kliniken oder unser Land gewonnen“, so der Helios-Konzern. Vielmehr gehe es darum, sie zu integrieren – sowohl in den Klinikbetrieb als auch darüber hinaus in ihr privates, außerberufliches Umfeld. Sprachliche Barrieren, kulturelle Unterschiede und Heimweh seien nur einige der Themenfelder, die berücksichtigt werden müssen, wenn ausländische Fachkräfte langfristig gehalten werden sollen.