Dralle Damen, etliche Details und jede Menge Humor: Im Rottweiler Dominikanermuseum kann man derzeit eintauchen in die faszinierend fantastischen Bildwelten des Karl Hurm aus Haigerloch.
Man sollte etwas Zeit mitbringen, wenn man diese sehenswerte Ausstellung besucht. Und vielleicht auch eine Lupe. Denn Karl Hurm, 1930 in Haigerloch-Weildorf geboren und 2019 in Balingen verstorben, hat oft kleinformatige Gemälde geschaffen. Voll von daumengroßen Szenen und Einzelheiten, die einen Blick lohnen – und sich auch erst bei näherem Hinsehen zeigen.
Diese Detailverliebtheit, ja Miniatur-Versessenheit ist eine der Eigenheiten im Werk von Karl Hurm. Und nicht die einzige. Denn Hurm war zeitlebens ein eigenwilliger Solitär der regionalen Kunstlandschaft. Wenn auch vor allen in den späten Jahren endlich wahrgenommen und gewürdigt mit einer Dauerschau im Haigerlocher Städtischen Kunstmuseum Ölmühle und über 200 Ausstellungen in Europa, den USA und Japan.
Das aber hat gedauert. Denn Hurm war Autodidakt. Er hat nie eine Kunstakademie besucht und passte lange nicht so recht in die Schubladen- und Vermarktungssysteme des Kreativbetriebs. 20 Jahre war er zunächst als Obst- und Gemüsehändler tätig. Das Malen und Zeichnen blieb auf die rare Freizeit beschränkt. Anhand von Büchern beschäftigte er sich mit Künstlern und besucht nach Einkäufen auf dem Großmarkt Ausstellungen in Stuttgarter Museen und Galerien.
Erst 1970 zog sich Hurm aus gesundheitlichen Gründen aus dem Obst- und Gemüsehandel zurück – und konnte fortan mehr malen. Das Werk, das er in einer Mischung aus unfassbarem Fleiß und Akribie über die Jahrzehnte geschaffen hat, wird hilfsweise mit dem Begriff „poetischer Realismus“ etikettiert. „Realismus“, weil Hurm mit seinen Arbeiten eben nicht ins Abstrakte ausbrach, sondern vordergründig figürlich lesbar blieb. Und „poetisch“, weil er die Naturnähe um eine verträumt-fantastische Ebene angereichert hat.
Da wartet beispielsweise im Paradiesgarten ein menschengroßer Apfel auf den fatalen ersten Biss. Da bilden Tiere eine Hausgemeinschaft und da saust eine dralle Dame mit Sturzflug-Ekstase über eine kleinteilige Dächerlandschaft. Aber Hurms Werke zeichnet mehr aus als munter galoppierender Einfallsreichtum in Verbindung mit furiosem Pinselfleiß.
Bei näherem Hinschauen findet sich enorm viel subversive Energie. Etwa wenn er, ähnlich wie Hieronymus Bosch oder Pieter Bruegel der Ältere Mischwesen und Fabelgestalten auftreten lässt. Wenn Menschlein und Tiergestalten miteinander tanzen und in einem naiv-schematischen Gärtlein um ein nacktes Menschenpaar der halbe Schöpfungs-Zoo herumspaziert.
Auch sozial- und zivilisationskritisch lässt sich vieles lesen. Und nicht zuletzt faszinierten Hurm ganz offensichtlich weibliche Körper und erotisches Begehren. Obsessiv, aber auch frei und frech wirken diese Bilder – verbunden mit einer bubenhaften Verschmitztheit, an der alle neueren Korrektheits-Ansprüche locker abperlen.
Es macht einfach Freude in diese Gemälde einzutauchen, die allein schon mit ihrer Wimmelbild-Dichte enormen Schauwert bieten. Und es bringt in anregender Weise die Fantasie auf Trab, wenn man eintaucht in diese Bildwelten voller Findungsreichtum und Humor.
Info: Die Ausstellung „im kunst raum rottweil – museum der gegenwart“ im Dominikanermuseum (Kriegsdamm 4) ist bis 22. Oktober zu sehen und dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet.